Maritime Industrie

Schiffbaumesse beginnt - was die Branche beschäftigt

Schiffbaumesse beginnt - was die Branche beschäftigt

Schiffbaumesse beginnt - was die Branche beschäftigt

dpa
Hamburg
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Werften in Deutschland haben sich auf Hightech-Segmente spezialisiert wie den Jachtbau auf der Lürssen Werft. (Archivbild) Foto: Sina Schuldt/dpa

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Um den globalen Preiskampf zu überstehen, haben sich deutsche Werften spezialisiert. Andere sind verschwunden. Der Branchenverband warnt vor einem möglichen Kipppunkt - und macht einen Vorschlag.

Vor Beginn der internationalen Schiffbaumesse SMM in Hamburg warnt der deutsche Branchenverband vor einem möglichen Kipppunkt. Europa büße im Schiffbau seit Langem Marktanteile ein und habe schon einen erheblichen Teil der Industrie verloren, heißt es in einer Stellungnahme des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM). Die Branche müsse leistungsfähig bleiben, damit Kompetenz in Europa erhalten bleibe. 

Für die langanhaltende Entwicklung müsse eine Lösung auf europäischer Ebene gefunden werden. Der VSM greift einen Vorschlag der EU-Kommission von 1997 auf, der damals keine Umsetzung fand. Diesem Plan zufolge sollen Steuervergünstigungen und staatliche Garantien daran gekoppelt werden, dass Schiffe in Europa gebaut werden. 

Die Messe für Schiffbau, Maschinen und Meerestechnik ist nach Angaben der Veranstalter die weltweit führende der maritimen Industrie. Von Dienstag bis Freitag erwarten die Veranstalter in Hamburg mehr als 2.000 Aussteller und 40.000 Fachbesucher. Ein Überblick über die Lage der heimischen Werften: 

Wie entwickelt sich der Markt?

Obwohl der VSM vor einem möglichen Kipppunkt warnt, konstatiert der Verband: Die Auslastung der meisten deutschen Unternehmen sei derzeit gut. Im vergangenen Jahr lag der Wert der Auftragseingänge im Seeschiffbau bei rund 2,6 Milliarden Euro, wie aus dem Jahresbericht des Verbands hervorgeht. Das entspricht im Vorjahresvergleich einer Steigerung um annähernd 172 Prozent. Zum Seeschiffbau gehören Kreuzfahrtschiffe, Jachten und Handelsschiffe. Auch der Binnenschiffbau verzeichnete ein deutliches Plus. 

Zudem stiegen nach übereinstimmenden Angaben die zuvor eher niedrigen Weltmarktpreise für Neubauten wieder. Der VSM rechnet mit einem anhaltenden Trend, weil Reeder ihre Flotte modernisieren müssten, um Klimaschutzvorgaben zu erfüllen. Die niedrigen Preise waren ein Problem, weil sich hohe Energiekosten oft nicht auf die Kunden umlegen ließen. 

Wie ist die Stimmung in den Betrieben?

IG Metall Küste lässt jährlich Betriebsräte von Werften und Zulieferern befragen. Das aktuelle Ergebnis ist besser als im Vorjahr: In mehr als einem Drittel der Betriebe rechnet man damit, dass die Auftragslage sich in den nächsten zwei Jahren verbessert. Nur in jedem zehnten Betrieb wird angenommen, dass es zu einer Verschlechterung kommt. 

Welche Rolle spielt der deutsche Schiffbau weltweit?

Beim wichtigen Bau von Handelsschiffen wie Containerschiffen nahezu keine mehr. Der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung zufolge entfielen auf Deutschland vergangenes Jahr 0,45 Prozent der Produktion. Andere europäische Länder darben auf ähnlichem Niveau. 

Die meisten der Schiffe werden in Asien gebaut. Nach Zahlen des europäischen Schiffbauverbandes Sea Europe entfielen im vergangenen Jahr mehr als 80 Prozent aller Bestellungen nach Wert auf China und Südkorea. Auch Japan ist wichtiger Standort. Vor allem Preise entscheiden über Aufträge. 

Die heimische Branche erhielt 2006 im zivilen Bereich noch viele Aufträge für Frachtschiffe. Inzwischen sind die Werften nahezu ausschließlich auf Hightech-Segmente spezialisiert. Beim Bau von Kreuzfahrtschiffen lag Deutschland zuletzt weltweit auf Platz zwei - hinter Italien. Zwischen 2011 und 2021 betrug Deutschlands Anteil an der Kreuzfahrtschiffsproduktion 29,1 Prozent, wie eine Auswertung der OECD belegt. Auch Jachten werden erfolgreich in Deutschland gebaut.

Wie wichtig sind Werften für die heimische Wirtschaft?

Rund 60 Werften beschäftigten dem VSM zufolge im vergangenen Jahr etwa 16.700 Mitarbeiter und erzielten einen Umsatz von 6,7 Milliarden Euro. Allerdings ist die privatwirtschaftlich geprägte Branche weitaus wichtiger als die Zahlen suggerieren. Einer Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums zufolge sichern 100 Beschäftigte im Schiffbau gesamtwirtschaftlich 380 Stellen. Das liegt daran, dass die Werften mit Zulieferern zusammenarbeiten, die teils weitere Unternehmen beauftragen. 

Die Zulieferindustrie für Schiffbau und Offshore beschäftigt rund 63.000 Beschäftigte und erreichte im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 11,3 Milliarden Euro, wie der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau mitteilte. Der wichtigste Standort ist Baden-Württemberg, wo Firmen 27 Prozent des Umsatzes machten. Es folgen Bayern (20 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (11 Prozent). Die Zahlen belegen, dass der Schiffbau nicht allein in den Küstenbundesländern wichtig ist. 

Wer sind die größten Arbeitgeber?

Die meisten Beschäftigten arbeiten laut Umfrage der IG Metall bei drei Werftgruppen. Die auf Kreuzfahrtschiffe spezialisierte Meyer Neptun kommt demnach auf etwa 4.170 Mitarbeiter. Zu der Gruppe gehört auch die angeschlagene Meyer Werft. Platz zwei belegt Thyssenkrupp Marine Systems aus Kiel mit etwa 4.030 Arbeitnehmern. Die Thyssenkrupp-Tochter ist im Marineschiffbau tätig und nach eigenen Angaben Weltmarktführer im Bau konventioneller U-Boote. Die für Megajachten und Marineschiffe bekannte Gruppe Lürssen aus Bremen kommt auf etwa 3.290 Mitarbeiter. 

Welche Trends gibt es?

Ein großer Markt sind Konverterplattformen für Windparks auf See. Eine solche Plattform, die die Übertragung von Strom an Land verbessern soll, kann dem Bundeswirtschaftsministerium zufolge rund 2,5 Milliarden Euro kosten. Auf dem deutschen Markt sollen bis 2045 mindestens 33 neue Plattformen entstehen. Mehrere Werften bereiten sich auf den Bau der Anlagen vor. Die Meyer Werft arbeitet bereits an einer. 

Bekannt ist auch, dass erste Firmen sich mit Schiffsrecycling beschäftigen. Treiber kann ein höherer Bedarf nach Stahlschrott sein, wie eine Studie bilanziert. Allerdings bremsen rechtliche Hürden die Unternehmen noch aus. Lukrativer als alte Schiffe sind ohnehin Militäraufträge, die nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zunehmen dürften. 

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