Archäologie

Ein Schiffswrack erzählt Geschichte: Letzte Teile geborgen

Ein Schiffswrack erzählt Geschichte: Letzte Teile geborgen

Ein Schiffswrack erzählt Geschichte: Letzte Teile geborgen

dpa
Lübeck (dpa/lno) -
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Auf dem Teil einer geborgenen Glasflasche ist der Aufdruck "LONDN" (für: London) zu lesen. Foto: Jonas Walzberg/dpa

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Rund 400 Jahre lag ein gesunkenes Handelsschiff auf dem Grund der Trave. Bei seiner Bergung sorgt das Wrack für eine Überraschung. «Das Schiff hat mehr Geheimnisse preisgegeben, als wir zu hoffen gewagt hatten», sagt Lübecks Chef-Archäologe.

Ein leises Surren des Bordkrans, dann ein Ruck und das mehr als fünf Meter lange Ruderblatt schwebt über dem Fluss Trave. Das Ruder ist das letzte größere Teil des historischen Schiffswracks, das Archäologen seit Anfang Juni aus der Trave zwischen Travemünde und Lübeck geborgen haben. «Das Schiff hat mehr Geheimnisse preisgegeben, als wir zu hoffen gewagt hatten», sagt Lübecks Chef-Archäologe, Dirk Rieger, am Montag. Anhand der Funde sei es jetzt möglich, große Teile des Schiffes und der Ladung zu rekonstruieren.

Rund 450 Schiffshölzer, 80 mit Branntkalk gefüllte Fässer und eine Reihe von Alltagsgegenständen, die Rückschlüsse auf das Leben an Bord zulassen, haben die Experten in den zurückliegenden Wochen geborgen. Zuvor hatte das im 17. Jahrhundert gesunkene Schiff rund 400 Jahre auf dem Grund der Trave gelegen. «Es ist ganz erstaunlich, wie viele Informationen zum Schiff, seiner Bauweise und zu seiner Ladung wir jetzt schon haben», sagt Rieger.

Unklar ist dagegen noch, wem das Schiff und die Ladung gehört haben. «An einigen Fässern haben wir sogenannte Hausmarken entdeckt. Diese Zeichen geben Aufschluss über den Hersteller oder den Eigentümer der Waren», sagt Felix Rösch. Der Feuchtbodenarchäologe der Hansestadt Lübeck leitet die Bergung des Schiffswracks.

«Überrascht hat uns der gute Erhaltungszustand der Hölzer und vor allem die Bauweise des Rumpfes», sagt Rösch. «Es handelt sich nicht um ein Schiff mit flachem Boden, sondern hat einen Kiel», erklärt er. Vermutlich handele es sich um ein Mittelding zwischen einer Fleute und einem dreimastigen Schiff vom Typ Galiot. Die Fleute war ein in den Niederlanden entwickeltes Handelsschiff mit großer Ladefähigkeit und geringem Tiefgang.

Besonders überrascht hat die Archäologen auch die Erkenntnis, wie groß das Schiff war. «Es war zwischen 21 und 23 Meter lang und rund 6 Meter breit», sagt Rösch. Es sei allem Anschein nach nicht für das Wattenmeer gebaut worden. «Wir vermuten, dass es im Lübecker Raum unter dem Einfluss niederländischer Schiffbauer konstruiert wurde», so der Experte.

Das Wrack war 2022 zufällig bei Vermessungsarbeiten des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes in der Trave zwischen Travemünde und Lübeck entdeckt worden. «Die Politik hat lange darüber diskutiert, ob das Wrack geborgen werden soll», sagt Lübecks Kultursenatorin Monika Frank. «Doch dann hat die Bürgerschaft beschlossen, die rund zwei Millionen Euro für die Bergung zu bewilligen - zum Glück.»

Die Ladung des Schiffes bestand aus rund 160 Fässern mit Branntkalk. «Der wurde dem Mörtel beigemischt und hält unter anderem Lübecks Backsteinkirchen zusammen», erläutert Frank. Die Fässer hatten eine einheitliche Größe von 72 Zentimetern und fassten rund 300 Kilogramm. 80 der 160 Fässer sind bereits geborgen worden, 80 weitere liegen noch in der Fahrrinne verstreut. Sie sollen in den nächsten Wochen geborgen werden, kündigt Rösch an.

Die gehobenen Wrackteile werden jetzt in eine eigens angemietete Halle gebracht. «Dort werden sie zwischengelagert und dokumentiert. Was mit ihnen endgültig geschehen soll, ist noch unklar», sagt Frank.

Chef-Archäologe Rieger wünscht sich, dass die Funde nach der Restaurierung der Öffentlichkeit präsentiert werden. «Lübeck als Handelsmetropole hat bislang kein einziges Schiff gehabt», sagt er. «Jetzt habe wir so ein großes Exemplar, anhand dessen man Zusammenhänge erklären kann. Das ist eine echte Chance für die Stadt», findet Rieger.

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