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Senator: Rechtsextremismus größere Bedrohung als Islamismus

Senator: Rechtsextremismus größere Bedrohung als Islamismus

Senator: Rechtsextremismus größere Bedrohung als Islamismus

dpa
Hamburg (dpa/lno) -
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Hamburgs Innensenator Andy Grote (r) und Torsten Voß, der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz (Archivfoto). Foto: dpa/Archivbild

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Der Verfassungsschutz zählt in Hamburg 1840 Islamisten und 390 Rechtsextremisten. Innensenator Grote erklärt, warum der Rechtsextremismus die größere Gefahr für die Demokratie darstellt.

Der Rechtsextremismus ist nach Einschätzung von Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) nach wie vor eine größere Bedrohung für die Demokratie als der Islamismus. Grote begründete das am Montag vor allem mit der Rolle der AfD. «Auf Bundesebene und in einzelnen Landesebenen hat sich die Radikalisierung der AfD fortgesetzt», sagte der Senator bei der Vorstellung des Hamburger Verfassungsschutzberichts für 2023. Die AfD gelte überall in Deutschland als Verdachtsfall für verfassungsfeindliche Bestrebungen. Ausgewiesene Rechtsextremisten wie der Thüringer Fraktionschef Björn Höcke stünden möglicherweise vor Regierungsämtern. Grote erklärte zugleich, dass der Hamburger Landesverband der AfD kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes sei.

Islamismus nicht strukturell auf dem Vormarsch

Der Islamismus sei ebenfalls eine Bedrohung. Die Forderung nach einem Kalifat bei islamistischen Demonstrationen in Hamburg richte sich fundamental gegen die Ordnung des Grundgesetzes, sagte der Senator. «Aber wir stehen nicht in einer Situation, dass das Kalifat irgendwo strukturell auf dem Vormarsch ist.» Grote betonte zugleich: «Trotzdem ist der Islamismus eine Gefahr, die insbesondere deswegen so schwer wiegt, weil sie sich durch eine unglaubliche Brutalität und ein hohes Maß an Fanatismus und Gewaltbereitschaft im Einzelfall auszeichnet.»

Der Senator äußerte zu Beginn der Pressekonferenz seine Bestürzung über die Ermordung eines Polizisten in Mannheim und bat die Teilnehmer der Veranstaltung um eine Schweigeminute.

Mehr als 1800 Islamisten in Hamburg

Die Islamisten bilden mit 1840 Personen die mit Abstand größte Extremistengruppe in Hamburg. Im Jahr 2022 waren 1755 Menschen dieser Szene zugeordnet worden, im Jahr 2014 erst 955. 83 Prozent aller Islamisten gelten als gewaltorientiert.

Die wichtigsten Gruppierungen sind die Hizb ut-Tahrir, die Furkan-Gemeinschaft und Muslim Interaktiv. Nach dem Überfall der terroristischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sei die Zahl der politisch motivierten Straftaten im islamistischen Bereich gestiegen. Im vergangenen Jahr seien 62 Taten registriert worden, nach 22 im Vorjahr. Das Wiederaufflammen des Nahostkonflikts werde von den Islamisten ausgenutzt. «Insofern steht der Islamismus derzeit wieder sehr weit oben auf der Agenda der Sicherheitsbehörden», sagte Grote.

Grote erwartet baldiges Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg

Der Senator hofft auf ein baldiges Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH). Das Verwaltungsgericht habe im vergangenen Jahr bestätigt, dass die Berichterstattung des Verfassungsschutzes über das Zentrum rechtmäßig sei. Laut Landesamt wird der schiitische Verein, der die Blaue Moschee an der Außenalster betreibt, vom Iran gesteuert und ist extremistisch. Im November hatte die Polizei das Zentrum durchsucht. Bundesweit wurden nach Angaben von Grote 54 Objekte in Augenschein genommen. Die Auswertung des sichergestellten Materials sei noch nicht abgeschlossen, doch am Ende werde das Verbot des Vereins stehen. «Das erwarten wir - denke ich - alle», sagte der Senator.

Rechtsextremistische Straftäter oft randständig und betrunken

Das Personenpotenzial des Rechtsextremismus in Hamburg beziffert das Landesamt aktuell auf 390. Im Vorjahr waren 380 Rechtsextremisten in der Hansestadt gezählt worden. Es gebe eine hohe Fluktuation, überwiegend handele es sich um Personen, die keine strukturelle Anbindung an den Rechtsextremismus hätten, sagte der Leiter des Landesamtes, Torsten Voß.

Rechtsextreme Straftaten hätten aber eine andere Signalwirkung als Taten aus anderen Bereichen. Die Zahl der Delikte stieg von 484 (2022) auf 716. Mehr als 80 Prozent davon seien Äußerungs- und Propagandadelikte. Häufig seien es Fälle aus dem Randständigen-Milieu, bei denen die Täter alkoholisiert seien und Sicherheitskräfte provozieren wollten. Die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten betrug 55, das war ein Fall weniger als im Vorjahr.

Haltung zu Israel spaltet linksextreme Szene

Dem Linksextremismus rechnet der Verfassungsschutz 1060 Personen zu, nach 1130 im Jahr 2022. Den Rückgang begründete Voß mit dem Bedeutungsverlust orthodoxer Kommunisten. Außerdem sei der Konflikt in Israel und Gaza zu einer Sollbruchstelle der Szene geworden. Pro-palästinensische Antiimperialisten hätten jüngst die Rote Flora, das Zentrum der pro-israelischen Autonomen, besetzt. Die Rotfloristen hätten daraufhin die Schlösser ausgetauscht und die Zahl der Schlüssel reduziert.

«Wir sind alle Antifa»

Bei Antifa-Gruppierungen verzeichne der Verfassungsschutz einen Zulauf. Nicht alle Antifa-Mitglieder seien aber extremistisch. «Ich denke, wir sind ja alle Antifa in diesem Raum, also weil wir Antifaschisten sind», sagte Voß mit Blick auf die Teilnehmer der Pressekonferenz. Bei der Beobachtung gehe es um Antifaschisten, die das Ziel verfolgten, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu überwinden. Die Zahl der linksextremistischen Straftaten stieg von 80 auf 137.

Opposition: Rot-grüner Senat unterschätzt islamistische Gefahr

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Dennis Gladiator, warf dem rot-grünen Senat vor, auf dem islamistischen Auge blind zu sein. «Die politisch Verantwortlichen flüchten sich in Worthülsen. So geht es nicht weiter.» Der Senat müsse dem Islamismus mit aller Härte entgegentreten.

Grote beschwöre «gebetsmühlenartig» den Rechtsextremismus als größte Gefahr für unsere Gesellschaft, kritisierte AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann. Die Zahlen des Verfassungsschutzes sprächen aber eine eindeutige Sprache: «Islamische Extremisten sind eindeutig die größte Gefahr für unsere Demokratie.»

Die Co-Vorsitzende der Linksfraktion, Cansu Özdemir, meinte: «Der Verfassungsschutz hat wieder einmal bewiesen, dass auf ihn im Kampf gegen Rechts kein Verlass ist. Im Gegenteil: Antifaschistische Politik wird sogar noch diskreditiert und vom Verfassungsschutz überwacht.»

Hamburg habe sich nicht zuletzt durch das jahrelange Wegschauen rot-grüner Senate zu einer Hochburg der Islamistenszene entwickelt, kritisierte die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. «Das ist nicht nur eine akute Bedrohung unserer Demokratie, sondern geht mit wachsendem Antisemitismus einher.»

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