Prozess

Sicherungsverwahrung: Mann greift Menschen auf Bahnhöfen an

Sicherungsverwahrung: Mann greift Menschen auf Bahnhöfen an

Sicherungsverwahrung: Mann greift Menschen auf Bahnhöfen an

dpa
Hamburg (dpa/lno) -
Zuletzt aktualisiert um:
Blick auf die Justitia über dem Eingang eines Landgerichts. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Mit Faustschlägen, einer abgebrochenen Flasche und einem Messer - immer wieder greift ein 33-Jähriger grundlos Menschen an Hamburger Bahnhöfen an. Einer der Verletzten verblutet beinahe. Das Landgericht schickt den Angeklagten jetzt auf...

Wegen mehrerer Angriffe auf Menschen an Bahnhöfen hat das Landgericht Hamburg einen Mann zu neun Jahren Haft verurteilt. Die Strafkammer verhängte am Freitag zudem Sicherungsverwahrung. Das bedeutet, dass der 33-Jährige auch nach Verbüßung der Haftzeit nicht auf freien Fuß kommt, solange er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Die Vorsitzende Richterin Birgit Woitas sprach von einer «Grundaggressivität», die dem Angeklagten innewohne.

Das schwerste Verbrechen beging der 33-Jährige nach Überzeugung des Gerichts am 13. März 2022 am Hauptbahnhof. Dort sei er mit einem Obdachlosen, der ihn um eine Zigarette angebettelt habe, in Streit geraten und habe ihn zunächst geschlagen und getreten. Dann sei er dem flüchtenden Mann gefolgt und habe ihm mit großer Wucht ein Messer in den Rücken gestoßen. Nur dank einer schnellen notärztlichen Behandlung habe der 31-Jährige überlebt. Die Kammer wertete die Tat als versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung.

In den fünf Monaten davor beging der Türke drei weitere Körperverletzungen an U- und S-Bahnhöfen. Die erste verübte er nur wenige Tage nach Entlassung aus dem Gefängnis. Grund für die Untersuchungshaft war eine andere Messertat an einem U-Bahnhof gewesen. Nach Angaben des Gerichts soll er am 25. Juli 2021 einen Mann an der Station St. Pauli mit einem Cuttermesser verletzt haben. Das Amtsgericht hatte ihn deswegen am 18. Oktober 2021 zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten verurteilt und den Haftbefehl aufgehoben. Gegen das Urteil legte der Angeklagte Berufung ein, über die noch nicht entschieden ist.

Bereits in der U-Haft verübte der Angeklagte zwei neue Taten. Am 18. September 2021 drohte er laut Gericht einer Vollzugsbeamtin, sie «abzustechen». Als ihn Beamte daraufhin auf eine Sicherheitsstation bringen wollten, leistete er Widerstand, wie Woitas erklärte.

Nach seiner Entlassung aus der Haft geriet er am 24. Oktober 2021 mit einem Mann am U-Bahnhof Schlump in Streit. Der Angeklagte sei dem Mann hinterhergelaufen und habe ihn mit einer abgebrochenen Bierflasche drei stark blutende Verletzungen am Kopf zugefügt, sagte die Richterin.

Nur einen Monat später, am 28. November 2021, habe er am U-Bahnhof Kellinghusenstraße frühmorgens einen Mann und eine Frau auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig in obszöner Weise beleidigt und seinen Penis gezeigt. Dann sei er durch das Gleisbett auf den Mann auf dem anderen Bahnsteig zugelaufen. Die Frau, die sich schützend vor ihren Begleiter stellen wollte, habe er mit zwei Schlägen zur Seite geschubst. Den ihm völlig fremden Mann, der nach Angaben der Richterin auch keinen Anlass für die Aggression gegeben hatte, schlug der Angeklagte mit der Faust mehrfach gegen Kopf und Rippen. Als ein dritter Mann dem Angegriffenen zu Hilfe kommen wollte, wurde auch dieser von dem Angeklagten geschlagen.

Am 4. März 2022 griff der 33-Jährige zwei Männer am U- und S-Bahnhof Barmbek an, wie das Gericht feststellte. Er habe abends mit einer Bierflasche in der Hand an einem Taxistand gestanden und laut herumgeschrien. Als ihn zwei Männer aufforderten wegzugehen, habe er einen von ihnen mit der Flasche ins Gesicht geschlagen. Allerdings setzten sich die beiden Männer zur Wehr und schlugen nun ihrerseits auf den Angeklagten ein. Dabei brachen sie ihm die Nase.

Der 33-Jährige hatte im Prozess erklärt, die beiden Männer hätten ihn «abziehen» wollen. Das bezeichnete Woitas als Schutzbehauptung. Genauso stufte sie eine Erklärung des Angeklagten zu der Tat am Hauptbahnhof ein, die nur neun Tage später folgte. Demnach soll der Obdachlose gedroht haben, ihn mit einer infizierten Nadel zu stechen. Dagegen habe er sich in Notwehr verteidigt. Diese angebliche Bedrohung sei auf Videoaufzeichnungen von der Tat nirgendwo zu sehen, sagte die Richterin.

Bei dem Angeklagten sei keine psychische Erkrankung erkennbar. «Ursache für die Taten ist in erster Linie Ihre Persönlichkeitsstruktur», sagte die Richterin an den 33-Jährigen gewandt. Er scheine in keiner Weise zu verstehen, was ihm vorgeworfen werde. Stattdessen suche er die Schuld bei anderen und zeige keine Einsicht. Der Angeklagte habe keine Ausbildung und sei mehrfach vorbestraft. Auch gegenüber Rettungspersonal und einem Arzt im Krankenhaus sei er gewalttätig geworden. Bei dieser Äußerung versuchte der Angeklagte, die Vorsitzende Richterin zu unterbrechen, die ihn jedoch scharf ermahnte. Gegen das Urteil kann Revision eingelegt werden.

Mehr lesen