Unwetter

Sturmflut drängt Wasser an Ostseeküsten und überflutet Ufer

Sturmflut drängt Wasser an Ostseeküsten und überflutet Ufer

Sturmflut drängt Wasser an Ostseeküsten und überflutet Ufer

dpa
Kiel/Flensburg
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Ein Fußballtor steht am Ostseestrand im Wasser. Foto: Frank Molter/dpa

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Ein mächtiger Sturm drückt das Ostseewasser ans Land und sorgt für Überschwemmungen in Schleswig-Holstein. In Flensburg könnte es die höchste Sturmflut seit 100 Jahren werden. Die Einsatzkräfte haben alle Hände voll zu tun.

Die Wellen der Ostsee donnern mit Wucht an die Hafenanlagen, Straßen sind von Wasser überschwemmt, Äste stürzen auf Autos und Gleise - das Sturmtief über der Ostsee hat am Freitag für Sperrungen in Ufernähe und für Schäden an Land gesorgt. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) erwartete für die Kieler und Lübecker Bucht in der Nacht zu Samstag den Höhepunkt der schweren Sturmflut. In der Flensburger Förde könnte das Wasser bis zu 2,00 Meter über das mittlere Hochwasser steigen, teilte das BSH auf seiner Internetseite mit. Damit wird dort voraussichtlich der höchste Wasserstand seit mehr als 100 Jahren eintreten. In der Lübecker Bucht sollte der Wasserstand bis zu 1,6 Meter über normal erreichen.

Feuerwehr und Polizei häufig im Einsatz

Die Feuerwehr sprach am Freitagnachmittag von rund 110 Einsätzen in den Kreisen Rendsburg-Eckernförde und Plön sowie in Kiel. Neben Kiel mit 36 Einsätzen gab es Schwerpunkte in der Schleiregion, in Eckernförde und Damp, wo eine Rehaklinik mit Sandsäcken gegen das steigende Wasser gesichert wurde. «Es sind schon viele Leute, die wegen Sandsäcken anfragen», sagte ein Sprecher.

Die Kiellinie und weitere Straßen in der Landeshauptstadt wurden aus Sicherheitsgründen gesperrt. In Kiel-Schilksee waren bereits am Donnerstagnachmittag Strandkörbe ins Wasser gezogen worden. «Da ist das Wasser schon ungewöhnlich hoch. Etwa 150 Strandkörbe sind dort geborgen worden», sagte eine Polizeisprecherin.

In Flensburg war die Lage zunächst noch überschaubar, wie eine Polizeisprecherin sagte. «Das Wasser kommt, es ist schon sehr weit gedrungen, es steht schon vor der Tür.» Am Nachmittag standen die Straßen am Hafen unter Wasser. Im Kreis Schleswig-Flensburg waren bereits rund 30.000 Sandsäcke an die betroffenen Ämter und Gemeinden ausgeteilt worden, weitere 40.000 standen bereit.

Die Polizei bat die Verkehrsteilnehmer, die Bereiche um die Flensburger Förde, den Nord- und Südhafen in Kappeln sowie in Schleswig die an die Schlei angrenzenden Bereiche großräumig zu umfahren. In der Region waren aufgrund des Hochwassers zahlreiche Straßen gesperrt.

In der Lübecker Bucht war das Wasser am Mittag ebenfalls bereits an vielen Stellen über die Ufer getreten. Zudem blockierten ungesicherte Gegenstände sowie umstürzende Bäume teilweise die Fahrbahnen in Lübeck und im Kreis Ostholstein. Polizei und Feuerwehr schleppten Fahrzeuge aus dem Gefahrenbereich und sperrten Straßen.

Auf Fehmarn waren am Freitag die freiwilligen Seenotretter der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger zehn Urlaubern und einem Hund zu Hilfe gekommen, die auf ihren Hausbooten vom Sturm überrascht wurden. Sie mussten die schwimmenden Unterkünfte verlassen und wurden an Land gebracht.

Das Technische Hilfswerk (THW) bereitete sich auf Einsätze vor. «Wir beobachten die Lage und stehen bereit, mit unseren vielfältigen Möglichkeiten während und nach der Sturmflut Hilfe zu leisten», sagte THW-Präsidentin Sabine Lackner. Erste Maßnahmen seien angelaufen, Sandsäcke befüllt und verbaut worden.

Sturmfluten in den vergangenen Jahren an der Ostsee

Die Ostsee-Küste wird immer wieder von verheerenden Sturmfluten heimgesucht. Sturmfluten entstehen durch starken Wind, der das Wasser an die Küste drückt. Im Januar 2017 wurden Pegelstände bis zu 1,83 Meter gemessen, Es gab Schäden in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Eine ähnliche Sturmflut mit Wasserständen von mehr als 1,7 Metern gab es im November 2006. Die Ämter bezifferten damals den Schaden auf mehrere Millionen Euro. Noch höhere Pegel von fast zwei Metern über Normal wurden bei der Sturmflut im Februar 2002 gemessen.

Bei der schwersten Sturmflut an der südwestlichen Ostseeküste starben 1872 etwa 275 Menschen. Betroffen waren zahlreiche Orte an der dänischen und deutschen Küste. Die Insel Usedom wurde in zwei Teile gerissen. Das Wasser stand bis zu 2,80 Metern über Normal.

Wetterdienst erwartet orkanartige Böen bis nach Mitternacht

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) geht davon aus, dass das Sturmtief über der Ostsee am Freitagnachmittag seinen Höhepunkt erreichen und nach Mitternacht langsam abklingen wird. «Bis etwa zwei Uhr nachts sind dann an der Ostseeküste und den Inseln orkanartige Böen möglich», sagte DWD-Meteorologin Anne Wiese der dpa in Hamburg.

Der Sturm, der an der Ostsee das Wasser ans Land schob, drückte an der Nordsee das Wasser von der Küste weg und verursachte extrem niedrige Wasserstände. Das hatte Auswirkungen auf den Schiffverkehr. So fielen zahlreiche Fähren zu den Inseln und Halligen aus. Auch am Samstag sollten einige Fähren noch in den Häfen bleiben.

«Das ist momentan extrem hier mit dem Wind und dem Wetter. Das hat man nicht oft», sagte Betriebsleiter Nick Obert von der Wyker Dampfschiffs-Reederei zum extremen Niedrigwasser. «Das ist sehr außergewöhnlich. Da, wo sonst eine kleine Sandbank ist, ist jetzt eine riesengroße Sandbank. Man sieht deutlich mehr Sand und Schlick als sonst.»

Auch in der Ostsee stellten Fähren zeitweise den Dienst ein. So fuhr in Travemünde die Fähre zum Priwall teilweise nicht mehr, in Kiel wurde die Fördefährlinie eingestellt. Der Sturm über der Ostsee stoppte auch den deutsch-dänischen Fährverkehr auf den Strecken Puttgarden-Rødby und Rostock-Gedser vorübergehend.

Einschränkungen auch auf Schiene und in der Luft

Nach einer Sperrung der Bahnstrecke zwischen Neumünster und Brokstedt wurde der Regionalverkehr auf der Strecke am Nachmittag wieder aufgenommen. Viele Züge in Schleswig-Holstein verkehrten mit verringerter Geschwindigkeit, es kam zu Verspätungen. Ab 20.00 Uhr sollte der Bahnverkehr zwischen Eckernförde und Kiel, Rendsburg und Kiel sowie Husum und Kiel eingestellt werden. Am Kopenhagener Flughafen fiel am Freitag rund jeder zehnte Flug aus.

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