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Tariftreuegesetz ohne Mehrheit im Landtag

Tariftreuegesetz ohne Mehrheit im Landtag

Tariftreuegesetz ohne Mehrheit im Landtag

dpa
Kiel (dpa/lno) -
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Ministerpräsident Daniel Günther (M) spricht bei einer Regierungserklärung. Foto: Christian Charisius/dpa

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Beschlossen, abgeschafft, neu gefordert: So geht es dem Tariftreue- und Vergabegesetz. Wie SSW und SPD hätten auch die Grünen gern wieder ein solches Gesetz, aber in den Koalitionsverhandlungen brachten sie das nicht durch. Schwarz-Grün und FDP...

Ein Tariftreue- und Vergabegesetz für öffentliche Aufträge spaltet weiter den Landtag in Kiel. SSW und SPD brachten dazu erneut einen Entwurf ein, über den das Parlament am Freitag wie erwartet kontrovers diskutierte. Koalition und FDP rückten Bürokratieabbau in den Fokus, um dem heimischen Mittelstand zu helfen. Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos) sagte, die Regierung wolle mit den Sozialpartnern über eine stärkere Tarifbindung sprechen, ohne zusätzliche Bürokratie zu schaffen. «Das geht nur mit Überzeugungsarbeit und nicht mit Gesetzen.»

Bei mehr Bürokratie beteiligten sich viele kleine und mittlere Unternehmen nicht an Ausschreibungen, weil die Hürden zu hoch seien, sagte Madsen. «Tarifverträge sind nichts, worüber eine Regierung oder ein Parlament befindet oder die per ordre de mufti festgelegt werden.» Schlichtweg falsch seien Vorwürfe, die Landesregierung unterstütze Lohndumping.

SSW und SPD wollen mit einem Gesetz nach eigenen Angaben einen fairen Wettbewerb um das wirtschaftlichste Angebot bei der Vergabe öffentlicher Verträge gewährleisten. Das Gesetz soll auch den Einsatz von Niedriglohnkräften verhindern. Zugleich sollen Sozialverträglichkeit, Umweltschutz, Energieeffizienz und Innovation von Angeboten gefördert werden.

Ein erstes Gespräch zur Tarifbindung hatte Madsen am Montag mit DGB-Nord-Chefin Laura Pooth. Sie hätten vereinbart, dazu mit Vertretern von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Ministerium zusammenzukommen.

Das alte Gesetz habe sich in weiten Teilen bewährt, sagte die SSW-Abgeordnete Sybilla Nitsch. Es habe kleine und mittlere Unternehmen vor Wettbewerbsverzerrungen durch landesfremde Konzerne geschützt. Seit der Abschaffung werde die heimische Wirtschaft immer wieder von Billigangeboten von Konzernen ausgebootet. «Deshalb müssen wir die bis 2018 geltenden Regelungen für einen fairen Wettbewerb und für Ausschreibungen, die eben nicht auf dem Rücken von Beschäftigten, Klima oder Umwelt gewonnen werden, dringend wieder einführen.»

Es gehe darum, den untersten Mindestlohn zu zahlen, sagte die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten habe keine Tarifbindung. Nur in Schleswig-Holstein und Bayern gebe es kein Tariftreue- und Vergabegesetz.

Mehr Tarifbindung erzeugen zu wollen sei richtig, sagte Ex-Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP). Darüber müsse aber mit den Unternehmen diskutiert werden. SSW und SPD führten eine Scheindebatte: «Damit erreichen Sie das Ziel nicht.» Bei der Auftragsvergabe im Land gebe es auch kein Lohndumping. «Das ist doch irre, das findet doch gar nicht statt», sagte Buchholz.

Der Grüne Oliver Brandt bedauerte das Absinken der Tarifbindung auch in Schleswig-Holstein. «Das liegt nicht zuletzt an der Zunahme atypischer und nichtregulärer Beschäftigung wie Zeitarbeit, Teilzeit und selbstständiger Beschäftigung in Niedriglohnbranchen in den letzten Jahren.» Die Evaluation des alten Tariftreuegesetzes habe gezeigt: «Das beste Gesetz ist nur so gut wie seine Umsetzung», sagte Brandt.

Für die CDU lehnte Lukas Kilian eine Wiedereinführung des Gesetzes ab. Dieses sei sehr bürokratisch und das alte Gesetz habe die angestrebten Ziele nicht erreicht. Zudem sei der Gesetzentwurf schludrig vorbereitet. Kilian warf den Initiatoren «Mindestlohn-Populismus» vor.

Jamaika hatte das von der Vorgängerkoalition aus SPD, Grünen und SSW beschlossene alte Gesetz wieder abgeschafft und dies mit zu hohem bürokratischen Aufwand bei der Vergabeprüfung begründet. Die Grünen verankerten es wieder in ihrem Landtagswahlprogramm, konnten sich in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU aber nicht durchsetzen.

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