Elbvertiefung

Tschentscher mit Schlickvorschlag weitgehend isoliert

Tschentscher mit Schlickvorschlag weitgehend isoliert

Tschentscher mit Schlickvorschlag weitgehend isoliert

dpa
Hamburg/Hannover/Kiel
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Peter Tschentscher (SPD), Hamburgs Erster Bürgermeister, spricht im Rathaus. Foto: Christian Charisius/dpa

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Tschentscher allein zu Haus. Mit seinem neuerlichen Vorstoß zur Verklappung von Elbschlick bei Scharhörn hat sich Hamburgs Bürgermeister nicht nur bei Niedersachsen und Schleswig-Holstein eine Abfuhr geholt. Selbst der Grünen-Koalitionspartner...

Mit seinem neuerlichen Vorstoß zur Verklappung von Elbschlick nahe der Vogelschutzinsel Scharhörn steht Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ziemlich alleine da. Nicht nur die Nachbarländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen lehnen den Vorschlag rundweg ab. Selbst der Grünen-Koalitionspartner in Hamburg geht auf Distanz. Schließlich hätten die zuständigen Fachbehörden Umwelt und Wirtschaft sowie die Senatskanzlei kurz vor Weihnachten gemeinsam mit den Nachbarländern vereinbart, den Schlick zum Seezeichen Tonne E3 bei Helgolandeine zu bringen, sagte Umweltsenator Jens Kerstan am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. «Das sollte man nicht auf’s Spiel setzen. Ich fühle mich an diese getroffene Vereinbarung gebunden.»

Tschentscher hatte am Dienstagabend im Übersee-Club überraschend die Pläne zur Verklappung von Elbschlick bei Scharhörn erneuert, wonach jährlich rund zweieinhalb Millionen Kubikmeter aus dem Flusslauf ausgebaggerten Sediments nahe der zur Hansestadt gehörenden Insel im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer abgeladen werden sollen. Obwohl der Bund nicht weit entfernt beim Neuen Lüchtergrund die vierfache Menge Schlicks in der Elbmündung ablagere, würden die Hamburger Pläne als Ärgernis verstanden, «weil wir angeblich die Natur gefährden», sagte Tschentscher. Dies sei aber gar nicht der Fall. «Das muss man einmal akzeptieren.»

Für Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) kommt das jedoch nicht in Frage. «Eine Schlickverklappung vor Scharhörn lehnen wir nach wie vor ab.» Ihn wundere und irritiere der erneute Hamburger Vorstoß sehr. «Alle beteiligten Länder waren sich einig, mit dem weihnachtlichen Schlickfrieden einen guten und wichtigen Schritt in Richtung einer vernünftigen und tragfähigen Lösung gemacht zu haben.»

Ähnliche Töne kommen aus Schleswig-Holstein. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur am Rande des Neujahrsempfangs des «Hamburger Abendblatts», es seien vor Weihnachten klare Verabredungen getroffen worden. Hamburg, aber auch Schleswig-Holstein, hätten ein großes Interesse, dass der Hafen funktioniere. «Und deswegen helfen wir mit der Tonne E3. Darüber gibt es eine klare Verabredung und Scharhörn ist vom Tisch», betonte der Regierungschef. Helgoland und die Tonne E3 gehören zu Schleswig-Holstein.

Noch deutlicher wurde der Sprecher des Umweltministeriums in Kiel. «Wir gehen davon aus, dass Hamburg sich als ehrbarer Kaufmann an diese Verabredung hält.» Der Landtag in Kiel habe sich erst kürzlich klar und fraktionsübergreifend gegen eine Verklappung bei Scharhörn ausgesprochen. Eine Schlickdeponie in dem Bereich wäre eine ernsthafte Bedrohung für das Weltnaturerbe Wattenmeer mit hochriskanten Auswirkungen für Pflanzen- und Artenwelt und schon deshalb rechtlich unzulässig, sagte der Sprecher.

Tschentscher legte dagegen am Mittwoch noch einmal nach. Am Rande des «Abendblatt»-Neujahrsempfangs sagte er der dpa, Hamburg brauche eine Lösung, bei der der Tiefgang für die Schiffe sichergestellt sei. «Und deswegen ist verabredet zwischen den Ländern, dass wir weiterarbeiten auch an den zusätzlichen Verbringstellen.» Beim Bund liege bereits seit mehr als einem halben Jahr ein Antrag für eine Verklappung des Schlicks in der ausschließlichen Wirtschaftszone weit draußen in der Nordsee vor. Aber «wir brauchen eine zusätzliche Verbringoption für einen Rückstau, der sich in den letzten Jahren ergeben hat». Und deswegen habe der Hamburger Vorschlag Bestand, Sediment aus dem Elbstrom, nicht aus den Hafenbecken, bei Scharhörn zu verklappen.

Niedersachsens Wirtschafts- und Hafenminister Olaf Lies (SPD) sagte dagegen, dass eine Lösung für das Hamburger Elbschlickproblem auch in einer engeren Zusammenarbeit der norddeutschen Seehäfen liege. «Ich bin übrigens mal wieder überrascht, dass man auf Hamburger Seite, wenn man über Niedersachsen spricht, gefühlt immer erstmal nur an Schlickverklappung denkt», sagte Lies der dpa. «Mein erster Gedanke zur Lösung des Problems sind vielmehr eine gemeinsame Sedimentstrategie und der Einstieg in eine echte, deutsche Hafenkooperation - gerade auch mit Blick auf den einzigen deutschen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven.» Es brauche allerdings eine Bereitschaft, «da ernsthaft drüber nachzudenken.»

Die CDU-Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft zeigte sich derweil irritiert. «Die Halbwertszeit der Absprachen des rot-grünen Senats mit unseren Nachbarbundesländern scheint sehr überschaubar zu sein», sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. Anders seien die Aussagen nicht nachzuvollziehen. «Hier zeigt sich erneut die miserable Abstimmung des Hamburger Senats mit unseren Nachbarn.» Mit dieser Vorgehensweise von oben herab werde Tschentscher scheitern. «Statt weitere Sonntagsreden zu halten, sollte der Bürgermeister endlich langfristige Lösungen mit den anderen Ministerpräsidenten und vor allem auch der Ampel im Bund finden und diese dann auch umsetzen.»

Die AfD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft warf Tschentscher selbstherrliche Alleingänge vor. «Bürgermeister Tschentscher befindet sich in schwierigem Fahrwasser - mit diesem Alleingang wird das Schlickproblem nicht zu lösen sein.» Dies könne nur länderübergreifend gelingen.

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