Gericht

Überfälle auf Biomärkte: Vier Jahre Haft für Hamburger Vater

Überfälle auf Biomärkte: Vier Jahre Haft für Hamburger Vater

Überfälle auf Biomärkte: Vier Jahre Haft für Hamburger Vater

dpa
Hamburg (dpa/lno) -
Zuletzt aktualisiert um:
Der Angeklagte verbirgt im Gerichtssaal sein Gesicht hinter einem Aktendeckel. Foto: Markus Scholz/dpa/Archivbild

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Er überfällt in Hamburg mehrmals maskiert Biomärkte - in der Hand eine Softair-Waffe. Schluchzend berichtet der 44 Jahre alte Vater einige Monate später vor dem Landgericht, wie es so weit kommen konnte. Nun ist das Urteil gefallen.

Er ist Vater, verheiratet, hat einen festen Job und keine Vorstrafen - doch er ist verantwortlich für eine Serie von Raubüberfällen auf Hamburger Biomärkte. Für diese Verbrechen ist der 44-Jährige am Donnerstag zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Er hatte vor dem Landgericht geschildert, dass er aus Verzweiflung gehandelt habe. Über Jahre sei er von Drogenhändlern erpresst worden. Das Gericht glaubte ihm. Die Einlassung sei äußerst ungewöhnlich, aber nicht unplausibel, sagte der Vorsitzende Richter André Hienzsch.

Am ersten Prozesstag hatte der Angeklagte sichtlich bewegt ein Geständnis abgelegt. Die Urteilsverkündung nahm er nun ruhig und mit ernstem Gesichtsausdruck auf. Im Gerichtssaal verfolgten Familie und Freunde den Prozess. Als das Gericht verkündete, dass der Mann bis zum Haftantritt auf freiem Fuß sein darf, flossen viele Tränen im Zuschauerraum. Der Angeklagte hatte zuvor ein halbes Jahr in Untersuchungshaft gesessen.

Das Gericht verurteilte den Mann wegen Raubes in sechs Fällen - davon fünf in besonders schwerem Fall - sowie wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in einem Fall. Der Angeklagte habe zwischen 24. August 2021 und 6. Mai 2022 Filialen einer Biomarkt-Kette überfallen. Dabei schlug er immer im selben Laden in seiner Nachbarschaft im Stadtteil Eimsbüttel zu, nur einmal in Eppendorf. Auch in einer Pizzafiliale in Groß Borstel habe er Geld gefordert. Ein Zeuge packte ihn aber am Arm und schubste ihn aus dem Laden. Bei den Überfällen erbeutete er insgesamt mehr als 4100 Euro.

Mit einer Softair-Waffe hatte der Täter die Biomärkte betreten und von den Angestellten Geld aus der Kasse gefordert. Sein Aussehen verbarg der Mann hinter einer Latex-Maske, die das Gesicht eines alten Mannes darstellte. Mehrmals bat der Angeklagte die Opfer um Entschuldigung. Nach Auffassung des Gerichts war der Mann vermindert schuldfähig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten für den Angeklagten gefordert. Die Verteidigung plädierte auf eine milde Strafe.

Zu Prozessauftakt hatte der 44-Jährige geschildert, wie es so weit kommen konnte. Vor 20 Jahren war sein bester Freund immer weiter abgerutscht in die Drogenwelt. Beim Versuch, Kokain zu schmuggeln, sei der Freund schließlich 2004 an einer Überdosis gestorben. Das sei eine Katastrophe gewesen, sagte der Mann. Er selbst ist seit langem verheiratet, hat drei Kinder und einen Beruf. Doch er hatte phasenweise auch Probleme mit Alkohol, nahm ab und zu Kokain, erzählte er.

Vor gut zehn Jahren habe er diese Drogen an Silvester wieder nehmen wollen und sei beim Kauf auf zwei Männer getroffen, die er laut eigener Aussage flüchtig über seinen früheren besten Freund kannte. Sie hätten ihm einen Schlag versetzt und verlangt, dass er für das Drogengeld aufkommen müsse, das ihnen durch den Tod des Freundes beim Schmuggeln entgangen sei. Innerhalb von einer Woche habe er 5000 Euro besorgen müssen, schilderte der Angeklagte. Die Männer hätten ihn mit einer Waffe bedroht.

Aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung sei der Angeklagte nicht zur Polizei gegangen und habe als Ausweg nur die Überfälle gesehen, sagte der Vorsitzende Richter. Doch die Erpresser waren nie zufrieden, lauerten dem Angeklagten immer wieder auf. Der nahm eigenen Angaben zufolge Kredite auf, lieh sich Geld von Freunden und Kollegen, stahl Wertvolles von Familienmitgliedern. «Ich bin sogar an die Spardose meiner Kinder gegangen», hatte er unter Tränen berichtet. Er habe diesen Druck verheimlicht, aus Angst um sich und seine Familie viel mehr getrunken.

«Sie müssen unbedingt etwas gegen Ihre schwere Alkoholabhängigkeit tun», sagte der Vorsitzende Richter zu dem Angeklagten. Er müsse zudem lernen, Hilfe anzunehmen. «Ich hoffe, dass Sie Ihr Leben wieder in den Griff bekommen.»

Mehr lesen