Grenzüberschreitendes

„Tolle Erfahrung“: Inklusive Radgruppe fuhr von Sonderburg nach Eutin

„Tolle Erfahrung“: Inklusive Radgruppe fuhr von Sonderburg nach Eutin

Inklusive Radgruppe fuhr von Sonderburg nach Eutin

Sonderburg/Sønderborg
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Aminata Touré
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fahrradfreizeit mit der schleswig-holsteinischen Sozialministerin Aminata Touré in Kiel Foto: Sozialministerium

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Die zwölfköpfige Gruppe von Radfahrerinnen und Radfahrern mit geistigen und psychischen Beeinträchtigungen war am vergangenen Montag in Sonderburg gestartet. Begleitet von vier Betreuerinnen und Betreuern, ging es über Flensburg, Kappeln, Eckernförde und Kiel zurück nach Eutin. Dabei standen Besuche von Werkstätten und ein Treffen mit Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré auf dem Programm.

Nach einer Panne, zwei Stürzen und einem Treffen mit Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré ist eine Gruppe von Radlerinnen und Radlern mit geistigen und psychischen Beeinträchtigungen, die am vergangenen Montag in Sonderburg zu einer mehrtägigen Fahrradtour nach Eutin aufgebrochen ist, wohlbehalten zu Hause angekommen. „Der Nordschleswiger“ hatte die zwölf Mitfahrenden und ihre vier Betreuerinnen und Betreuer am Start der Radreise am Møllestedgård auf der Halbinsel Kjär (Kjær) besucht, und sie auf der ersten Etappe nach Flensburg (Flensborg) begleitet

Die Teilnehmenden arbeiten bei den inklusiven Werkstätten „Die Ostholsteiner“ im Süden Schleswig-Holsteins. Das gemeinnützige Unternehmen vertritt die Interessen von Menschen mit Beeinträchtigung und ihr Recht auf Selbstbestimmung und eigene Lebensplanung.

Mit zwei Transportern waren die Mitfahrenden und ihre 16 Pedelecs nach Sonderburg gebracht worden. Von dort aus folgten unterwegs Halte bei den verschiedenen Werkstätten, um neue Kontakte zu knüpfen. Auch in Sonderburg war ein Besuch des Møllestedgård geplant, wegen des Grundgesetztages (Grundlovsdag) aber ausgefallen. 

Am zweiten Tag der Tour stand ein Besuch der Mürwiker Werkstätten in Flensburg auf dem Programm. Danach ging es über Glücksburg (Lyksborg) und Langballigau (Langballeå) nach Süderbrarup (Sydbrarup), wo die Gruppe übernachtete.

Von Kappeln nach Eckernförde

Am folgenden Tag besuchten die Radfahrerinnen und Radfahrer in Kappeln (Kappel) das Sägewerk in der Mühle Amanda, das die Kappelner Werkstätten betreiben. „Wir haben eine Führung bekommen, bei der unser Guide mit so einem Fachwissen geglänzt hat, dass er eigentlich Touristinnen und Touristen das Sägewerk erklären müsste“, sagt Frank Westphal, der in der Fertigungssteuerung der Eutiner Werkstätten arbeitet und seit mehreren Jahren die Fahrradfreizeiten plant. Das „K-Werk“, der Laden der Werkstätten, wurde ebenfalls besucht.

„Am Donnerstag ging es echt ans Eingemachte“, sagt Westphal. Die Nerven lagen bei einigen Mitfahrenden blank, und es gab ein wenig Streit und schlechte Laune. Allerdings haben sich die Wogen schnell wieder geglättet. Am Abend wurde im Café Heldt in Eckernförde gegessen und danach spazieren gegangen, um den Tag ausklingen zu lassen.

Am Freitag stand dann ein Besuch von „Kompass Fahrradcenter“ auf der Agenda. Der Fahrradladen ist eine Einrichtung der Diakonie und gehört zum Programm „Kompass 98“.  Danach ging es weiter in die Kaffeerösterei der Eckernförder Werkstätten.

 

 

Führung im Sägewerk der Mühle Amanda in Kappeln.
Führung im Sägewerk der Mühle Amanda in Kappeln Foto: Frank Westphal

Panne und Sturz 

Auf der Weiterfahrt nach Kiel dann die erste Panne. Kevin, der jüngste Mitfahrer der Tour, hatte einen Plattfuß, der sich ohne spezielles Werkzeug nicht reparieren ließ, erzählt Westphal. „Das Rad hat einen Heckmotor, und die Schraube zum Ausbau des Hinterrads konnte unser Fahrradexperte Heiko nicht lösen.“ Zusammen mit dem hinzugerufenen Hausmeister wurde das Fahrrad mitsamt Kevin und Betreuerin Christel zurück nach Eckernförde gebracht, wo es im zuvor besuchten Fahrradladen repariert wurde. Kevins Rad hatte bereits in Sonderburg Luft gelassen – eine möglicherweise programmierte Panne. 

Kurz vor Kiel dann der zweite Schreck. Auf einem landwirtschaftlichen Weg mit zwei Fahrspuren und Grünstreifen stürzte Corinna, mit 61 eine der ältesten Mitfahrerinnen. Sie zog sich ein blutiges Knie zu und wurde von Heiko getröstet. „Sie ist mit ihren 61 Jahren ein echtes Stehaufmännchen“, sagt Westphal. „Sie fuhr kurz danach weiter und konnte wieder lachen.“ 

In Kiel angekommen, machte es sich die Gruppe im Biergarten „Forstbaumschule“ gemütlich. Im Hotel fand zeitgleich eine Tagung der Grünen statt. Die Gruppe traf dort auf Sozialministerin Aminata Touré und Finanzministerin Monika Heinold. Westphal sprach beide an, und zu seiner Überraschung wussten sie bereits von dem am kommenden Morgen geplanten Treffen vor dem Sozialministerium.

Biergarten
Entspannung in einem Kieler Biergarten Foto: Frank Westphal

Treffen mit Sozialministerin Aminata Touré

„Ursprünglich wollten wir Ministerpräsident Daniel Günther treffen“, sagt Westphal. Weil der aber zu dieser Zeit mit einer Wirtschaftsdelegation in den USA war, traf die Gruppe die Sozialministerin. Touré begrüßte alle persönlich und schnackte gut gelaunt auf den Stufen vor dem Ministerium mit den Teilnehmenden der Tour.

Aminata Touré
Kam mit den Fahrradfahrenden der „Ostholsteiner“ ins Gespräch: Aminata Touré. Foto: Sozialministerium

Der Hintergrund des Treffens war aber durchaus ein ernster. Frank Westphal erklärt am Telefon, dass er sich eine Initiative wünscht, mit der auch Mitarbeitende in den Werkstätten Zugang zu E-Bike-Leasing bekommen. Dies ist aktuell aus steuerlichen Gründen nicht möglich, und die Pedelecs sind daher für Menschen mit Beeinträchtigungen, die in den Werkstätten arbeiten, nicht erschwinglich. „Ob es da eine Leasing-Lösung oder den Aufbau eines Fuhrparks gibt, das wollen wir anstoßen.“ Laut Westphal will sich die Ministerin zunächst nach existierenden Optionen erkundigen, die es seiner Ansicht nach nicht gibt. „Sie hat uns aber Unterstützung zugesagt und will sich um eine Lösung bemühen.“

Frank Westphal
Frank Westphal plante bereits mehrere inklusive Touren – unter anderem nach Kopenhagen. Foto: Gerrit Hencke

Nach einem gemeinsamen Foto stand der letzte Streckenabschnitt auf dem Programm. Kurz vor dem Ziel in Eutin stürzte dann ausgerechnet Corinna erneut. „Sie hat sich durchgebissen, obwohl wir zuerst den Krankenwagen rufen wollten“, sagt Westphal. Sie habe eine Prellung davongetragen. 

Tolle Erfahrung und nächste Tour vor Augen

Das Fazit der Tour: „Anstrengend, selbst wir Betreuer waren am Wochenende platt.“ Im Vergleich zu vorherigen Touren habe man schon gemerkt, dass diesmal kein Begleitfahrzeug das Gepäck transportierte und auch kein Tag Pause für Unternehmungen eingeplant war. Somit sei man effektiv deutlich mehr gefahren. Trotz der Strapazen habe sich die Tour allein für das Teambuilding gelohnt. „Es war eine tolle Erfahrung“, sagt Westphal. Auch Betreuerin Christel sprach seiner Aussage nach „von der besten Fahrradfreizeit, die sie je gemacht“ habe.

Am Ende standen 290 Kilometer auf dem Tacho. Nächstes Jahr soll es laut Westphal gerne weitergehen. „Ich würde gerne sieben Tage fahren, vielleicht in die Niederlande, wo die Infrastruktur so gut ist. Ich könnte mir aber auch vorstellen, wieder in Sonderburg zu starten. Von hier aus könnte man dann in die dänische Südsee aufbrechen.“

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