Sommerspiele in Tokio
Regenbogen-Binden und Kniefall: Auch Olympia wird politisch
Regenbogen-Binden und Kniefall: Auch Olympia wird politisch
Regenbogen-Binden und Kniefall: Auch Olympia wird politisch
Diesen Artikel vorlesen lassen.
Regenbogen-Binden und Kniefall oder politische Statements und Gesten: Was bei der Fußball-Europameisterschaft für Aufsehen gesorgt hat, scheint sich bei den Olympischen Spielen in Tokio fortzusetzen.
Die australischen Fußballerinnen halten eine Aborigines-Fahne in die Höhe, US-Star Megan Rapinoe & Co. knien nieder - und die deutsche Hockey-Spielführerin darf ihre Regenbogenbinde nun doch auch während der Spiele tragen.
Zwei Wochen nach dem Ende der auch von politischen Symbolen und Gesten geprägten Fußball-Europameisterschaft deutet sich für Olympia in Tokio Ähnliches an: Mündige Athletinnen und Athleten positionieren sich. Sport und Politik sind längst kein unvereinbares Gegensatzpaar mehr.
Auch deutsches Team positioniert sich
Am Donnerstag lenkte das Internationale Olympische Komitee gleich in zwei Fällen ein. Nike Lorenz darf auch beim Spiel und nicht nur beim Aufwärmen oder nach Abpfiff die bunte Binde am Stutzen tragen. «Wir freuen uns, dass wir damit einen gemeinsamen Weg gefunden haben, der es dem Hockey-Team ermöglicht, ein gesellschaftspolitisches Statement abzugeben», sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Alfons Hörmann. «Es fühlt sich unglaublich gut an, meinen Mitspielerinnen den Raum auf dem Spielfeld verschafft zu haben, den sie sich verdienen. Jeder einzelne Charakterzug von uns hat jetzt offiziell seinen Platz. Love always wins», sagte Lorenz.
Zudem werden Bilder von knienden Sportlern künftig auch auf den Social-Media-Kanälen der Olympischen Spiele oder des IOC gezeigt. Zum Auftakt des olympischen Fußball-Turniers waren die Spielerinnen der Teams aus Großbritannien, Chile, USA, Schweden und Neuseeland für einen Moment mit dem Knie auf den Rasen gegangen, um gegen Rassismus und Diskriminierung zu protestieren. Neuseelands Gegner Australien stellte sich Arm in Arm auf und hielt die Flagge der Aborigines in die Kameras. Die Fahne mit dem schwarz-roten Hintergrund und dem gelben Kreis gilt als wichtiges Symbol der Ureinwohner Australiens.
Auch das deutsche Team schaut über den vielzitierten sportlichen Tellerrand hinaus. Was die deutsche Hockey-Kapitänin Nike Lorenz und viele andere eint: Sportlerinnen und Sportler positionieren sich - und tun dies öfter als in der Vergangenheit auch öffentlich.
«Es müssen ja nicht alle Athletinnen und Athleten machen, aber diejenigen, die sich für die Regenbogenflagge oder andere Botschaften, die für friedliches Zusammenleben, Respekt und Toleranz stehen, aussprechen wollen, die sollten doch hier eigentlich die beste Bühne dafür haben», sagte Athletensprecher Max Hartung in Tokio der Deutschen Presse-Agentur. Explizit ermuntert der 31 Jahre alte Säbelfechter seine Kolleginnen und Kollegen zu klaren Statements.
«Befinden uns auf der globalen Bühne»
«Für uns ist das eine Gelegenheit, weiterhin unsere Stimmen und unsere Plattformen zu nutzen, um über die Dinge zu sprechen, die uns alle in unterschiedlicher Weise betreffen», sagte die US-Fußballerin Megan Rapinoe, die schon seit vielen Jahren wohl meinungsstärkste Vertreterin ihrer Sportart. «Wir befinden uns auf der globalen Bühne, alle Augen sind in den nächsten Wochen auf Tokio gerichtet», sagte die 36-Jährige und betonte: «Viele, die hier sind, machen sich nicht nur über ihren Sport Gedanken, sondern auch über viele andere Dinge.»
Die britische Spielführerin Steph Houghton sprach bewegt von einem «stolzen Moment» und verwies auf die Reaktion der Chileninnen, die es ihnen einfach spontan nachmachten und ebenfalls niederknieten.
Olympische Charta gelockert
Möglich sind diese Aktionen, weil das IOC die Regel 50 der olympischen Charta gelockert hat, die politische Gesten und Aussagen auf dem Spielfeld und bei Medaillen-Zeremonien verbietet. Protest-Aktionen wie der Kniefall oder die erhobene Faust sind vor Beginn eines Wettbewerbs nun möglich, danach auf Siegerpodien aber weiter untersagt. Die Verbände besitzen zudem ein Vetorecht. So hat der Schwimm-Weltverband Fina allen Athleten jegliche politische Gesten oder Zeichen des Protests am Beckenrand verboten.
Auf Antrag von DOSB und Deutschem Hockey-Bund stimmte das IOC nun dem Antrag zu, dass Lorenz nach dem Vorbild von Fußball-Nationaltorwart Manuel Neuer auch im Spiel eine Binde mit Regenbogenfarben «als Symbol für sexuelle Diversität tragen darf», wie der DOSB twitterte.
Organisatoren scheinen noch zu fremdeln
So begrüßenswert die meisten Athleten die angepasste Regel finden - nicht alle wollen sie auch aktiv umsetzen. «Ich finde das cool, dass die Regel aufgeweicht wurde», sagte Beachvolleyball-Vizeweltmeister Clemens Wickler am Donnerstag in Tokio. Mit seinem Partner Julius Thole habe er aber nichts geplant. «Wir unterstützen das auf jeden Fall, aber da liegt der Fokus dann doch auf den eigenen Wettkämpfen. Wir probieren, alle Energie dafür aufzuwenden», sagte Wickler.
Auch Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo findet es zwar «sehr schön, wenn Sportler das tun, wenn sie für größere Werte einstehen, die stellenweise einfach vergessen werden». Sie selber jedoch könne sich «nicht mit diesen großen Gesten anfreunden. Das fühlt sich gerade nicht nach mir an», sagte sie.
Und auch die Organisatoren schienen zunächst noch zu fremdeln. Am Mittwoch wurde keines der Bilder der knienden Spielerinnen auf den Social-Media-Kanälen der Olympischen Spiele oder des IOC gezeigt. Einen Tag später verwies das IOC darauf, dass künftig solche Bilder auch auf den eigenen Plattformen im Internet verbreitet würden.