Tagung in Schwerin

Sexueller Missbrauch im DDR-Sport: Aufarbeitung gefordert

Sexueller Missbrauch im DDR-Sport: Aufarbeitung gefordert

Sexueller Missbrauch im DDR-Sport: Aufarbeitung gefordert

dpa
Schwerin
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Ex-Weltklasse-Wasserspringer Jan Hempel beim Fachgespräch in Schwerin. Foto: Bernd Wüstneck/dpa

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Der Fall des früheren Wasserspringers Jan Hempel hat das Thema sexueller Missbrauch im Sport in die Öffentlichkeit gerückt. Er ist aber längst kein Einzelfall, wie auch eine Tagung in Schwerin zeigt.

Die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann hat eine konsequente Auseinandersetzung mit dem sexuellen Missbrauch im DDR-Leistungssport gefordert.

Die SPD-Politikerin ist Mitglied der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. «Es ist schwierig und es tut auch richtig weh. Aber es muss sein. Wir brauchen Erkenntnisse über Missbrauch begünstigende Strukturen, über Fehlverhalten und Lücken im Schutzsystem», sagte Bergmann bei einer Fachtagung in Schwerin. Zwar sei die DDR längst Geschichte, doch litten bis heute viele ehemalige Sportler unter dem erfahrenen Unrecht und Schmerz.

Die Kölner Sportwissenschaftlerin Bettina Rulofs verwies vor den etwa 70 Teilnehmern auf eine Studie aus dem Jahr 2019, die Mechanismen des DDR-Sportsystems offengelegt hätten. «Kinder im DDR-Leistungssport waren einem System ausgesetzt, das sie ausgebeutet hat», sagte Rulofs. Permanenter Druck und die Macht der Trainer hätten Gewalt und Missbrauch begünstigt.

Betroffene berichteten

Betroffene berichteten in der Diskussion über erlittene Qualen, beklagten zugleich aber mangelnde Bereitschaft von heute führenden Sportfunktionären, sich dem Thema zu stellen. Zudem kritisierten sie eine überbordende Bürokratie bei Anträgen auf Entschädigungsleistungen.

Die Debatte um sexuellen Missbrauch im Sport hatte neue Nahrung bekommen, nachdem der frühere Weltklasse-Wasserspringer Jan Hempel sein Martyrium öffentlich gemacht hatte. In einer Dokumentation der ARD hatte Hempel im Vorjahr erstmals die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen seinen 2001 gestorbenen langjährigen Trainer Werner Langer öffentlich gemacht. Demnach hatte Langer sich von 1982 bis 1996 an dem Olympia-Zweiten von Atlanta 1996 vergangen.

Hempel: «Alles hinnehmen müssen» für den Erfolg

Hempel machte die strengen Hierarchien im DDR-Leistungssport mitverantwortlich für die folgenschweren Übergriffe. Mitsprache habe es für Athleten nicht gegeben und auch keine Anlaufstellen, um sich dort Hilfe zu holen. «Für den Erfolg haben wir alles hinnehmen müssen», sagte Hempel. Auf eine Entschuldigung für das erlittene Leid warte er bis heute. «Es gab eher strafende Worte und Vorwürfe, wie ich damit jetzt noch an die Öffentlichkeit gehen konnte», berichtete Hempel. 

Er sprach sich dafür aus, die Verjährungsfristen für Missbrauch zu verlängern, da Opfer oft erst mit großem zeitlichen Abstand die Kraft aufbrächten, sich zu offenbaren. Wie Maximilian Klein von der Vereinigung Athleten Deutschland mitteilte, wurde inzwischen eine unabhängige Anlaufstelle für Spitzensportler geschaffen.

Das Forum in Schwerin war gemeinsam von der Landesbeauftragten in Mecklenburg-Vorpommern für die Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs organisiert worden. Die Schweriner Behörde hat sich in der Vergangenheit auch intensiv mit dem Doping im DDR-Sport und den Spätfolgen für betroffene Sportler befasst.

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