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„Wer hat die Telefonnummer von Rubin Okotie?“

Wer hat die Telefonnummer von Rubin Okotie?

Wer hat die Telefonnummer von Rubin Okotie?

Hadersleben/Haderslev
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Rubin Okotie verhinderte in der Saison 2013/14 fast im Alleingang den drohenden Abstieg. Foto: Karin Riggelsen

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Die Überlebenskünstler haben in der Saison 13/14 gezeigt, wie man in einer aussichtslosen Situation den Kopf noch aus der Schlinge zieht. Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber zumindest bleibt die Hoffnung, dass SønderjyskE langfristig wieder zu sich selbst findet. In den Kulissen weht ein anderer Wind. Ein Kommentar von Jens Kragh Iversen.

Wer hat die Telefonnummer von Rubin Okotie? Der österreichische Stürmer ist mittlerweile 34 Jahre alt und hat im Sommer 2019 im belgischen Beerschot seine Karriere beendet, wird aber wohl noch lange bei SønderjyskE als derjenige in Erinnerung bleiben, der in der Saison 2013/14 fast im Alleingang die Wende herbeiführte und den drohenden Superliga-Abstieg verhinderte. Rubin Okotie wurde in den letzten Minuten des Wintertransferfensters vom damaligen Sportchef Ole Nielsen verpflichtet und erzielte 11 Tore in den folgenden 15 Superliga-Spielen. SønderjyskE ging als Tabellenletzter mit fünf Punkten Rückstand zum rettenden Ufer in die Winterpause. Zwei Spieltage zuvor waren es sieben Punkte gewesen, doch am vorletzten Spieltag wurde der Klassenerhalt gesichert.

Die Hellblauen zogen damals den Kopf aus der Schlinge. Totgesagte leben manchmal länger, und auch in der laufenden Saison stirbt die Hoffnung zuletzt.

SønderjyskE muss im Wintertransferfenster im Januar nachrüsten und mehr Qualität reinbringen. Die Hoffnung auf ein kleines Wunder an den fünf noch ausstehenden Spieltagen sowie an den zehn Spieltagen der Abstiegsrunde ist intakt. Die Hoffnung, dass es langfristig um SønderjyskE besser aussieht, ist aber noch viel wichtiger.

Robert Platek und seine beiden Kinder, Amanda und Robert jr., bei einem der wenigen Besuche in einem dänischen Stadion. Foto: DN

Das erste Jahr unter dem neuen amerikanischen Eigentümer Robert Platek ist chaotisch gewesen. Alles sollte eigentlich beim Alten bleiben, aber das waren nur leere Worte. In den USA hält man generell nicht viel von den Europäern und wie sie im Soccer-Geschäft agieren und wirtschaften. Auch die Platek-Familie und ihre Leute wollten SønderjyskE professionalisieren, doch der Einstieg war alles andere als profihaft. Der europäische Fußball und nicht zuletzt die dänische Superliga ist unterschätzt worden. Fast die komplette Führungsriege ist grün hinter den Ohren gewesen, kaum ein Fettnäpfchen wurde ausgelassen, und der Preis dafür ist in der Superliga-Tabelle abzulesen.

Es ist aber deutlich zu spüren, dass mittlerweile wieder ein anderer Wind bei SønderjyskE weht. Der dritte Kurswechsel auf Führungsebene innerhalb eines Jahres geht wieder ein Stück weit Richtung „altes SønderjyskE“.

Der Datenanalytiker Andrew Ramsey war im ersten Halbjahr 2020 eine zentrale Figur, ist nun aber ausgeschieden. Vorstandsmitglied Nishant Tella war von Anfang an als rechte Hand von Platek der starke Mann bei SønderjyskE, hat aber als CEO von Spezia Calcio mehr als genug um die Ohren und hat sich nun aus dem Vorstand verabschiedet. Es hat ganz klar den Anschein, dass sich die Amerikaner künftig im Tagesgeschäft weniger einmischen werden.

Jonas Lygaard ist seit Juli Fußballdirektor bei SønderjyskE. Foto: André Thorup/JV

Auch Fußball-Direktor Jonas Lygaard scheint eingesehen zu haben, dass nicht unbedingt alles schlecht war, was über Jahre mühselig aufgebaut worden war. Er war im Sommer seinen neuen Job mit dem klaren Auftrag angetreten, die bereits begonnene Modernisierung des Klubs voranzutreiben. Man hatte schon vor seinem Amtsantritt den Eindruck, dass alles, was mit dem „alten SønderjyskE“ zu tun hatte, unerwünscht war. Das war auch anfangs unter Lygaard so, aber das hat sich mittlerweile geändert, vermutlich auch aus Angst um eine Sponsoren-Flucht. Abena war der erste Großsponsor, der seine Gelder in andere SønderjyskE-Kassen fließen ließ. Andere Sponsoren spielen bzw. spielten mit dem Gedanken, dasselbe zu tun.

Ein Modell ohne Sportchef, dafür mit Jonas Lygaard als CEO und Joe Manns als „Head of Recruitment and Player Development“ sowie ein internationales, vereinsübergreifendes „Recruitment Team“ zwischen SønderjyskE, Spezia und Casa Pia, ist gescheitert. Kläglich gescheitert sogar, wenn man einen Blick auf die Transfers seit der Platek-Übernahme wirft.

Daten und Zahlen sind gute Werkzeuge, aber es ergibt keinen Sinn, sich ausschließlich darauf zu verlassen, was irgendein Computer ausspuckt. Philipp Schmiedl, Ogenyi Onazi und Abdulrahman Taiwo sind die besten Beispiele hierfür. Es ist auch bei SønderjyskE deutlich geworden, dass im Fußball das geschulte Auge und das Gespräch mit dem künftigen Arbeitnehmer noch nicht ausgedient haben.

Esben Hansen hat im sportlichen Bereich ein starkes Mandat bekommen. Foto: Claus Fisker/Ritzau Scanpix

Die Einsicht ist spät gekommen, aber die Ergänzung der Führungsriege mit einem Sportdirektor ist das erste Zeichen dafür, dass man sich bewusst ist, dass der falsche Weg eingeschlagen wurde. Esben Hansen hat in dieser Rolle keine Erfahrungen, scheint aber ein starkes Mandat eingefordert und auch bekommen zu haben. Der Ex-Nationalspieler und Rechtsanwalt ist der neue starke Mann im sportlichen Bereich. Er scheint klare Vorstellungen zu haben, will sich nicht reinreden lassen und scheint auch von Anfang an verstanden zu haben, welche Art Verein SønderjyskE ist.

Die Kultur, die Werte und die Tugenden des „alten SønderjyskE“ sind mitunter mit Füßen getreten worden, doch es hat den Anschein, dass es wieder ein Stück weit zu dem zurückgeht, was den Klub jahrelang ausgemacht hat. Ein weiteres Zeichen dafür ist die Trainersuche, wo mit Jakob Michelsen und Henrik Hansen zwei Leute ins Visier genommen worden sind, die die Kultur, Werte und Tugenden des „alten SønderjyskE“ verinnerlicht haben und verkörpern. Hier würde der neue Sportdirektor bei Fans und Sponsoren mächtig punkten.  Und Esben Hansen hat bereits angekündigt, dass er künftig eher auf dem skandinavischen Markt als im übrigen Ausland seine Verstärkungen suchen wird.

Die Änderungen auf Führungsebene sind das nächste Zeichen. Es war lange abzusehen, dass die Ära Gynther Kohls enden würde. Der treue Vereinssoldat war früh mit den Amerikanern auf Kollisionskurs und übergibt jetzt den Stab an Søren Davidsen, der mit einem lokal verankerten Vorstand SønderjyskE wieder in die Spur bringen muss.

Sportlich mag es in der laufenden Saison zu spät sein. Zu spät ist es aber nicht, die Herzen einiger frustrierter SønderjyskE-Fans zurückzugewinnen.

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