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Historisch: Vingegaard gehört nun zu den Größten

Historisch: Vingegaard gehört nun zu den Größten

Historisch: Vingegaard gehört nun zu den Größten

cvt/Ritzau
Kopenhagen/Paris
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Jonas Vingegaard
Jubeln kann er – doch während der Rennen versucht er, die Emotionen im Griff zu halten: Jonas Vingegaard Foto: Anne-Christine Poujoulat/AFP/Ritzau Scanpix

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Jonas Vingegaard gehört jetzt zu den Allergrößten in der Geschichte des Radsports. Er hat zum zweiten Mal in Folge die Tour de France gewonnen. Das hat noch kein Däne vor ihm geschafft. Ein Portrait.

Der dänische Radprofi Jonas Vingegaard hat zum zweiten Mal in Folge die Tour de France gewonnen. Er dominierte die Tour dieses Jahr und gewann mit einem Vorsprung von sieben Minuten und 29 Sekunden vor dem Slowenen Tadej Pogačar.

Vingegaard positioniert sich als Gegenteil Pogačars in den Geschichtsbüchern

Es war also doch kein verrücktes Jahr, als Jonas Vingegaard letztes Jahr Tadej Pogačar bei der Tour de France vom Podest stieß. Es war ein Thronwechsel. Das wissen wir jetzt. Der kleine Mann mit der großen Lunge hat das Rezept gefunden, um seinen ewigen Rivalen auszuschalten.

Die Tour de France einmal zu gewinnen, ist eine Leistung, die in die Geschichtsbücher eingeht. Es zweimal hintereinander zu schaffen, hebt Vingegaard in den Kreis der ganz Großen.

Seit Sonntag steht fest: Der Mann aus Thy ist keine Übergangsfigur zwischen den Epochen anderer. Er ist kein Carlos Sastre, Vincenzo Nibali oder Bjarne Riis, die einen unvergesslichen Sommer lang gefeiert haben – und dann nie wieder auch nur in die Nähe eines solchen Triumphes kamen.

Jonas Vingegaard
Jonas Vingegaard nach dem Triumph in Paris mit seiner Lebensgefährtin Trine Hansen und der gemeinsamen Tochter. Foto: Marco Bertorello/AFP/Ritzau Scanpix

Der zweite Sieg von Jonas Vingegaard ist überzeugender als der erste

Der zweite Gesamtsieg Vingegaards war kein Glück. Im Gegenteil: Der Nordjüte dominierte die Tour. Das zeigt sich zum Teil an dem großen Zeitunterschied von 7 Minuten und 29 Sekunden vor der letzten Etappe. Aber vor allem daran, dass er dieses Mal als Chef des Rennens aufgetreten ist.

Er hatte das Gelbe Trikot seit der 6. Etappe ununterbrochen inne und hat es mit stoischer Ruhe verteidigt. Als er die Chance sah, die entscheidenden Züge zu machen, ergriff er sie mit größtem Selbstvertrauen.

Es ist eine Sache, Pogačar auf Bergetappen mithilfe eines soliden Teams und einer klaren Strategie zu besiegen, wie es Vingegaard letztes Jahr gelang.

Eine andere Sache ist es, den Superstar an den Rand des physischen und mentalen Zusammenbruchs zu treiben, wie es am Mittwoch der Fall war.

An diesem Tag wurde Vingegaard zum König.

Die Sieger der Tour de France seit 2013

2023 Jonas Vingegaard

2022 Jonas Vingegaard

2021 Tadej Pogačar

2020 Tadej Pogačar

2019 Egan Bernal

2018 Geraint Thomas

2017 Chris Froome

2016 Chris Froome

2015 Chris Froome

2014 Vincenzo Nibali

2013 Chris Froome

 

Fragen nach Doping begleiten die Dominanz

Ein introvertierter und leicht mysteriöser Sieger, gegen den sich die französische Öffentlichkeit irgendwann wendet. Denn an der Spitze ist es kalt. Und die Temperatur um Vingegaard sank in dem Moment, als das Rennen seine Spannung verlor.

Am Tag vor dem zweiten Ruhetag hatte ihn ein Journalist denn auch mit einer nicht näher bezeichneten „Skepsis“ konfrontiert, die er gegenüber den Leistungen von Vingegaard und Pogačar hegte.

Nach der Leistung des Dänen beim Zeitfahren und seinem Sieg über Pogačar am darauffolgenden Tag wurden die Samthandschuhe im Presseraum endgültig ausgezogen.

Auch deshalb, weil sich manche Journalistinnen und Journalisten nicht später als naiv abstempeln lassen wollen, sollte sich später herausstellen, dass sie sich mitten in einer erneuten Doping-Ära unkritisch verhalten hätten.

Deshalb wird Doping auch dann zum Thema, wenn es aktuell keine konkreten Verdachtsmomente gibt.

Vingegaard blieb jedoch ruhig. Selbst als er nach detaillierten Erklärungen zu Dopingkontrollen in Höhentrainingslagern oder seinem Wissen über bestimmte Medikamente mit angeblich leistungssteigernder Wirkung gefragt wurde.

Seine überlegten Antworten wirkten manchmal einstudiert. Doch dafür stellen die Teams Pressesprecher ein, und niemand kann Vingegaard vorwerfen, bei dem Thema in die Defensive zu gehen.

Handschlag bei der Siegerehrung: Jonas Vingegaard (rechts) und sein Rivale Tadej Pogacar. Foto: Thomas Samson/AFP/Ritzau Scanpix

Der Typ Vingegaard bleibt vielen ein Mysterium

Auch dieses Jahr war aus dem Mann aus Glyngore ansonsten nicht viel herauszulocken. Er hat die Angewohnheit, auf Fragen extrem präzise Antworten zu geben. Oft mit nur einem Satz. Keine überflüssigen Worte. Kein Ausmalen, keine Superlative.

Auf diese Weise ist es ihm gelungen, die Lust am Fragenstellen im Keim zu ersticken. Am Ende waren seine täglichen Pressebriefings in weniger als drei Minuten vorbei, was er kaum bedauert haben dürfte.

Jede Minute, die er nicht auf Medien und Ehrungen verwendet, spart Vingegaard für Erholung zwischen den Renntagen. Vingegaard hat die Verpflichtungen, die mit dem Gelben Trikot einhergehen, akzeptiert – und es zugleich geschafft, sie so schnell zu erfüllen, wie überhaupt nur möglich.

Jonas Vingegaard

  • Der Sieg bei der Tour de France ist der 25. Profi-Erfolg Vingegaards.
  • Er hat nun 6 Etappenrennen gewonnen.
  • Es war erst seine dritte Tour de France – und schon sein zweiter Sieg.

Neben dem impulsiven Pogačar kommt das unnahbar rüber. Aber nur wenige würden ihn als arrogant bezeichnen, wie ihn eine französische Zeitung zu Beginn des Rennens darzustellen versuchte.

Sein extremer Glaube an den Plan des Teams und seine Fähigkeit, ihn umzusetzen, hat sich im Duell gegen den Slowenen als tödliche Waffe erwiesen. So unterschiedlich wie diese beiden Kontrahenten auftreten, das hat es bei der Tour auf dem Niveau noch selten gegeben.

Die Tatsache, dass Vingegaard die vorletzte Etappe damit verbrachte, seine Gegner zu kontrollieren, anstatt zur Unterhaltung beizutragen, war denn für viele ein Ärgernis. Doch selbst als alles schon entschieden war, hielt er an seiner Strategie fest.

Es wurde deutlich: Der Däne war nicht nach Frankreich gekommen, um eine Show zu veranstalten. Er war gekommen, um die Tour de France zu gewinnen, und das erreicht man nicht, indem man in Pogačars Revier eindringt.

Das erreicht man, indem man gegen die wenigen Dinge vorgeht, die der Slowene nicht so gut kann: sich an einen Plan halten, geduldig bleiben und gelegentlich seine Instinkte zu unterdrücken.

Natürlich hilft es auch, einen der besten Einzelstarts der Radsportgeschichte hinzulegen, wenn es darauf ankommt.

Das Bild, das sich allen eingeprägt hat bei der letztjährigen Tour de France war der kleine Händedruck zwischen Vingegaard und Pogačar bei einer Abfahrt. Das Symbol für das freundschaftliche Duell zwischen zwei Gleichgestellten.

Die Tour 2023 wird vor allem wegen des Bildes von Pogačar in Erinnerung bleiben, der mit leichenblassem Gesicht und im Wind flatterndem Trikot die Verfolgung seines dänischen Gegners aufgeben musste.

„Ich bin nicht hier, ich bin tot“, sagte er über den Teamfunk.

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