Handball

Geschockte SG Flensburg-Handewitt ringt um Erklärungen

Geschockte SG Flensburg-Handewitt ringt um Erklärungen

Geschockte SG Flensburg-Handewitt ringt um Erklärungen

Jannik Schappert/shz.de
Flensburg
Zuletzt aktualisiert um:
Leere Blicke bei Kapitän Johannes Golla und Co. von der SG Flensburg-Handewitt. Foto: Michael Staudt/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Das Aus in der European League stellt SG-Trainer Maik Machulla und sein Handball-Team infrage. Zum zweiten Mal binnen vier Tagen ließen sich die Flensburger in einem K.o.-Spiel vorführen. Die kommenden Tage werden ungemütlich.

Simon Hald malträtierte die Tür zu den Katakomben. Johannes Golla standen Tränen in den Augen. Andere Gesichter zeigten nichts als Leere. Die SG Flensburg-Handewitt hat am Dienstagabend eine der schwärzesten Stunden ihrer Geschichte erlebt. Der Club kennt schmerzhafte Niederlagen und den Umgang mit ihnen.

„Aber dieses Spiel wird mich und den Verein lange beschäftigen“, sagte Maik Machulla, Trainer der SG Flensburg-Handewitt.

Das 27:35 im Viertelfinalrückspiel der European League gegen BM Granollers, zwei Tage nach dem Aus im Pokal-Halbfinale, sei ein „riesiger Schaden für unser Image“, meinte Geschäftsführer Holger Glandorf. Das Final Four in der Campushalle steigt Ende Mai ohne die SG, dafür mit Berlin, Göppingen, Montpellier und eben Granollers.

Maik Machulla entschuldigt sich bei den Fans

Die Art und Weise, wie sich Handballer, die in ihrer Karriere schon alles gesehen, Welt- und Europameisterschaften gewonnen haben, vor den eigenen Fans vom jungen Team aus Katalonien vorführen ließen, stellt Machullas Arbeit und seine Mannschaft infrage. „Es war ein peinlicher Auftritt. Ich kann mich bei den Fans nur entschuldigen“, sagte der SG-Coach mit brüchiger Stimme. „Ich bin dafür verantwortlich.“

Die Flensburger haben in vier Tagen zwei Titelchancen weggeschmissen. Sie haben zwei Spiele, in denen es darauf ankam, nicht knapp verloren. Sie wurden zwei Mal von den Gegnern blamiert.

„Wir sind selbst unsere größten Feinde“, sagte etwa SG-Torwart Kevin Möller.

Am Sonntag droht beim THW Kiel auch der Traum von der Meisterschaft zu zerplatzen. Oder aber, auch das ist Teil der SG-Geschichte nach bitteren Bruchlandungen, Flensburg gelingt eine wundersame Auferstehung.

„Keiner hat es mit Absicht gemacht“

Das Bundesliga-Derby war Dienstagabend ganz weit weg. Aaron Mensing rang um Worte. „Ich bin leer“, sagte der Rückraumspieler. „Seit acht Monaten stehen wir als Mannschaft jeden Tag zusammen. Wir sehen die Teamkollegen mehr als unsere Familien. Jetzt haben wir alles weggeschmissen“, haderte der 25-Jährige. „Aber keiner hat es mit Absicht gemacht.“

Maik Machulla und die Mannschaft stehen infrage

Zwei K.o.-Spiele, zwei Mal chancenlos – das wirft Fragen auf. Die zuvor 21 Partien ohne Niederlage wirken plötzlich wertlos. „Wenn es um die Wurst geht, sind wir nicht diese coole Truppe, die wir sein wollen“, meinte Machulla. Er schloss aus, aufgrund der positiven Serie Probleme übersehen zu haben. „Wir sind kritisch geblieben, haben uns nicht zurückgelehnt“, sagte der Trainer. „Die Leistung speziell heute habe ich nicht kommen sehen.“

Völlig verunsichert in der Abwehr, phasenweise vogelwild im Angriff. Das fällt auf Machulla zurück. Wie schon beim 31:38 gegen die Rhein-Neckar Löwen gelang es ihm nicht, während des Spiels Veränderungen vorzunehmen, die den Gegner vor ernsthafte Herausforderungen stellten. Die hier und da eingestreute 5:1-Abwehr wirkte wenig einstudiert. Personalwechsel verpufften, weil Teile der zweiten Reihe nicht greifen. Allerdings ist es von Spielern, die wochenlang Reservisten waren, auch kaum zu erwarten, dass sie die Kohlen aus dem Feuer holen. Ein jahrelang erfolgreiches System stieß an seine Grenzen, ohne sichtbaren Notfallplan.

Die SG versagt im Kollektiv

Auffällig: Wie schon bei vorherigen Niederlagen im Oktober und November in Gummersbach, Lemgo und Ystad versagte die SG im Kollektiv. Hätte nur Johannes Golla einen schlechten Tag erwischt, wäre die Hürde Granollers dennoch zu überwinden gewesen. Doch stattdessen blieben auch Simon Hald, Jim Gottfridsson, Mads Mensah, Kevin Möller, Magnus Röd, der sich in der ersten Halbzeit bei einem Schlag an den Unterkiefer verletzte, und Co. weit unter ihren Möglichkeiten.

„Ich bin überrascht und geschockt, dass wir als Mannschaft so auseinanderfallen“, so Kevin Möller. 

Keinem SG-Handballer gelang es, die anderen mitzureißen. Den unbedingten Willen, der in jedem Spieler steckt, auch nach außen zu tragen.

Johannes Golla und Co. sind mental überhitzt

Dass die Profis nach 46 Spielen (ohne Nationalmannschaft), zehntausenden Reisekilometern und der Mini-Pause zwischen Pokal-Final4 und European-League-Viertelfinale überhitzt seien, „ist möglich“, so Möller. „Aber es ist zuerst eine mentale Frage, erst dann eine körperliche. Vielleicht sehen wir Geister. Vielleicht hören wir Stimmen.“ Der Feind im eigenen Körper.

Kein Übergehen zur Tagesordnung

Machulla, der in Flensburg einen langfristigen Vertrag bis 2026 besitzt, ist gefasst auf ungemütliche Tage und Zweifel an seiner Person. „Es ist ein Ergebnissport. Wir werden alle sehr kritisch betrachtet werden. Das gehört dazu und passiert zurecht. Ich kann nicht beeinflussen, was passiert. Ich kann nur meine Arbeit beeinflussen“, sagte er wohl wissend: „Ein Übergehen zur Tagesordnung gibt es nicht.“

 

Mehr lesen