Schleswig-Holstein

Deutsche Geschichte auf Sylt: Bankier Löb und das Haus Westerheide

Deutsche Geschichte auf Sylt: Bankier Löb und das Haus Westerheide

Bankier Löb und das Haus Westerheide

Silke von Bremen
Flensburg/Flensborg
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Bankier Rudolf Löb mit seinen drei Kindern vor dem „Haus Westerhaide“, um 1923. Foto: Privat

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Das Haus Westerheide hatte eine bewegte Vergangenheit und würde in diesem Jahr 100 Jahre alt. Doch es brannte 2018 aus ungeklärter Ursache ab. Silke von Bremen erinnert daran, welches Stück deutsche Geschichte sich hier abgespielt hat.

Das Haus Westerheide könnte dieses Jahr seinen 100. Geburtstag feiern – würde es noch stehen. Aber es brannte 2018 aus ungeklärter Ursache ab und an selber Stelle entstanden drei Doppelhaushälften unter Reet. Wenn die bezogen sind, wird von den neuen Eigentümern wohl niemand ahnen, welches Stück deutsche Geschichte sich hier abgespielt hat. Und hätte Sylt einen virtuellen Friedhof, für alle Häuser, die wir schon verloren haben, würde dieses Hauses dazugehören.

Im Jahre 1922 entschied der Bankier Rudolf Löb, sein Schwager Paul Imberg möge ihm auf Sylt ein Ferienhaus bauen. Friesisch, mit Reetdach, in freier Lage, weit ab vom nächsten Nachbarn. Und so entstand das Haus „Westerhaide“, hoch gelegen auf dem Roten Kliff von Wenningstedt und nur wenige Meter von den Dünen und der Abbruchkante entfernt. Die heutige Adresse lautet Hochkamp 19.

Das Schicksal des jüdischen Bankiers Rudolf Löb

Rudolf Löb war zu diesem Zeitpunkt ein erfolgreicher Banker, seit drei Jahren Teilhaber des Berliner Bankhauses Mendelssohn & Co, und er ahnt nicht, dass er als Jude gezwungen werden wird, die Verhandlungen zur „Liquidation“ des Bankhauses zu führen, das dann in den Besitz der „Deutschen Bank“ übergeht. Löb blieb, neben Franz von Mendelssohn, bis 1938 Teilhaber der Bank, in den letzten Jahren als Seniorchef.

Das erzählt seine Enkelin in Australien

Seine Enkelin, die in Australien lebt, erzählt, dass der spätere Präsident der Reichsbank, Hjilmar Schacht, ihrem Großvater schon früh empfohlen hatte, Deutschland zu verlassen. Diesen Rat befolgt Rudolf Löb glücklicherweise und man kann irgendwie verstehen, dass er Konrad Adenauer einen Korb gab, als der ihn nach dem Krieg in Boston besuchte und meinte „Deutschland braucht Leute wie sie.“  

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Deutsche Bank schon das Haus Kliffende in Kampen erworben, damit die Mitarbeiter sich auf Sylt entspannen können und das Haus von Hermann Göring, das 1936 unweit des Hauses Westerheide gebaut worden war, hatte für schlappe 60.000 D-Mark eine neue Eigentümerin gefunden.

Es sind vor der Machtergreifung glückliche Zeiten für Rudolf Löb und seine Familie. Er hatte 1911 die gleichaltrige Martha Drews geheiratet. Eine erfolgreiche Künstlerin, die ursprünglich aus St. Petersburg stammte. Dass sie erst mit Mitte 30 heiraten wird, hat sicherlich mit ihrem Erfolg als Violinistin zu tun und ihrem Wunsch, Karriere zu machen.

Als sie mit 40 Jahren zum zweiten Mal schwanger wird, verlässt sie ihr Ensemble und zieht sich aus dem öffentlichen Musikleben zurück. Fortan spielt sie nur noch privat im Ferienhaus auf Sylt und in ihrer Villa in Dahlem in der Pücklerstraße. In diesem Haus wird ein paar Jahre später die Reichshauptstelle der SS-Organisation die „Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe“  einrichten.

Die Enkelin Karin Rosenbaum sagt „I was shocked, als ich das erfuhr“. Aber um die Reichsfluchtsteuer zahlen zu können, mussten die Immobilien für viel zu wenig Geld den Besitzer wechseln. Wäre es anders gekommen, hätte die Familie als Nachbarn heute den jeweiligen Bundespräsidenten, der im Nachbarhaus, der Villa Wurmbach, lebt. Man darf eigentlich gar nicht drüber nachdenken.

Rudolf Löb – der Familienvater

Rudolf Löb ist ein fröhlicher, leicht korpulenter Mann mit vollem Haar, der seine Frau und seine mittlerweile drei Kinder liebt. Martha bekommt 1930 von ihm eine Stradivari geschenkt und im Gegensatz zu Bronislaw Hubermann, von dem Klara Tiedemann, Wirtin des Hauses Kliffende schreibt, er hätte seine Geige (ebenfalls eine Stradivari, die heute von Joshua Bell gespielt wird) nicht mitgebracht, erklingt ihre Geige immer wieder auf Sylt. Die „König Maximilian“ wird sie genannt und später in den Besitz eines Verlegerkönigs übergehen, 1966 kauft Axel Springer sie in Boston für seine Stiftung.

Die „Springer-Burg“

Dass er kurz zuvor Charlotte Baldner ihre „Burg“ in Kampen abgekauft hatte, die fortan nur noch „Springer-Burg“ hieß, ist sicher nur Zufall. Seine Stiftung, zu deren Zwecken die Unterstützung von Künstlern und die Aussöhnung von Juden und Deutschen gehört, vermittelte das Instrument mithilfe von Herbert von Karajan an den polnischen Violinisten Michel Schwalbé, der fast 30 Jahre als Erster Konzertmeister der Berliner Philharmoniker auf ihr spielt, bis er sie der Stiftung zurückgibt, die sie daraufhin verkauft, wohin ist unbekannt.  

Sommertage auf Sylt

Martha Drews reist mit den Kindern jedenfalls schon 1933 über Amsterdam nach Den Haag. Vorher verbringt die Familie noch ein paar Sommertage auf Sylt. Ihre Tochter erinnert sich später, am Wenningstedter Strand erstmals eine antisemitische Bemerkung gehört zu haben. Sie war mit ihren Cousinen unterwegs gewesen und als sie ihre Badesachen einpackten, um heimzukehren, hörte sie nebenan aus der Strandburg einen seltsamen Satz, den sie zunächst nicht zuordnen kann: „Und jetzt der Auszug der Kinder Israels.“ „Das hat meine Mutter niemals vergessen“, berichtet die Tochter in Australien.

Brandursache bis heute ungeklärt

In einem Wenningstedter Kurprospekt von 1937 ist Regine Brinkmann nun die Eigentümerin von Haus Westerheide, das später noch häufig seine Besitzer wechseln wird. Warum es im August 2018 abbrennt, ist bis heute nicht geklärt. Der Architekt erzählt, dass man den westlichen Flügel gerne erhalten hätte, aber bis es so weit war, hatte das Löschwasser ganze Arbeit geleistet, der Schimmel hatte sich in jeder Ritze breit gemacht.  

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