Ukraine-Krieg

Ex-Nato-General Manfred Lange: „Deutschland blamiert sich beim Thema Waffenlieferung“

„Deutschland blamiert sich beim Thema Waffenlieferung“

„Deutschland blamiert sich beim Thema Waffenlieferung“

SHZ
Kiel
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Container mit der Ausrüstung der US-Armee stehen auf dem Militärstützpunkt. US-Soldaten sind in Polen eingetroffen, nachdem das Pentagon angekündigt hatte, dass zusätzliche Kräfte benötigt werden. Foto: Attila Husejnow/shz.de

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Der Ukraine-Konflikt und die Bedeutung konventioneller Verteidigung aus der Sicht von Nato-General a.D. Manfred Lange.

Der 71-Jährige spricht so nüchtern und klar, als habe er das Szenario bereits ein Dutzend Mal in seinem Kopf durchgespielt: Übergriff Russlands auf ein benachbartes Territorium.

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Tatsächlich hat sich Manfred Lange, Vier-Sterne-General außer Dienst, sein berufliches Leben lang mit strategischen Fragen beschäftigt – in ranghohen Verwendungen bei der Luftwaffe, dem Bundesverteidigungsministerium und dem Nato-Hauptquartier in Brüssel.

Lange diagnostiziert bei Putin eine Art Trauma

Strategie beginnt bei den handelnden Personen, und da diagnostiziert Lange beim russischen Präsidenten Wladimir Putin eine Art Trauma. Der frühere KGB-Offizier hat in Dresden die Wende erlebt, und der folgende Zusammenbruch der Sowjetunion ging mit einem erheblichen und schmerzhaften geostrategischen Bedeutungsverlust einher.


Das Völkerrecht habe Russland dabei nicht zum ersten Mal gebrochen. Es gelte halt nur so lange, wie es Putins Interessen diene.

Ein Frage der Bündnisfähigkeit

Lange erinnert an das Budapester Memorandum von 1994. Damals verständigten sich die USA, Großbritannien, Russland und die Ukraine auf den Rückzug der Atomwaffen vom Gebiet der Ukraine. Dafür wurden dessen Außengrenzen garantiert. Das ist nun alles Makulatur. Moskau hat zwar keine Atomwaffen mehr vor der Tür, achtet aber die territoriale Souveränität der Ukraine nicht.

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Dabei gehe es gar nicht um eine Aufnahme der Ukraine in die Nato wie oft behauptet. Ihre Bündnisfähigkeit müsste erst hergestellt werden – ein langer Prozess, der von den Nato-Mitgliedern einstimmig angestoßen werden müsste.

Zuvor müsste allerdings auch die Frage diskutiert werden, ob eine solche Nato-Erweiterung mit Blick auf die geostrategische Lage verantwortbar ist. Berücksichtigt man neben der westlichen auch die russische Perspektive, gibt es hierzu keine einfache Antwort. Lange hierzu: „Ich betrachte den Prozess der Nato-Erweiterung als abgeschlossen.“

Lange: Deutschland habe sich beim Thema Waffenlieferung blamiert

Die gegenwärtige Situation hat auch das Dilemma der europäischen Verteidigungsfähigkeit deutlich gemacht. Ohne die massive Unterstützung der USA fehlen uns wichtige militärische Fähigkeiten – die Bundeswehr sei, so Lange, nach 1990 und insbesondere ab 1998 signifikant heruntergefahren worden. Das Stichwort lautete „Friedensdividende“. Was aber in 15 Jahren abgebaut worden sei, kann nicht in einem vergleichbaren Zeitraum wieder hochgefahren werden – vom politischen Willen dazu einmal ganz abgesehen.

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Zur Frage von Waffenlieferungen sagt Lange: „Natürlich wäre ein Zeichen der Solidarität wünschenswert gewesen, aber das war kaum möglich.“ Deutschland habe sich beim Thema Waffenlieferungen blamiert. Hier wäre Bündnissolidarität wichtig und möglich gewesen.

Wie geht es weiter? „Ich habe bis zuletzt gehofft, dass es Putin nur um ein Druckmittel gegenüber dem Westen ging“, erzählt Lange. Aber dann seien die Hinweise der US-Amerikaner über die Militärbewegungen so präzise gewesen, dass klar wurde: „Es geht nur noch um Tage.“ Die Frage sei nun, ob Putin wirklich die gesamten Gebiete von Luhansk und Donezk beanspruche – oder sogar noch weiter gehe.

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