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Haushaltsdebatte 2023 in Kiel: SPD teilt aus – und muss selber einstecken

Haushaltsdebatte 2023 in Kiel: SPD teilt aus – und muss selber einstecken

Haushaltsdebatte: SPD teilt aus – und muss selber einstecken

Lisa Bohlander/shz.de
Kiel
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Ministerpräsident Daniel Günther lauscht der Vorstellung des Haushaltsplanes durch Finanzministerin Monika Heinold. Foto: Marcus Dewanger

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Der Landtag diskutiert über den milliardenschweren Haushalt für 2023. SPD-Fraktionsführer Thomas Losse-Müller nutzt das für eine Generaldebatte – und muss selber einstecken.

Thomas Losse Müller wartet. Eine Stunde lang hört der Oppositionsführer seinen schwarz-grünen Vorrednern nachdenklich zu, blättert in seinen Notizen, streicht hier, ergänzt dort. Starrt auf den Boden, die Hände wie zum Gebet gefaltet. Dann schreitet der SPD-Fraktionsvorsitzende zum Rednerpult und holt Luft für seine Abrechnung. Die Abrechnung mit dem ersten Haushalt der nicht mehr ganz neuen Regierung.

„Sie simulieren Politik.“ „Sie bauen sich eine Scheinwelt.“ „Wo Sie stehen ist nicht die Mitte, sondern ein politisches Vakuum“ – solche Sätze schleudert Losse-Müller der schwarz-grünen Kolaition um die Ohren. „Der Haushalt entspricht in keinster Weise den Ambitionen und Zielen, die Sie für das Land formulieren.“ Die Erkenntnis – etwa die der Klimakrise – sei da, an der Umsetzung aber hapere es. Mit einem prall gefüllten Aufgabenheft stehe die Regierung man vor lauter Haushaltstiteln mit Nullen dahinter. „Worum es eigentlich gehen soll, das wird daraus nicht klar.“

Gegen den enormen Fachkräfteproblem schaffe die Koalition ein Welcome Center, obwohl eigentlich Wohnungen, Schulen und Kitaplätze nötiger seien. „Es reicht hinten und vorne nicht“, poltert Losse-Müller.

Die Regierung, das zeige sich in den Redebeiträgen von Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) und dem CDU-Vorsitzenden Tobias Koch, habe sich „in ihre eigene Welt zurückgezogen“. Losse-Müller hat dafür ein Wort: Wohlfühlpopulismus. „Sie bewegen 16 Milliarden Euro, aber Sie ändern damit nichts. Da sind keine Antworten auf irgendeine Krise.“

1,6 Milliarden Euro Investitionen in 2023 – plus Ukraine-Sondervermögen

Die Regierung pocht dagegen auf ihre Investitionen. Sie machen etwas über zehn Prozent des Haushalts aus: 1,6 Milliarden Euro will Schwarz-Grün in neue Projekte stecken. Allerdings sind viele Millionen Euro im Haushalt – zu ihnen kommt noch einmal eine Milliarde an Sondervermögen für die Folgen des Ukraine-Kriegs – noch gar nicht verplant, wie die Opposition kritisiert. Ihre Verwendung will sich die Regierung offen halten, in Krisenzeiten sei das für unvorhergesehene Ausgaben nötig.

So oft Heinold das betont: Ihre Rede zündet an diesem Tag nicht. Ihr wegweisender Satz, dass sie eine „Möglichmacherin“ mit einer „vorsorgenden Finanzpolitik“ sei, geht im Desinteresse der Abgeordneten unter. Ihr Ausruf: „So geht Schwarz-Grün!“, sorgt jedoch für einiges Gelächter und Zwischenrufe im Plenum. Und: „Der Haushalt 2023 ist ambitioniert“, wirkt eher wie das Wort zum Sonntag. Der Haushalt sei geprägt von drei Krisen: Ukrainekrieg, Klimakrise und Pandemie. „Wir brauchen künftig mehr Mittel, um das zu schaffen.“ Heinold wirft mit großen Worten um sich: Energiewende, Forschung, Digitalisierung, Infrastruktur, Bildung, innere Sicherheit. „Klotzen statt Kleckern“ – Schleswig-Holstein zum ersten klimaneutralen Industrieland zu machen, sei das Ziel.

Schleswig-Holstein: Klimaneutrales Industrieland oder industrieloses Klimaland?

Dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Christopher Vogt liegt der Fokus zu wenig auf dem Land als Wirtschaftsstandort, auf Unternehmen und ihrer Zukunft. Vogt dreht die Sache daher um: „So wird Schleswig-Holstein zum ersten industrielosen Klimaland.“ Das wiederum passt so gar nicht zu den Forderungen der SPD, den Klimaschutz nicht zu kurz kommen zu lassen. „SPD und FDP, das passt einfach nicht zusammen“, summiert Tobias Koch.

Und der SSW? Lars Harms ist auf der Seite der vorsichtigen Finanzministerin: Die Krisenzeiten seien noch nicht überstanden. Und: „Die Suppe wird langfristig dünner.“

Dünn wird auch Losse-Müllers Stimme zum Ende seiner Rede. Er muss gleich zwei Mal zum Wasserglas greifen – zumindest den Frosch im Hals haben seine Worte zurückgelassen. Noch ein Anlauf, dann: „Jetzt ist die Zeit für eine ehrliche und zukunftsweisende Debatte.“ Denn es wird weiter über den Haushalt verhandelt – bis zu seiner Verabschiedung im Frühjahr.

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