Ökologischer Umbau
Investitionen in Erneuerbare Energien in SH geraten ins Stocken
Investitionen in Erneuerbare Energien in SH geraten ins Stocken
Ausbau erneuerbarer Energien in SH gerät ins Stocken
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Trotz des plötzlichen Hungers auf Erneuerbare Energien in Folge von Ukraine-Krieg und Klimakrise haben sich die Bedingungen für Investoren deutlich verschlechtert. Das beklagen nicht nur sie selbst - die Beobachtung teilen die Experten im Energi...
Die Ausgangs-Überlegung ist einfach. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sie so formuliert: „Energieunternehmen, die zum Beispiel Erneuerbaren-, Kohle-, oder Atomstrom produzieren, tun dies zu gleichbleibend geringen Produktionskosten - verdienen aber nach den aktuellen Mechanismen des europäischen Strommarkts irrsinnig viel Geld damit.“ Denn die Preise aller Energieträger werden vom Erdgas bestimmt - das wegen der enormen Knappheit mangels Bezügen aus Russland teuer ist wie nie.
„Da ist es schon eine Frage der Solidarität, dass davon ein Teil dem Gemeinwohl dient“, zitiert die Nachrichtenagentur afp Habeck. Deshalb will die Bundesregierung die so genannten Über- oder Zufallsgewinne von Energieerzeugern abschöpfen. So, wie es inzwischen auch auf EU-Ebene beschlossen ist. In Deutschland rechnet die Berliner Ampel-Koalition so mit Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe. Das soll einen großen Teil des Energie-Entlastungspakets finanzieren, das die Bundesregierung gerade auf den Weg bringt.
60 Prozent mehr Gewinne für Wind und Solar
Nur ein Beispiel, wie das Geld bei Erzeugern hereinrauscht: Der Wind- und Solarparkbetreiber Encavis aus Hamburg hat gerade Zahlen veröffentlicht, nach denen er seinen Umsatz in den ersten sechs Monaten des Jahres um 40 Prozent, den Gewinn sogar um 60 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres steigern konnte.
Laut einem Eckpunktepapier des Bundeskabinetts betroffen sind Geschäfte mit Mineralöl genau so wie mit Kohle, Kernenergie, Windkraft und Photovoltaik. Eine Ausnahme zeichnet sich für Methan aus Biogasanlagen ab. Details der Abschöpfung sind noch offen, handelt es sich dabei doch mit Habecks Worten um eine „extrem komplexe Aufgabe“. „Normalerweise würde man sich dafür zwei oder drei Jahre Zeit nehmen“, ist er überzeugt. „Das alles müssen wir in der Krise in nur zwei Monaten machen.“
„Die Frage, ob staatliche Abschöpfungen solcher Gewinne verhältnismäßig und sinnvoll sind, ist ordnungspolitisch alles andere als trivial“, bestätigt man im Energiewendeministerium in Kiel.
Im Energiewendeland Schleswig-Holstein lösen die Berliner Pläne erhebliche Sorgen aus. „Es passt nicht zu den Energiewende-Zielen, wenn Erzeuger Erneuerbare Energien Gewinne abgeben sollen, um damit fossile Ressourcen wie beispielsweise Gas zu subventionieren.“ Das findet Peter Grosse, Projektleiter der von Land und EU finanzierten Netzwerkagentur Erneuerbare Energien SH mit Sitz in Husum.
Der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Nordfriesland, Matthias Hüppauf, erhebt exakt den selben Einwand. Er fordert deshalb: „Vielmehr sollte der Staat dafür sorgen, dass Gewinne in mehr Investitionen zur Beschleunigung der Energiewende umgewandelt werden. Dies hätte den großen Vorteil, dass die Abhängigkeit vom Erdgas schneller reduziert wird und weitere Preissubventionen in den Folgejahren überflüssig werden.“
Hüppauff warnt davor, dass Eingriffe Investitionen abwürgen können: Das habe man zum Beispiel sehen können, als Spanien 2008 die dortige damalige Dynamik des Solarpark-Ausbaus durch eine rückwirkende Sondersteuer zum Erliegen gebracht habe.
Landes-Ministerium beklagt Verunsicherung von Investoren
Müsste das Trachten nach Unabhängigkeit von russischen Importen nicht eigentlich für rosige Aussichten in Investitionen in Öko-Energien sprechen? Im Energiewendeministerium in Kiel sieht man die Bäume für die Erneuerbaren momentan trotzdem nicht in den Himmel wachsen. Dort registrieren Fachleute von Ressortchef Tobias Goldschmidt (Grüne): „Auch wenn Klimaschutz und Energiesouveränität mit Sicherheit für die Erneuerbaren Energien sprechen, ist jegliche Investitionsentscheidung in der aktuellen Situation mit einer höheren Unsicherheit behaftet als dies noch vor einem Jahr der Fall war. Wir können aktuell beobachten, dass die Übergewinn-Diskussion die Finanzierungsbedingungen für Erneuerbare-Energien-Projekte deutlich verschlechtert hat.“ Investoren habe das „zusätzlich verunsichert“. Das sei „eine Entwicklung, die in der jetzigen Situation vermieden werden sollte“.
Diesen Rat geben Kieler Experten
Die Experten der Landesregierung plädieren deshalb dafür, dass der Bund „bei der Festlegung der geplanten Erlösobergrenzen die unterschiedlichen Kostenstrukturen von Energien berücksichtigt“. Es müsse technologiespezifische Ansätze geben, verlangt man im Goldschmidt-Ressort. Auf diesem Weg gelte es zu vermeiden, das die Erneuerbaren gegenüber konventionellen Energien benachteiligt werden.
Ganz besonders gehe es darum, nicht die Bestrebungen zu konterkarieren, Biogasanlagen verstärkt zur Bewältigung der aktuellen Gaskrise einzusetzen. Auch die in Schleswig-Holstein vergleichsweise weit verbreiteten Bürgerenergieprojekte dürften nicht zu sehr geschröpft werden.
Marcus Hrach, Geschäftsführer des Landesverbands Erneuerbare Energien, sagt: „In der Biogasbranche gehen wir davon aus, dass uns mit Einführung des von der Bundesregierung geplanten Systems zur Gewinnabschöpfung in nächster Zukunft etliche Insolvenzen drohen.“ Aber auch bei Windkraft und Solar sei dadurch die Wirtschaftlichkeit vieler Projekte betroffen.
Die Kosten seien um bis zu 50 Prozent gestiegen - Folgen von Inflation, höheren Zinsen und teurere Materialien. Der für eine Vergütung mögliche Höchstwert, den das Erneuerbare Energien Gesetz für Bieter bei Ausschreibungen neuer Windkraft- und Solarprojekte vorgibt, reicht angesichts des dramatischen Preis- und Zinsanstiegs heute zur Realisierung von Windprojekten bereits nicht mehr aus.
Habecks Pakete haben praktisch noch nichts verändert
Durchaus erkennen Branchenvertreter an, dass Habeck mit seinem Oster- und Sommerpaket Hürden für die Energiewende aus dem Weg geräumt hat. „Die Ampel-Koalition hat mit den Klimapaketen viele regulatorische Themen angestoßen und die neuen Gesetze gehen alle in die richtige Richtung“, sagt LEE-Geschäftsführer Hrach. „Sie sind aber aktuell noch nicht bei den Behörden, die Investitionsprojekte absegnen müssen, angekommen. In der Praxis spüren die Unternehmen noch keinen Unterschied.“ Auch das hemme Investitionen.
Der Bund der Steuerzahler in Schleswig-Holstein sieht das Abschöpfen von Übergewinnen kritisch. Geschäftsführer Rainer Kersten hält dies für „systemfremd in einer Marktwirtschaft“. Der Diplom-Volkswirt ist der Ansicht: „Gute oder schlechte Gewinne gibt es nicht.“ Kersten erhebt einen weiteren Einwand: „Viele große Profiteure der Energiekrise sitzen in Norwegen, Katar oder den USA“ - also außerhalb der EU und damit außerhalb des Zugriffs der geplanten Abschöpfungen. Wenn sich die Politik denn aber für eine Abschöpfung entscheidet, sieht Kersten keine Möglichkeit für eine Sonderbehandlung von Akteuren der Erneuerbaren-Branche. Er macht Abgrenzungsschwierigkeiten aus. Auch Energiekonzerne, die zwar größtenteils vom Geschäft mit den Fossilen leben, seien dabei, zusätzlich Öko-Standbeine aufzubauen. „Die würden dann auch sagen, sie investieren Übergewinne in Solarparks.“