Interview

„Eine Liebe, die nie endet“: Susanne Matthiessen über ihren neuen Sylt-Roman

„Eine Liebe, die nie endet“: Susanne Matthiessen über ihren neuen Sylt-Roman

„Eine Liebe, die nie endet“: neuer Sylt-Roman

SHZ
Sylt
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Die Sylterin Journalistin und Schriftstellerin Susanne Matthiessen am Strand von Westerland. Foto: Jörg Müller / SHZ

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Nach „Ozelot und Friesennerz“ erscheint am 10. März „Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn“ von Susanne Matthiessen. shz.de hat sie auf Sylt getroffen – und veröffentlicht einige Passagen ihres neuen Buches vorab.

Ihr erster Roman „Ozelot und Friesennerz“ war ein riesiger Erfolg. Eigentlich sollte es kein zweites Buch geben. Warum jetzt doch?

Im normalen Leben bin ich Fernsehjournalistin und beschäftige mich eher mit der großen Bundespolitik und weniger mit einer kleinen Insel. Für den „Ozelot“ habe ich dann eine Pause eingelegt. Meine Eltern wurden damals beide gleichzeitig krank, und ich hatte das Bedürfnis festzuhalten, was eigentlich ihr Leben ausgemacht hat. Es ging um ihre „goldene Generation“ und in der Folge natürlich auch um uns, ihre Kinder. Und das auf Sylt. Erst beim Schreiben habe ich gemerkt, wie groß eigentlich der Schatz ist, auf dem wir sitzen. Wie sich das große Ganze auch im Kleinen wiederfindet. Und als das Buch dann so eingeschlagen hat, wollten natürlich alle wissen, wie es weitergeht. Und ich auch.


Ihr großer Debüterfolg weckt hohe Erwartungen an das zweite Buch. Empfinden Sie vor allem Druck oder beflügelt Sie die überwältigende Resonanz des Erstbestsellers?

Da ist dann tatsächlich doch ganz schön Druck. Hätte ich nicht gedacht. Das erste Buch hat so viele Facetten: die Sylter Originale, die prominenten Gäste, das Leben mitten in einem touristischen Hotspot, das Pelzgeschäft, die universellen Erfahrungen als Kind in den Siebzigern – vor allem das Flair eines Sylter Sommers. Jeder fand etwas anderes besonders toll an dem Buch. Das kann man nicht einfach wiederholen. Nun ändert sich die Farbe. Die Stimmung wird anders. Sylt wird anders. Das Leben in der insularen Gemeinschaft verändert sich. Und die Pandemie setzt dem Ganzen noch die Krone auf.

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Wie arbeiten Sie an einem Roman? Diszipliniert jeden Tag ein paar Zeilen oder in Schüben?

Pro Monat ein Kapitel. Da bin ich diszipliniert. Nebenbei arbeite ich noch in meinem Beruf. Ich achte aber darauf, dass ich genügend Luft habe, alles zu entwickeln.

Worin liegt für Sie inhaltlich der größte Unterschied zwischen dem ersten und jetzigen Buch, außer dass es nicht wie im ersten um Ihre Kindheit, sondern um Ihre Jugendzeit geht?

Im „Ozelot“ bin ich zwölf, in „Diese eine Liebe“ bin ich Anfang 20, da sucht man seinen eigenen Weg fern von der Insel und bleibt doch immer an ihr kleben. Sylt professionalisiert sich. Der Tourismus wird ein Massengeschäft. Im Immobilienhandel gibt es die ersten heftigen Übertreibungen. Es wird noch viel deutlicher, was es heißt, den besonderen Umständen auf der Insel ausgeliefert zu sein. Welche Zwänge uns das auch für das Miteinander hier auf Sylt auferlegt.


Es kommen im neuen Buch viele Anekdoten und Ereignisse auf Sylt der vergangenen Jahrzehnte vor. Haben Sie die noch im Kopf oder neu recherchiert?

Es ist wirklich bemerkenswert, an was sich allein meine Eltern detailgenau erinnern können. Diese Erinnerungsgabe muss ich geerbt haben. Vieles weiß ich selbst auch noch ganz genau. Anderes ergibt sich aus diesen „Stimmt ja“-Momenten in Gesprächen mit Freunden oder Bekannten. Natürlich recherchiere ich dann viel nach. Aber ein Lebensgefühl kann man nicht recherchieren. Das muss man selbst erlebt haben.

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Es werden viele Sylterinnen und Sylter namentlich erwähnt, die Ihr Leben oder das der Insel geprägt haben. Das gefällt nicht jedem. Wie haben Sie Ihre Wegbegleiter dazu gebracht „mitzuspielen“?

Da musste ich bislang noch niemanden überzeugen. Das ist erstaunlich. Ja. Ich habe die Leute gefragt und dann die Passagen vorgelesen, manchmal musste ich noch ein paar Fakten korrigieren, dann hieß es: „Mach mal. Finde ich gut.“ Da ist ein großes Vertrauen. Bislang wollte nur eine einzige Person nicht dabei sein. Allerdings ist es schon so, dass ich Pfuschis Familie aus Keitum anonymisiert habe, um sie zu schützen.


Was sagen eigentlich Ihre Eltern dazu, dass Sie Ihre Lebensgeschichte und damit auch Persönliches von Ihrer Familie ein zweites Mal öffentlich machen?

Dass sie ihr Einverständnis gegeben haben, zeugt von echter Größe. Mein Vater hat jahrzehntelang als erster Vorsitzender der Sylter Unternehmer und in zahlreichen anderen Ämtern politische Entscheidungen auf der Insel maßgeblich beeinflusst. Er trägt eine große Mitverantwortung dafür, was aus der Insel geworden ist, und er ist im Gegensatz zu vielen anderen bereit, diese auch zu tragen und sich damit auseinanderzusetzen. Gleichzeitig sind meine Eltern typische Vertreter ihrer Generation, wie ich auch in gewisser Weise typisch bin für meine. Das ist ein spannender Konflikt. Und auf Sylt leben wir doch alle schon seit ewigen Zeiten mehr oder weniger öffentlich, ständig beobachtet von der Presse. Da wurde uns schon so viel angedichtet, dass es Zeit war, das Bild mal zu korrigieren. Meine Mutter hat die ganze Tragweite dieser Auseinandersetzung allerdings erst erkannt, als sie stapelweise meine Bücher bei Hugendubel in München entdeckt hat.

Können Sie auf der Insel noch einkaufen gehen? Wie reagieren die Sylter darauf, dass Sie aus dem Nähkästchen plaudern?

Es ist eigentlich gar nicht anders als früher. Neulich bin ich bei HB Jensen von einer Verkäuferin angesprochen worden und kurz darauf auch auf einem Parkplatz von einer Sylterin, die jetzt in Bayern lebt und die mich in einer Talkshow gesehen hatte. Alle klopfen mir auf die Schulter. Negatives habe ich persönlich überhaupt nicht erlebt. Aber meinem Vater wurde schon gesagt, er möge doch mal auf mich einwirken, weil meine Bücher die Immobiliengeschäfte stören.

Wie hat sich Ihr Leben seit dem Erfolg des Debütromans verändert? Müssen Sie noch in Ihrem eigentlich Beruf als Journalistin arbeiten?

Ich schreibe jetzt mehr, als dass ich in Redaktionsteams beim Fernsehen arbeite. Mir gefällt die Abgeschiedenheit. Das hat vielleicht auch mit dem Alter zu tun. Aber mein Leben hat sich durch den Bucherfolg eigentlich überhaupt nicht verändert.


Warum haben Sie den Song „Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehen“ von der Punkband „Die Ärzte“ als Titel gewählt?

Diese Liedzeile drückt alles aus, was ich für diese Insel empfinde. Außerdem entspringt dieser Song den achtziger Jahren. Und in dieser Dekade spielen große Teile der Handlung.


Was hätten Sie aus Ihrer Jugendzeit auf Sylt in den 80er Jahren gerne zurück?

Dieses Gefühl, dass mir die Welt offen steht. Dass das Leben ein Abenteuer ist. Dass alles möglich ist. Dieses Gefühl hätte ich gern zurück. Davon ist nicht mehr viel übrig. Gerade auf Sylt ist alles sehr eng geworden, überall Beschränkungen. Die Pandemie tut ihr Übriges dazu. Aber am Meer, da spürt man es wie eh und je: das Leben ist Freiheit.

Beim Lesen Ihres Buchs bekommt man den Eindruck, dass die Fronten und Probleme die gleichen sind wie in den 80ern. Hat sich wirklich nichts verändert?

Es ist wirklich erstaunlich, dass schon in den Siebzigern über die Urlaubermassen geklagt wurde. Dabei war das doch damals alles noch paradiesisch. Das größte Problem ist allerdings, dass jede Gemeinde ihr eigenes Ding macht, dass es kein insulares Handeln gibt zum Beispiel in Bezug auf Immobilien-Großprojekte. Da hat sich nichts verändert, und das ist erschreckend.

In Ihrem Buch bezeichnen Sie die Corona-Pandemie als „Heimsuchung“ für die Insel genauso wie die Jahrhundertsturmflut im November 1981. Was lernt die Insel, was lernen die Sylter daraus?

Jede Sturmflut ist eine Heimsuchung. Daraus haben wir gelernt, dass wir vor Westerland nun eine krasse Betonmauer brauchen und hohe und feste Deiche. Manche möchten auch die Hörnum Odde einbetonieren. Viel mehr leider nicht. Corona ist eine „Heimsuchung“, die uns neben vielen Problemen vor zwei Jahren eine menschenleere Insel beschert hat. Das war so unbeschreiblich besonders. Das werden wir niemals wieder erleben. Es war ein Geschenk, aus dem man lernen konnte: weniger ist mehr. Aber es bleibt eine einmalige Erfahrung. Immerhin durften wir sie machen. Dafür bin ich sehr dankbar.


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