Glyphosat, Mikroplastik, Antibiotika

Schadstoffe in Lebensmitteln: Macht uns unser Essen krank?

Schadstoffe in Lebensmitteln: Macht uns unser Essen krank?

Schadstoffe in Lebensmitteln: Macht uns unser Essen krank?

Markus Keimel
Kiel
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Wenn Kontrolleure Schadstoffe in Lebensmitteln finden, bedeutet das noch nicht gleich ein Verbot - erst müssen die Vertriebskette nachvollzogen und ein Grenzwert festgelegt werden. Foto: imago stock&people/shz.de

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Glyphosat im Salat, Mikroplastik im Fisch, Antibiotika im Fleisch und Arsen im Reis: Die Liste an potenziell gefährlichen Stoffen in Lebensmitteln ist lang. Nach Ansicht von Verbraucherorganisationen wie Foodwatch tut die Politik zu wenig dagegen.

Ernähren Sie sich möglichst ausgewogen, heißt es. Viel Gemüse, viel Obst, viel Wasser, Fisch. Doch was, wenn gerade dort eine Menge Schadstoffe lauern, die auf Dauer krankmachen können? Nach Angaben der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch rufen Hersteller in Deutschland im Schnitt zwei Lebensmittel pro Woche wegen Gesundheitsgefahren zurück.

Glyphosat in Lebensmitteln wahrscheinlich krebserregend

Ein Problem in Obst und Gemüse ist das Pflanzenschutzmittel Glyphosat. Ein Wiener Krebsforscher untersuchte 53 bei der EU eingereichte Studien zur Unbedenklichkeitseinschätzung von Glyphosat. Diese hielt er für ein Desaster, da sämtliche Einschätzungen auf fragwürdigen und veralteten Untersuchungen beruht hätten.

Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung verweist bei der Frage, ob Glyphosat krebserregend sei, lediglich auf die Bewertung der nationalen Behörden der EU-Mitgliedstaaten sowie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Diese besagt, dass Glyphosat bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht krebsauslösend sei. Eine Bewertung, die andere nicht teilen.

Die Umweltbehörde EPA stuft das meist verkaufte Pestizid in Deutschland nämlich als wahrscheinlich krebserregend ein. Noch besorgniserregender sind Studienverweise des Umweltinstituts München, die belegen sollen, dass von Glyphosat bereits bei geringsten Konzentrationen gravierende Risiken für die Gesundheit ausgehen. Zudem gebe es Hinweise auf eine hormonelle Wirkung. Auch Krebs, Zelltod, Fruchtbarkeitsstörungen, Schädigung des Erbguts, der Embryonalentwicklung, der Leber und der Niere sollen zu den gesundheitlichen Folgen zählen.

In einer aktuellen Gesundheitsstudie des amerikanischen „Center for Disease Control and Prevention“ wurden über 2300 Urinproben von Kindern und Erwachsenen auf Glyphosat-Spuren untersucht. In über 80 Prozent der Proben konnte man Spuren des Wirkstoffs nachweisen. Bei mehr als 1800 der Proben stellte man sogar eine Belastung mit Glyphosat-Rückständen fest.

Glyphosat ist nicht das einzige Problem

Wer denkt, dass Pflanzen- und Insektenschutzmittel die einzigen potenziell schädlichen Stoffe sind, die unsere Lebensmittel belasten, irrt. Denn über die Art der Zubereitung, die Verpackung, aus der Umwelt oder auch über Ackergifte gelangen eine Vielzahl mehr an Schadstoffe in unser Essen:

Eine Metastudie der Universität Newcastle schätzt die durchschnittliche tägliche Aufnahme an Mikroplastik über Lebensmitteln auf rund fünf Gramm pro Woche, was in etwa dem Gewicht einer Kreditkarte entspricht.

Arsen ist ein chemisches Element, das von Natur aus in der Erdkruste vorhanden ist, jedoch auch über die Ausbringung von Phosphatdünger oder Klärschlamm in die Umwelt gelangt. Über das Grundwasser könne es in unsere Nahrung gelangen, erklärt Sarah Häuser . Reis, der auf unter Wasser stehenden Feldern angebaut wird, nehme über die Wurzeln sogar besonders viel davon auf.

„Anorganische Arsenverbindungen sind als krebserregend eingestuft. Weiter können Mineralöle bei der Ernte, Verarbeitung oder über die Verpackung in Lebensmittel gelangen. Besonders problematisch sind die sogenannten aromatischen Mineralöle (MOAH), die unter Verdacht stehen, krebserregend und erbgutverändernd zu sein“, erläutert Häuser weiter.

Nicht nur Schadstoffe, auch resistente Bakterien in Lebensmitteln

Aber nicht nur das Risiko, ungewollt Schadstoffe mitzukaufen, sondern auch die Gefahr resistente Bakterien zu konsumieren, ist für Verbraucher hoch. Der Bund für Umwelt und Naturschutz hat auf 88 Prozent der Putenfleisch-Proben, die bei bekannten Discountern erworben wurden, antibiotikaresistente Keime gefunden. Mit Laboruntersuchungen der Fleisch-Stichproben habe man sowohl MRSA-Keime als auch ESBL-bildende Keime nachweisen können.

Kontrollbehörden sind schlecht ausgestattet

In Deutschland liegt die Zuständigkeit für die amtliche Lebensmittelüberwachung bei den Bundesländern. Allerdings sind die Behörden laut Foodwatch personell schlecht ausgestattet. Werde ein Verstoß aufgedeckt, könnten Unternehmen und Behörden die Warenströme häufig nicht nachvollziehen, um die Produkte schnell vom Markt zu nehmen.

„Das haben die Skandale der vergangenen Jahre deutlich gemacht. Etwa der Fall um die mit dem Insektengift Fipronil belasteten Eier, bei dem Millionen von Eiern in 45 Länder geliefert wurden. Dabei ist die lückenlose Rückverfolgbarkeit der Lieferkette im EU-Recht vorgeschrieben. Leider werden Verbraucher bei Verstößen gegen das Lebensmittelrecht häufig zu spät, gar nicht oder nur unzureichend gewarnt“, sagt Häuser.

Doch selbst wenn ein Lebensmittel einen Höchstgehalt überschreitet, heißt dies laut Bundesinstitut für Risikobewertung noch immer nicht, dass das Lebensmittel gesundheitsgefährdend ist, sondern lediglich, dass es nicht verkehrsfähig ist.

„Die Frage, ob dieses Lebensmittel wegen des Gehaltes des unerwünschten Stoffs gesundheitsgefährdend ist, muss erst in einem zweiten Schritt durch eine Risikobewertung geklärt werden“, heißt es aus dem Bundesinstitut für Risikobewertung.

Foodwatch stellt Grenzwerte für Lebensmittel in Frage

Als problematisch betrachtet die Verbraucherorganisation Foodwatch, wie die Grenzwerte festgelegt werden. „Die werden in der Regel in Brüssel zwischen EU-Kommission und Mitgliedsstaaten ausgehandelt. Dieser Prozess orientiert sich allerdings leider nicht nur an wissenschaftlicher Forschung oder dem Vorsorgegedanken, auch die Wirtschaft hat hier großen Einfluss“, sagt Häuser.

Zudem gebe es Substanzen, die in jeglicher Dosis vermieden werden sollten und für die es gar keine sicheren Grenzwerte gibt. „Bei hormonschädlichen Substanzen kann es sogar so sein, dass geringere Mengen schädlicher wirken als höhere Mengen. Zusätzlich gibt es auch sogenannte Cocktaileffekte, dann können einzelne Stoffe noch unter einem Grenzwert liegen, als Chemikaliencocktail wirken sie trotzdem schädlich“, sagt Sarah Häuser von Foodwatch.

Abwechslungsreiche Ernährung reduziert Schadstoffaufnahme

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit empfiehlt Konsumenten, ihre Ernährung ausgewogen und abwechslungsreich zu gestalten. „So lässt sich die teilweise unvermeidliche Aufnahme unerwünschter Stoffe am ehesten auf ein Minimum reduzieren“, sagt Harald Händel, Pressesprecher des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.

Zudem habe man Minimierungsstrategien erarbeitet, beispielsweise für Acrylamid und Lebensmittel-Hersteller müssten inzwischen bestimmte Maßnahmen zur Senkung des Acrylamidgehaltes bei der Produktion einhalten.

„Des Weiteren wurden für Chlorat oder quartäre Ammoniumverbindungen durch regelmäßige Kontrollen die Erzeuger von Lebensmitteln für die überhöhten Rückstände sensibilisiert, wodurch sich in den letzten Jahren die Rückstandssituation stark verbessert hat“, berichtet Harald Händel.

Foodwatch fordert generelles Umdenken

Maßnahmen, die Verbraucherschutzorganisationen wie Foodwatch nicht genügen. Foodwatch plädiert dafür, überhaupt keine Pestizide mehr einzusetzen und fordert von Politik und Wirtschaft das Umsetzen konkreter Maßnahmen.

„Um Lebensmittelskandale zu verhindern, in denen nicht zugelassene Schadstoffe auf den Markt kommen, müssen die Lücken im europäischen Lebensmittelrecht endlich beseitigt werden. Auch die Lieferketten müssen rückverfolgbar sein, die Ergebnisse von behördlichen Kontrollen und Analysen müssen konsequent veröffentlicht werden und die Lebensmittelüberwachung muss in Deutschland von der kommunalen auf die Länderebene geholt werden, um globalen Warenströmen besser gerecht zu werden“, fordert Sarah Häuser.

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