Flensburg

So sieht Influencerin Özlem Roegels die Angelburger Straße

So sieht Influencerin Özlem Roegels die Angelburger Straße

So sieht Influencerin Özlem Roegels die Angelburger Straße

Marian Prill/shz.de
Flensburg
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„Online-Videos schauen, geht in Ordnung“, sagt Özlem Roegels und rät Eltern: „Das kann aber nicht der gesamte Lebensinhalt sein.“ Foto: Marian Prill/shz.de

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Einst verband die Angelburger Straße Angeln und Nordfriesland. Özlem Roegels – besser bekannt als „Elanhelo“ – erreicht heute von dort aus Millionen von Menschen.

Das Straßenverzeichnis von Flensburg umfasst 815 Straßen. Das sind 815 Gelegenheiten, um mit Menschen ins Gespräch zu gehen, die hier leben, arbeiten oder einen besonderen Bezug zu einer Straße haben. In einer Serie spürt shz.de die interessantesten Geschichten auf und präsentiert sie wöchentlich.

„Im letzten Jahr hatte ich hier in der Angelburger Straße einen sehr emotionalen Moment“, verrät Özlem Roegels, kurz nachdem sie den Drogeriemarkt im Haus mit der Nummer Acht betreten hat. „Ich schaute mich um und überprüfte, ob es bei dm noch Weihnachtskalender gab, die ich zu dieser Zeit noch nicht getestet hatte. Doch das war nicht der Fall.“

Mit einem Mal sei der 31-Jährigen die Tragweite ihrer Aktion klar geworden. Özlem Roegels erzählt, dass sie als Influencerin „Elanhelo“ knapp 200 Adventskalender im Wert von über 10.000 Euro gekauft, tausendfach Produkte ausgepackt und vor laufender Kamera präsentiert habe, während sie sich in früheren Zeiten gerade mal einen Kalender mit Schokolade für wenig Geld leisten konnte.

Tuscheln im Drogeriemarkt

Die Zeiten haben sich geändert: „Heute gibt es die Adventskalender inzwischen in jedem Bereich. Von Sexspielzeug, über Essen und Trinken, bis hin zu Make-up, Schmuck und sogar für Hundebesitzer.“

Während die Produkttesterin ihre Aktivitäten beschreibt, zieht sie Blicke auf sich: Junge Mädels verstecken sich hinter den Regalen, luschern verschüchtert hervor, kichern. Dann fasst sich eine von ihnen ein Herz und fragt: „Sind Sie nicht bei TikTok?“ 

Von Beruf Influencerin

Özlem Roegels nickt lächelnd und signalisiert den Teenagern, näherzukommen, während diese offenbaren: „Cool, wir schauen immer Ihre Videos.“ Dafür gibt es eine Umarmung und noch eine Zweite. Dann nimmt die Internetgröße mit einer Selbstverständlichkeit das Handy des ersten Mädchens entgegen, als würden sich beide schon ewig kennen.

,Auf jeden‘ sagt man nicht, wenn man mit der Ministerin spricht.

Özlem Roegels, aka „Elanhelo“

Sie hält das Endgerät in die Luft und fotografiert sich und ihre beiden Fans. Man wünscht sich guten Tag und guten Weg, und schon sind die beiden Zwölfjährigen so schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht waren. Dieses Szenario wiederholt sich mehrfach. Denn es gehört zur Arbeit derer, die die Berufsbezeichnung „Influencer“ tragen. Özlem Roegels gehört seit siebeneinhalb Jahren dazu. 

Ursprünglich startete sie ihren Kanal, um anderen unkompliziert zu erklären, wie man sich richtig schminkt. Doch dann merkte die Frau, die in der Nähe von Osnabrück geboren wurde und später mit ihren Eltern nach Norddeutschland zog, dass Schminkvideos allein sie nicht ausfüllten. Also begann sie damit, auch private Ansichten und Produktempfehlungen in Bewegtbild im Netz zu teilen. Ihr Einfluss wuchs stetig.

Zum Produkt raten oder vom Produkt abraten

Wenn Özlem Roegels heute zum Produktkauf rät oder davon abrät, klingeln die Kassen der Industrie und manchmal eben auch nicht. Mit Aussicht auf Erfolg ihrer Selbstständigkeit cancelte die Kreative ihr Fachabi, trotz vielversprechender Noten. Auch die Schauspielkarriere hängte Roegels an den Nagel: „Ich hatte keine Lust, mich hochzuschlafen.“

Ehemann zählt zu ihren größten Kritikern

Die Influencerin nimmt kein Blatt vor den Mund. Das gefällt ihren Fans, stößt aber auch auf wenig Gegenliebe. Zu ihren größten Kritikern zählt Roegels ihren Ehemann, dessen Vornamen sie in der Öffentlichkeit nicht preisgibt, um ihm übermäßige Aufmerksamkeit zu ersparen. 

Zwischen Angeln und Nordfriesland

Manager Roegels leitet die geschäftlichen Geschicke, ist Partner und Berater in einer Person und macht offenkundig einen guten Job: „Früher war ich unzuverlässig“, gesteht seine Frau. „Doch heute halte ich mich an meine Absprachen.“ Er zügelt seine Liebste, wenn diese mal wieder über die Stränge schlägt. Vor geraumer Zeit soll er moniert haben: „Du kannst dich in einem Interview nicht als Gangster mit Eiern aus Stahl bezeichnen.“ Die ältere Leserschaft könnte kriminelle Hintergründe vermuten.

Gespräch mit der Ministerin

Und: „,Auf jeden‘ sagt man nicht, wenn man mit der Ministerin spricht.“ Hintergrund: Die heutige Innenministerin und damals noch Justizministerin von Schleswig-Holstein, Sabine Sütterlin-Waack, hatte Özlem Roegels im Jahr 2020 nebst weiteren sogenannten Creators eingeladen, um über einen neuen Gesetzesentwurf zur Kennzeichnungspflicht von Werbung in Online-Videos zu beratschlagen. 

Kaum ein anderer Ort ist besser geeignet als die Angelburger Straße, um Veränderung anzuerkennen. Wer hätte gewusst, dass diese Wegstrecke einst Angeln mit Nordfriesland verband und das erste Mal vor einem halben Jahrtausend urkundlich erwähnt wurde? Und wer hätte zur Jahrtausendwende angenommen, dass es mal einzelne Personen mit einem schnurlosen Telefon schaffen könnte, auf einen Schlag 1,7 Millionen Menschen im Internet zu erreichen? So wie Özlem Roegels.

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