Nachtleben in Flensburg

Treue Käufer, Hausverbot und steigende Preise? Das erlebt der Rosenverkäufer Mo in einer Nacht

Das erlebt Flensburger Rosenverkäufer Mo in einer Nacht

Das erlebt Flensburger Rosenverkäufer Mo in einer Nacht

Tilman Wrede/shz.de
Flensburg
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Mohammad Ashiq zieht seit 26 Jahren durch die Flensburger Innenstadt. Foto: Tilman Wrede/shz.de

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Seit 26 Jahren zieht der Rosenverkäufer so gut wie jeden Abend durch das Nachtleben. Aber woher hat Mo die Rosen und was motiviert ihn, Nacht für Nacht durch Flensburg zu ziehen?

„Na du Lump, hast du wieder Rosen vom Friedhof mitgebracht?“ So wird Mohammad „Mo“ Ashiq in Hansens Brauerei an der Schiffbrücke begrüßt. Er lacht und grinst über beide Ohren, sein Gegenüber grinst ebenfalls. Die beiden begrüßen sich per Handschlag, ehe Mo mit den Rosen seine Runde durch den Gastraum macht.

Jeden Abend gegen 20 Uhr beginnt der Arbeitstag von Mo am Flensburger Nordermarkt. Der gebürtige Pakistaner lebt schon über 30 Jahre in Deutschland, nach sechs Jahren hat er allerdings erst eine Arbeitserlaubnis bekommen und seitdem immer mal wieder als Aushilfe in diversen Bars und Cafés gearbeitet. Mit dem Verkauf der Rosen hat er schon davor angefangen.

„Es hat vor 26 Jahren als Spaß begonnen. Aber es ist einfach schön, die Menschen glücklich zu machen und für eine Freude zu sorgen“, sagt Mo, während er seine Rosen im Arm sortiert. Rosafarbene, knall-rote und weiße für die Freundschaft hat er im Gepäck. „Die halten sich auch noch bis morgen, wenn ich sie heute nicht loswerde.“ Die Rosen kaufe er entweder bei „Blume 2000“ oder auf dem Großmarkt in Hamburg, damit auch immer gute Qualität gegeben sei.

Von der Großen Straße und der Norderstraße bis zum Hafen

Die erste Station auf seiner täglichen Tour ist das „La Tasca“-Restaurant, wo ihn die Mitarbeiter freundlich begrüßen. Jeder kennt Mo und Mo kennt jeden. „Moin, alles gut?“, so beginnt der tägliche Small-Talk mit dem Personal, ehe er sich an die Gäste macht. Essende Gäste spreche er nicht an, eine reine Männerrunde bringe auch nicht viel. Sobald eine Frau am Tisch sitzt wittert er seine Chance und versucht die Herren am Tisch in einen Plausch zu verwickeln – aber nicht zu aufdringlich. „Immer freundlich sein, sonst kommt man nicht weit. Ich will ja wiederkommen dürfen“, sagt er und geht weiter. Ein Gruß in die Küche darf auch nicht fehlen. „Na Mo, alles klar bei dir?“ erklingt es aus der Küche, Daumen hoch und ein Lächeln als Antwort.

Weiter geht es ins Café Central. „Habibi alles gut?“, begrüßt er den ersten Mitarbeiter vor der Tür, ehe er eintritt. Mit Ruhe und Gelassenheit geht er von Tisch zu Tisch, ein „Nein“ oder einen ignorierenden Blick bekommt er oft zu spüren, lässt sich davon aber nicht beirren. Das gehört zum Geschäft. „Hey Mo, oben ist noch eine große Gruppe“, gibt ihm ein Mitarbeiter einen Tipp. Nach kurzem Nachfragen geht es aber Richtung Ausgang: „Nur Dänen. Die kaufen keine Rosen.“

Nach einem Abstecher bei Peter Pane wird er im Kritz die ersten Rosen los. Drei Herren mit einer Frau am Tisch kaufen nach kurzem Gespräch zwei weiße Rosen und stellen sie direkt in das Weizenglas, in dem sich noch ein Rest Bier befindet. „Wir kennen ihn schon lange. Es ist auch immer wieder schön, ihn zu sehen“, sagt der Käufer und gibt Mo fünf Euro. „Ich frage nie nach Geld. Jeder zahlt, was er will“, sagt er zufrieden.

Im Börsenkeller wird er die nächste Rose los, allerdings verschenkt er sie an eine Mitarbeiterin. „Mo ist der einzige, der hier verkaufen darf. Er ist freundlich und nervt die Gäste nicht“, sagt sie während der Rosenverkäufer den Laden abscannt. Ein Versuch hier, ein Plausch dort, schon geht es weiter.

Die Freude über eine Rose treibt Mo jeden Abend um die Häuser

In der Großen Straße geht es bis zum „San Marco.“ Für den Weg nimmt er das Fahrrad, das Knie macht nicht mehr viel mit in seinem Alter. Mehr als 60 Jahre hat er in den Knochen, das genaue Alter möchte er aber lieber nicht verraten. Er steuert direkt auf zwei Bekannte zu. „Hey, lange nicht gesehen. Wie geht es dir?“, begrüßt ihn der Mann. Nach einem kurzen Schnack überreicht Mo der Frau am Tisch drei Rosen und der Mann zückt beschämt zum Portemonnaie: „Ich habe nur einen Fünfziger.“ „Kein Problem. Das passt“, sagt Mo grinsend, nimmt den Geldschein und geht zur Theke. Als er wiederkommt hat er zwei Zwanziger und zwei Fünfer in der Hand. Nachdem er das Geld zurückgegeben hat, bekommt Mo die zwei Fünfer wieder. „Ach Quatsch. Dafür bekommt die Dame noch eine Rose.“

Bis zum Holmhof geht es heute nicht, das Knie brauche Entlastung. Für den Weg bis zu Hansens Brauerei macht er sich eine Zigarette an. „Auch wenn ich mal nicht viel verkaufe gehe ich meine Runde. Lieber gehe ich drei Stunden spazieren und komme mit Menschen in Kontakt, als alleine zuhause zu sitzen.“

Die Corona-Pandemie ließ das Geschäft schlechter werden

Während des Lockdowns war es enorm schwierig, die Menschen waren weniger draußen und seien nicht so kauffreudig gewesen. In der Zeit habe Mo sehr wenig verkauft und musste beim Einkauf stark umdenken. Auch heute läuft das Geschäft noch nicht so gut wie vor der Pandemie, die Menschen seien immer noch nicht so viel unterwegs.

Es gehe aber wieder bergauf, erzählt Mo während sein Blick ins Rock Café wandert: „Nur Männer, da brauche ich gar nicht erst rein.“ Er habe es auch schon mal in München versucht, ist aber nur drei Rosen am ganzen Abend losgeworden. „Da bleibe ich lieber in Flensburg, hier ist es persönlicher und man kennt sich.“ In seine Wahlheimat möchte der fünfmalige Vater auch schon bald seine Familie aus Pakistan holen, seine Frau wartet aber immer noch auf ihr Visum.

Auch ins „Klähblatt“ geht er nicht, da dürfe er nicht rein. „Der Besitzer will keine Rosenverkäufer im Laden. Mit der Security am Eingang verstehe ich mich aber gut und quatsche oft eine Runde.“ Bis zur Brauerei ist die Zigarette aufgeraucht, auch dort wird jeder Mitarbeiter mit einer Faust begrüßt. Bei den Gästen das bekannte Spiel: „Brauchst du eine Rose für die Frau?“ Die Reaktionen bleiben die gleichen: ein freundliches „Nein, danke“, ein kleiner Schnack und vor allem viele lachende Gesichter an den Tischen, an denen Mo ist. Nach der Brauerei geht es zurück zur Shishabar „Zafira“. „Weiter in die Norderstraße brauche ich nicht. Im Peppermint und Kühlhaus wollen die Leute Gras, keine Rosen.“

Rosen werden auch mal verschenkt

Auf der Theke im „Zafira“ steht noch eine weiße Rose von Mo, die er der Mitarbeiterin Mayra Friedrichs vor zwei Wochen gegeben hat. „Die hält immer noch. Die nächste kommt aber mit nach Hause“, sagt sie freudig, während Mo schon nach einer roten Rose greift. „Ich verschenke auch mal gerne eine Rose. Dafür reden sie gut über mich oder kaufen vielleicht mal eine. Hauptsache eine Freude machen.“

Im „Porticus“ trifft er erneut auf Bekannte, die an der Theke würfeln. „Na, alter Mann. Brauchst du eine Rose? Du hast in 30 Jahren nie eine Rose bei mir gekauft“, begrüßt er den Spieler. „Das stimmt, ich habe aber auch nie eine Frau dabei gehabt“, entgegnet er. Mo antwortet mit einem Grinsen im Gesicht: „Alter Geizkragen.“ Beide lachen und Mo verschwindet in die Nacht, die heutige Ausbeute war nicht die Beste. Morgen wird er wieder seine Runde drehen, um Rosen unter die Flensburger zu bringen.

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