Nach dem Abitur

Weggehen oder hierbleiben? Das würde Flensburgs Schüler an der Förde halten

Weggehen oder hierbleiben? Das würde Flensburgs Schüler an der Förde halten

Was Flensburgs Schüler an der Förde halten würde

Tilman Wrede/shz.de
Flensburg
Zuletzt aktualisiert um:
Die Schüler der 13. Klasse des Fridtjof-Nansen-Schule wissen schon, wo es nach dem Abitur hingehen soll. Foto: Tilman Wrede/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Mit dem Schulabschluss in der Tasche sind viele Möglichkeiten offen. Eine Ausbildung, ein Studium, ein FSJ oder ein Jahr im Ausland. Doch was sagen die Abiturienten von morgen über die Wahl der Stadt? Was würde sie in Flensburg halten und warum ziehen viele erst mal weg?

Das neue Schuljahr hat gerade begonnen, für die Schüler der 13. Klasse der Fridtjof-Nansen-Schule ist es (aller Voraussicht nach) das Letzte. Danach kann es mit dem Abitur in der Hand in die weite Welt gehen. Oder auch nicht. Die meisten Schüler der 13. Klasse peilen ein Studium an. Doch damit zieht es viele auch schon weg aus Flensburg: „Medizin, Jura, Bio ohne Lehramt, Hebammenwissenschaften“ sind die Antworten von Wael, Anna, Angelina, Leve und Michelle. „Flensburg fehlt ein größeres Studienangebot“, bringt es Wael (20) auf den Punkt. „Es gibt in fast allen anderen Städten ein besseres Angebot“, fügt Momme (18) hinzu.

Der 18-Jährige will ein FSJ in Hamburg bei Greenpeace machen, auch um zu reflektieren und herauszufinden, was er will und was ihn bewegt. Leve reizt ebenfalls die Großstadt, „Berlin oder München ziehen mich an. Jura ist da auch möglich.“ Die anderen zieht es nicht so weit weg: Kiel, Lübeck oder vielleicht auch nach Mecklenburg-Vorpommern – Hauptsache am Meer bleiben, da sind sich viele der Schüler einig. „Die Natur und die umliegenden Naturschutzgebiete sind nicht zu toppen“, sagt Angelina. „Und die Familie hält mich hier. Aber ich will auch mal was anderes sehen“, sagt Janne (19).

Das Studienangebot in Flensburg lässt zu Wünschen übrig

Johanna (18) will im sozialen Bereich arbeiten, mit dem Ziel fühlt sie sich in Flensburg gut aufgehoben, „außerdem kenne ich hier alles und es gefällt mir.“ Auch Juliana (20) will in Flensburg bleiben, um den neuen Studiengang Film & Media Arts an der Hochschule zu studieren. „Eigentlich wollte ich nach Hamburg. Aber dann habe ich den neuen Studiengang entdeckt und die Wohnungspreise sind hier auch viel niedriger. Also kann ich auch hierbleiben“, sagt die 20-jährige Flensburgerin.

Juliana gefällt an der Fördestadt neben dem Meer ebenfalls, „dass sie sehr sauber ist“. Ihr fehlten aber mehr Events und Veranstaltungen für junge Menschen. An diesem Punkt schließen sich viele ihrer Mitschüler an: Das Rausgeh- und Feierangebot fehle, es gäbe keine große Shopping-Auswahl, Museen fehlten und das Kultur- und Bildungsangebot könne insgesamt größer sein, sind sich die Schüler einig. „Ich hätte gerne Modeläden für Jugendliche, oder dass Clubs auch mal unter der Woche aufhaben“, sagt Johanna (19).

„Das Mobilitätsangebot ist unterirdisch. Es gibt zu wenig Fahrradwege in der Stadt. Die Anbindung mit dem Zug ist schlecht – nach Dänemark, Kiel und Hamburg nur einmal in der Stunde. Man fühlt sich gefangen in der Stadt“, sagt Momme. „Für außerhalb ist es Katastrophe. Nachtbusse fahren nur bis drei Uhr und dann nur über bestimmte Haltestellen“, fügt Johanna hinzu.

Öffentlicher Nahverkehr und das Fahrradnetz sorgen für genervte Schüler

Das Thema öffentlicher Nahverkehr sorgt auch bei den Schülern der 11. Klasse der Goethe-Schule für viel Gesprächsstoff: „Ich muss seit der 11. Klasse 81 Euro im Monat zahlen, um von außerhalb in die Stadt zu kommen. Die fahren im Zwei-Stunden-Takt und am Wochenende in der Nacht habe ich noch weniger Chancen, das kann doch nicht sein“, sagt Sara (16). Die 16-Jährige hat nach dem Abitur vor, in Kopenhagen Architektur zu studieren. Sie habe ihre Heimat Flensburg zwar liebgewonnen, will aber auch mal etwas anderes sehen. „Flensburg könnte mehr mit der Natur arbeiten, die kaputten Fahrradwege erneuern und für einen attraktiveren ÖPNV sorgen“, sagt sie mit Blick auf die Fördestadt.

Leon (17) hingegen möchte nach dem Abitur in der Stadt bleiben, um Lehrer zu werden. Für ihn habe Flensburg aber auch nicht genug für junge Menschen zu bieten: „Hier wird nichts gefördert. Eine Skatehalle wäre auch cool. In den Sommerferien wurden wir von einem Schulhof um die Ecke von der Stadt weggeschickt, obwohl wir nur Basketball gespielt haben.“ Seine Mitschülerin Julietta (16) fügt hinzu, dass es hier alles nur einmal gäbe: ein Theater, ein Kino und ein Schwimmbad. Sie will nach dem Abi nach Kiel gehen, weil es in Flensburg nicht möglich ist, Logopädie oder Sozialmanagement dual zu studieren.

Jurastudium und eine Ausbildung bei der Polizei

Sieben der befragten zwölf Elftklässler zieht es weg aus Flensburg. Anna (16) will in Münster Jura studieren, weil sie dort geboren ist. Anna-Elisabeth (16) geht nach dem Abi für ihr Jurastudium nach Leverkusen, weil Bayer Leverkusen sie als Leichtathletin unter Vertrag nimmt. Willy zieht es nach Kiel zur Polizei und Hanna reizt die Großstadt, Hamburg oder Berlin soll es sein. Jule und Niklas sind sich noch unschlüssig, wollen aber die Chance nutzen, „um mal etwas anderes zu sehen“.

Für Lennart (17) steht dagegen schon fest, in der Nähe zu bleiben. „Ich will eine Ausbildung in der Anlagenmechanik oder Elektrik machen. Das mache ich in Viöl“, sagt der 17-Jährige. Je höher es in den Norden geht, desto besser werde auch die Bezahlung, sagt er.

Es gibt neben der Nähe zu Familie und Meer, der schönen Natur und der „freundlichen Stadt, in der jeder jeden kennt“ also auch einen anderen Grund, um hierzubleiben.

Mehr lesen