Leitartikel

„Abwahl eines Bürgermeisters“

Abwahl eines Bürgermeisters

Abwahl eines Bürgermeisters

Nordschleswig/Tondern
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Der Kampf um den Bürgermeisterposten in Tondern ist offener denn je, nachdem der amtierende Bürgermeister, Henrik Frandsen, als Venstre-Kandidat für die Wahl 2021 gestürzt wurde, meint Lokalredakteurin Brigitta Lassen.

Tondern bekommt Ende 2021 einen neuen Bürgermeister. Das steht fest, nachdem die Trommeln für die Wahl eines Bürgermeisterkandidaten bei Venstre kräftig gerührt wurden. Dabei wurde bereits vor der Wahlveranstaltung am Donnerstagabend teils mit unsauberen Methoden gekämpft. Dabei trat die Spaltung der Partei und der V-Fraktionsgruppe im Tonderner Stadtrat erneut deutlich ans Tageslicht.

Bei der Kandidaten-Wahl ging es nicht nur um Politik, sondern vor allem um Angriffe auf die Personen: Bürgermeister Henrik Frandsen und seinem Herausforderer Martin Iversen. Sie führten nicht selbst diese Schlammschlacht an – dies erledigten Parteifreunde hinter den Kulissen.

Das Schlachtfeld lag zunächst in den Medien, während die Hauptschlacht am Donnerstagabend auf einem Feld in Aggerschau geführt wurde. Der Sieg war überraschend – und mit einem knappen Vorsprung – das politisch unbeschriebene Blatt Martin Iversen. Sein Strippenzieher-Heer war auch federführend, als der Parteivorsitzende Lars-Erik Skydsbjerg 2018 bei einer kleinen Revolution überraschend „kassiert“ wurde – ein treuer Gefolgsmann Frandsens.

Nun wird sich zeigen, was der gewöhnliche Venstre-Wähler bei der Kommunalwahl am 16. November 2021 zu diesem parteiinternen Manöver sagt.

Dabei muss sich Henrik Frandsen auch selbst Fehler eingestehen. Er hat sich weder der rumorenden Unzufriedenheit im Venstre-Kreis, noch in seiner eigenen Fraktionsgruppe gestellt. Schon bei der Konstituierung 2017 leistete er sich einen gewaltigen Fauxpas, als er den beliebten Parteikollegen Jens Møller aus Lügumkloster ins Abseits beförderte. Darüber waren die vielen Møller-Wähler pikiert, während Frandsen seine eigenen treuen Gefolgsleute in mächtige Positionen hob.

Eine der geschassten Parteifreundinnen, die ebenfalls zur Feindin wurde, war Susanne Linnet aus Mögeltondern. Sie konnte sich nicht beklagen, denn schließlich eroberte sie nur das 31. und letzte Mandat. Doch der Vorwurf von Vetternwirtschaft ist bei Venstre mehrfach und nicht ohne Grund laut geworden.

Es wird spannend, wie die Wahl in eineinhalb Jahren über die Bühne geht. Erleidet Martin Iversen das gleiche Schicksal wie 1989 die damaligen Bürgermeisteranwärter von Venstre Hans L. Hansen und Bente Kirchheiner, als es schon einmal parteiinternen Venstre-Zoff gab? Bürgermeister wurde damals überraschend der Sozialdemokrat Kurt Johannsen (1990-1994), der von der Schleswigschen Partei als Königsmacher aufgrund der internen Querelen bei Venstre in den Bürgermeister-Thron gehievt wurde.

2009 wollten auch zwei Venstre-Männer Bürgermeister werden, sowohl der frühere Bürgermeister von Norderrangstrup, Ole Østvig Nissen, als auch Laurids Rudebeck aus Tondern. Die Abstimmung entschied Rudebeck für sich, und er wurde später auch Bürgermeister.

Die Bürgermeisterwahl von Rudi Jensen von den Konservativen kam 1997 auch überraschend, als die Sozialdemokraten den bürgerlichen Block sprengten. Um Venstre eins auszuwischen, unterstützten sie Jensen.

Die Wahl von Venstre-Bürgermeistern ist in der Venstre-Kommune Tondern also kein Selbstgänger.

Henrik Frandsen wurde 2017 als Wahlsieger von der Dänischen Volkspartei (DF) ins oberste politische Amt der Kommune gehoben. DF hatte auch im Vorfeld der aktuellen Wahl des Bürgermeisterkandidaten signalisiert, 2021 erneut Frandsen unterstützen zu wollen. Setzt DF ihre Talfahrt fort und V-Mandate gehen wegen der Querelen verloren, dann müssen die Karten in Tondern ganz neu gemischt werden.

Die größte Aufgabe wird es bei Venstre jetzt bis zum Wahltag sein, die Lager zu vereinen. Ob dies dem Team von Martin Iversen gelingt, wird spannend, denn es ist keine leichte Aufgabe. Über einen Wahlkampf mit zwei Venstre-Listen wird jetzt schon laut diskutiert. Damit wäre die Spaltung „perfekt“. Alles Hin oder her: Das politische Klima kommt der Kommune Tondern derzeit nicht zugute.

 

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