Wirtschaftspolitik

20.000 Lehrstellen unbesetzt: Handwerk will «Bildungswende»

20.000 Lehrstellen unbesetzt: Handwerk will «Bildungswende»

20.000 Lehrstellen unbesetzt: Handwerk will «Bildungswende»

dpa
München
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ZDH-Präsident Jörg Dittrich spricht bei der Eröffnung der Internationalen Handwerksmesse (IHM). Foto: Sven Hoppe/dpa

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Deutschlands Handwerkern fehlt eine sechsstellige Zahl von Fachkräften und eine fünfstellige Zahl von Azubis. Dazu beigetragen hat nach Einschätzung des Handwerks die deutsche Bildungspolitik.

Im deutschen Handwerk sind im vergangenen Jahr rund 20.000 Lehrstellen unbesetzt geblieben. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks ZDH) fordert daher vor Beginn der Münchner Handwerksmesse eine Wende der Bildungspolitik, um nichtakademischen Bildungs- und Berufswegen zu größerer gesellschaftlicher Achtung und Anerkennung zu verhelfen.

Nach den am Mittwoch veröffentlichten Zahlen haben die Handwerksbetriebe zwar bis Ende November mehr Azubis eingestellt als im Jahr zuvor. Doch gleichzeitig blieben auch erheblich mehr Lehrstellen unbesetzt, wie der ZDH mitteilte. Demnach wurden 133.700 neue Ausbildungsverträge im Handwerk abgeschlossen, das waren 1815 beziehungsweise 1,4 Prozent mehr als 2022. Gleichzeitig aber waren 20.013 Lehrstellen unbesetzt, gut tausend mehr als ein Jahr zuvor.

Auf der Münchner Handwerksmesse spielt neben der eigentlichen Leistungsschau der teilnehmenden Betriebe seit jeher auch die Politik eine große Rolle. Zur Eröffnung wird Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet, am Freitag steht am Rande der Handwerksmesse das alljährliche Spitzengespräch der deutschen Wirtschaft mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf dem Programm.

«Deutschland braucht eine Bildungswende»

Insgesamt sind im deutschen Handwerk derzeit geschätzt 250.000 Stellen offen. Neben arbeitsmarktpolitischen Initiativen forderte der ZDH vor der Eröffnung der Messe ein Umdenken der Politik: Es müssten alle Maßnahmen in den Blick genommen werden, um die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung herzustellen und die Betriebe bei der Ausbildung zu unterstützen. «Deutschland braucht eine Bildungswende», verlangte der Verband. 

Eine zentrale Herausforderung bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen sieht der ZDH in fehlendem Wissen vieler Jugendlicher über Bildungs- und Berufschancen im Handwerk. Der Verband fordert deswegen flächendeckende Berufsorientierung bundesweit an allen Schulformen inklusive der Gymnasien. 

Der ZDH betonte die wirtschaftliche Bedeutung des Handwerks als «Wirtschaftsmacht von nebenan»: Mit 735 Milliarden Euro im Jahr 2022 habe der Jahresumsatz des Handwerks in derselben Größenordnung gelegen wie der Umsatz der Weltkonzerne Apple, Meta und Google zusammen.

Handwerks-Präsident: Bauernproteste sind schlechtes Vorbild

Handwerks-Präsident Jörg Dittrich warnte seine Branche, trotz des Unmuts vieler Betriebe den Bauernprotesten als Vorbild zu folgen. Wirtschaftspolitik sollte nicht auf der Straße, sondern in den Parlamenten und im Dialog der Politik mit den Verbänden stattfinden, sagte der ZDH-Präsident der «Augsburger Allgemeinen».

«Es gibt bei uns aus verschiedenen Landesteilen einen großen Druck, dem Beispiel der Bauern zu folgen», sagte Dittrich. «Ich persönlich halte das für den falschen Weg.» Viele Proteste begännen friedlich, arteten dann aber aus.

Dittrich warnte zugleich vor einer Polarisierung der Gesellschaft. «Die vielen wütenden Maximalforderungen machen uns immer kompromissunfähiger und zerstören die Gemeinschaft, egal ob es beispielsweise um die Begrenzung der ungesteuerten Zuwanderung oder die wettbewerbsfähige Energieversorgung der Zukunft geht», mahnte der Handwerks-Präsident. «Zweitens will ich deutlich sagen, dass wir im Handwerk zu den Betroffenen zählen, wenn Menschen Angst bekommen durch eine Diskussion über das Maß der Weltoffenheit».

«In unserer Branche haben wir schon seit Jahren einen hohen Anteil von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Migrationshintergrund», sagte Dittrich. «Wenn Kräfte an die Macht kommen, die mit dem Begriff Remigration Menschen Angst machen, die hier schon lange verankert sind, dann ist das für Deutschlands Ansehen in der Welt und damit für den Wirtschaftsstandort Deutschland eine Katastrophe und schadet so letztlich auch den Handwerksbetrieben massiv.»

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