Geschlechterquote

Frauenanteil in Chefetage: Viele Firmen ignorieren Vorgaben

Frauenanteil in Chefetage: Viele Firmen ignorieren Vorgaben

Frauenanteil in Chefetage: Viele Firmen ignorieren Vorgaben

dpa
Berlin
Zuletzt aktualisiert um:
Etliche Firmen geben trotz Pflicht kein Ziel für Frauenquoten in Vorständen an. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

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Etwa 2000 deutsche Unternehmen sind eigentlich gesetzlich verpflichtet, für ihren Frauenanteil in der Führungsetage Zielgrößen festzulegen. Aber nur ein Teil von ihnen kommt dieser Pflicht nach.

Mögliche Strafen schrecken offenbar nicht ab: Trotz gesetzlicher Pflicht setzen sich jüngsten Daten zufolge viele Unternehmen keine jährliche Zielgröße zum Frauenanteil in ihren Vorständen. Wie aus einem aktuellen Bericht der Bundesregierung zum Frauenanteil in Führungsebenen hervorgeht, taten dies im Jahr 2021 lediglich 62,1 Prozent der insgesamt 2109 Unternehmen, die in dem Jahr der gesetzlichen Pflicht unterlagen. 

Der Bericht der Bundesregierung, den das Kabinett heute abgesegnet hat, bezieht sich überwiegend auf die Erhebungszeiträume 2021 und 2022. Aktuellere Daten liegen demnach nicht vor. Bei den mehr als 2000 Unternehmen geht es um Firmen aus der Privatwirtschaft, dem öffentlichen Dienst des Bundes und Unternehmen mit unmittelbarer Mehrheitsbeteiligung des Bundes.

Mehr als die Hälfte der Unternehmen, die überhaupt eine Zielangabe zu Frauen in ihren Vorständen machte (53 Prozent), setzte sich dem Bericht zufolge die Zielgröße null - also das Ziel, keine einzige Frau im jeweiligen Unternehmensvorstand zu haben. Das ist den Unternehmen bislang erlaubt.

Und dennoch würden nicht alle ihrer Pflicht nachkommen, beklagt Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Sie fordert mehr Konsequenz bei der Durchsetzung der rechtlichen Vorgaben, sprich: mehr Sanktionen. «Es ist ganz klar: Solche Verstöße sind sanktionierbar. Sie ziehen Strafen nach sich», sagte Paus der dpa. Für die Verfolgung seien die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) sowie das Bundesamt für Justiz zuständig. Sie setze sich in Gesprächen mit beiden Stellen aktuell verstärkt dafür ein, die Regelverstöße «künftig sichtbarer zu machen und Sanktionen effektiv durchzusetzen».

Bußgelder von bis zu zwei Millionen Euro

Und das könnte teuer werden: Wenn ein Unternehmen gegen die Pflicht zur Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil verstößt, kann dies zu Geldbußen von bis zu 50.000 Euro führen. Bei kapitalmarktorientierten Unternehmen könne die Sanktion sogar «maximal zwei Millionen Euro oder das Zweifache des aus der Ordnungswidrigkeit gezogenen wirtschaftlichen Vorteils» betragen, wie es in einer jüngst veröffentlichten Analyse der Organisation «Frauen in die Aufsichtsräte» (Fidar) heißt. Viele Unternehmen wüssten gar nicht, dass sie unter das Gesetz fallen oder welche Regeln sie befolgen müssen, sagt Fidar-Präsidentin Anja Seng der dpa. Das sei neben der nicht funktionierenden Sanktionierung auch ein großes Problem. Ministerin Paus will hier gegensteuern und hat allen Unternehmen, die es betrifft, nach Angaben ihres Ministeriums erst kürzlich entsprechende Informationen zukommen lassen - unter anderem auch die Analyse von Fidar.

Gesetzliche Vorgaben zur Frauenquote seit 2015

Im Jahr 2015 war ein Gesetz in Kraft getreten, das den Anteil von Frauen in den Vorständen und Aufsichtsräten deutscher Unternehmen spürbar steigern sollte. Seitdem sind etwa 2.000 deutsche Firmen verpflichtet, eine Zielvorgabe für den Frauenanteil in Vorständen und im obersten Management festzulegen. Wenn sie sich die Zielvorgabe null setzen, müssen sie das seit 2021, als das Gesetz erweitert wurde, begründen. Seit 2016 ist ein Teil der börsennotierten Unternehmen außerdem verpflichtet, bei der Neubesetzung von Stellen im Aufsichtsrat eine verbindliche Frauenquote von 30 Prozent einzuhalten. Aktuell sind das 104 Unternehmen.

In den Unternehmen, die dieser Quote unterliegen, hat es laut Bericht beim Frauenanteil in den Aufsichtsräten von 2015 bis 2021 eine Steigerung um mehr als zehn Prozentpunkte gegeben. Der Anteil lag demnach zuletzt bei 35,7 Prozent - und damit sogar über der gesetzlichen Pflichtquote von 30 Prozent. Bei der Gesamtheit aller untersuchten Privatunternehmen stieg der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder in dem Zeitraum um mehr als sieben Prozentpunkte auf 26 Prozent. 

Verbindliche Quoten gelten nur für wenige Unternehmen

In den Vorständen sind Frauen dagegen nach wie vor stark unterrepräsentiert. Einer der Gründe: Nur sehr wenige Unternehmen unterliegen der seit Sommer 2022 geltenden Verpflichtung, dass in Vorständen mit mehr als drei Mitgliedern mindestens eine Frau und einen Mann vertreten sein muss (Mindestbeteiligungsgebot). Das Gesetz sieht dies bislang lediglich für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten vor. Nach Angaben von Fidar betrifft dies gerade einmal 65 Unternehmen.

Eine Lücke, die geschlossen werden müsste, findet Präsidentin Seng. Aus ihrer Sicht müssten die 30-Prozent-Quote für Frauen in Aufsichtsräten und die Vorstandsquote für alle betrachteten Unternehmen gelten - also für etwa 2.000 Firmen anstelle von nur jeweils 104 und 65. 

Bund will bis Ende 2025 Parität in seinen Behörden herstellen

Dass verbindliche Quoten wirken könnten, zeige sich auch am hohen Frauenanteil bei den Unternehmen des Bundes, sagt Seng. Werden die nachgeordneten Behörden mitgezählt, so erreichen die obersten Bundesbehörden in der Führungsetage einen Frauenanteil von 45 Prozent. Hier ist laut Bericht der letzte Stand Ende Juni 2023. 

Der Bund hatte sich 2021 dazu verpflichtet, bis Ende 2025 in den Chefetagen eine 50/50-Verteilung von Frauen und Männern sicherzustellen. Laut Ministerin Paus ist einer der Hebel für die gute Entwicklung «der Ausbau des Führens in Teilzeit». 

Eine Strategie, die Seng zum Teil auch kritisch sieht. «Führen in Teilzeit ist dann gut, wenn das sowohl für Männer als auch für Frauen gedacht ist, und wenn mit Teilzeit auch mehr als 50 Prozent gemeint ist», sagt sie. Sonst bestehe die Gefahr, dass Teilzeit in den Köpfen nur mit Frauen verknüpft werde - und das sei wiederum schlecht für die Gleichberechtigung.

 

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