Versicherer

Steigende Versuchung zum Betrug in der Corona-Krise

Steigende Versuchung zum Betrug in der Corona-Krise

Steigende Versuchung zum Betrug in der Corona-Krise

dpa
Unterföhring/Wiesbaden
Zuletzt aktualisiert um:
Laut Allianz gehen Studien davon aus, dass weltweit zwischen 10 und 15 Prozent aller Schadenmeldungen dubios sind. Foto: picture alliance / dpa

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die Corona-Krise bedeutet für viele Unternehmen und Bürger Einkommensverluste. Offensichtlich führt das dazu, dass manche sich an Versicherung oder Staat schadlos halten wollen.

Die Corona-Krise hat zu einem Anstieg von Subventions- und Versicherungsbetrug in Deutschland geführt. Das Bundeskriminalamt (BKA) meldete am Dienstag 7585 Fälle von Subventionsbetrug, zum Großteil ging es dabei um Corona-Soforthilfeanträge.

Den Schaden bezifferte die Wiesbadener Behörde auf 151 Millionen Euro. Und Deutschlands größter Versicherer Allianz registriert steigende Fallzahlen von Versicherungsbetrug. Die Zahl der Betrugsversuche ist seit Beginn der Pandemie um rund zehn Prozent gestiegen, wie die Allianz Deutschland mitteilte.

Da 2019 Fälle von Subventionsbetrug noch Seltenheitswert hatten, hat die Wirtschaftskriminalität im vergangenen Jahr dementsprechend insgesamt sehr deutlich zugenommen - das BKA zählte 49.174 Fälle, über ein Fünftel mehr als 2019. Das war der erste Anstieg seit 2017. Auch Anlagebetrüger wollten offenbar die Gunst der Stunde nutzen: Das BKA zählte 4865 Fälle, ein Anstieg von über einem Drittel.

Bei der Allianz auffällig ist ein mutmaßlicher Zusammenhang mit den Schließungen von Einzelhandel und Gastronomie. Demnach verzeichnete das Unternehmen eine plötzliche Zunahme von Wasserschäden bei gewerblichen Kunden von rund einem Viertel. Als Beispiel nennt das Unternehmen durch Wasser zerstörte Saisonware, die aufgrund der Corona-Beschränkungen in den Läden nicht verkauft werden konnte. So liegt die Vermutung nahe, dass in finanzielle Schwierigkeiten geratene Firmen versuchen, sich bei ihrer Versicherung schadlos zu halten.

Davon geht auch der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft aus. «Der weit überwiegende Teil der Versicherungskunden ist ehrlich, auch in Krisenzeiten», sagte Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Aus den Angaben des GDV geht hervor, dass es sich branchenweit um einen relativen Anstieg handelt: Die Schadenzahlen in der Corona-Pandemie gingen demnach insgesamt zurück, die Anzahl dubioser Schadenmeldungen blieb jedoch nahezu unverändert. Damit machen diese dubiosen Fälle dann naturgemäß einen höheren Anteil der Schadenmeldungen aus.

«Es gibt Anzeichen dafür, dass es bei diesen Fällen eine Verlagerung weg vom Privatkunden und hin zu den durch den Lockdown betroffenen Branchen gab», sagte Asmussen. «Den Gesamtschaden durch Versicherungsbetrug schätzen wir auf etwa 5 Milliarden Euro im Jahr.»

Weniger selbsterklärend ist der von der Allianz beobachtete Anstieg der Betrugsversuche von rund 10 Prozent in der Kfz-Versicherung und in der allgemeinen Haftpflicht von rund 20 Prozent. «Weltweit gehen Studien davon aus, dass zwischen 10 und 15 Prozent aller Schadenmeldungen dubios sind. Das trifft auch für Deutschland zu», sagt Jochen Haug, Vorstand der Allianz Versicherungs-AG, der für die Sachversicherung in Deutschland zuständigen Gesellschaft des Münchner Konzerns. «Wir konnten zudem beobachten, dass in Krisenzeiten die Betrugsversuche über alle Sparten zunehmen.»

Haug wehrt sich daher gegen die in Online-Foren häufig zu lesenden Klagen über zahlungsunwillige Versicherer: «Uns geht es um den Schutz der ehrlichen Kunden, die den Versicherungsbetrug anderer mitzahlen», sagt der Allianz-Manager. «Jeder Betrüger, den wir nicht erwischen, belastet die Versichertengemeinschaft. Je besser unsere Betrugsabwehr ist, desto schneller und einfacher können wir auch der ganz großen Mehrheit unserer ehrlichen Kunden ihre berechtigten Ansprüche bezahlen.»

Versicherungen unterscheiden zwischen zwei Arten von Betrug: einerseits überhöhte Schadenmeldungen, andererseits frei erfundene oder absichtlich herbeigeführte Schäden. «Immer wenn eine neue iPhone-Generation von Apple angekündigt wurde, nahm die Anzahl an verunfallten iPhones mit sehr kuriosen Schadenmeldungen zu», nennt Haug ein Beispiel. «Dieser Umstand flacht mittlerweile ab.»

Die Digitalisierung hat sowohl für die Polizei als auch für die Versicherer Vor- und Nachteile. Einerseits erleichtert die Technologie Straftaten. Beispiel fingierte Autounfälle: «Früher wurden die Fahrzeuge tatsächlich beschädigt», sagt Allianz-Manager Haug. «Heute ist es so, dass die Schäden auch virtuell am Bildschirm durch entsprechende Bildbearbeitungsprogramme entstehen.»

Ganz abgesehen davon sind manche Wirtschaftsdelikte in der realen Welt auch gar nicht vorstellbar. Ein Beispiel sind die Anlagebetrüger, die mit virtuellen Währungen wie Bitcoin hantieren. Zugleich erleichtert Technologie die Detektivarbeit, wovon Ermittler wie Versicherungen gleichermaßen profitieren.

Bei fingierten Autounfällen etwa kann das Auto selbst helfen, potenzielle Betrüger zu überführen. «Moderne Fahrzeuge sind mit einem Event Data Recorder ausgestattet», sagt Christoph Lauterwasser, der Geschäftsführer des Allianz Zentrums für Technik. Dank dieses automobilen Gegenstücks zum Flugschreiber lässt sich etwa herausfinden, ob ein Autofahrer absichtlich Gas gab, um sich rammen zu lassen.

Mehr lesen