Arbeitsmarkt

Trübe Herbststimmung am Arbeitsmarkt

Trübe Herbststimmung am Arbeitsmarkt

Trübe Herbststimmung am Arbeitsmarkt

dpa
Nürnberg
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Im Oktober 2023 gibt es 165.000 Arbeitslose mehr als vor einem Jahr. Foto: Sonja Wurtscheid/dpa

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Wie schon im September nimmt die übliche Herbstbelebung am Arbeitsmarkt auch im Oktober kaum Fahrt auf. Die Zahl der Arbeitslosen liegt deutlich höher als vor einem Jahr.

Seit mehr als einem Jahr geht es in der deutschen Wirtschaft nicht mehr voran. Der Arbeitsmarkt konnte die Probleme von Inflation und Energiekrise anfangs noch abpuffern, der Hunger nach geeignetem Personal in vielen Branchen überlagerte die Probleme mit der Arbeitslosigkeit. Inzwischen sind die Spuren der konjunkturellen Flaute aber auch bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern angekommen, die Resümees werden pessimistischer.

«Die Zurückhaltung bei Neueinstellungen ist besonders für Menschen, die arbeitslos sind, wirklich problematisch. Ihre Chancen, eine neue Beschäftigung zu finden, sind aktuell leider sehr niedrig», sagte die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles, am Donnerstag. Im Oktober waren 749.000 freie Arbeitsstellen bei der Bundesagentur gemeldet, 98.000 weniger als noch vor einem Jahr. Die Einstellungsbereitschaft sei im längerfristigen Vergleich noch immer hoch, sei aber zuletzt spürbar gesunken.

Erneut vergebliches Warten

Der Oktober ist bereits der zweite Monat, in dem die Statistiker auf eine signifikante Herbstbelebung gewartet hatten - vergebens. 2,607 Millionen Arbeitslose gab Nahles bekannt, das sind nur 20.000 weniger als im September, aber 165.000 mehr als noch vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote sank im Oktober nicht und lag unverändert zum September bei 5,7 Prozent. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr hatte es im gleichen Zeitraum einen Rückgang um 43.000 Arbeitslose gegeben. Stichtag für die Erhebung der Oktoberzahlen war der 12. Oktober 2023.

«Seit gut einem Jahr tritt die deutsche Wirtschaft mehr oder weniger auf der Stelle», sagte Nahles. «Nach so langer Zeit bleibt das nicht ohne sichtbare Folgen für den Arbeitsmarkt.»

Die Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, Leonie Gebers, sieht weiterhin im Arbeits- und Fachkräftemangel das größte Hindernis für die deutsche Wirtschaft. Die Integration von Geflüchteten sei eines der Instrumente, um das Problem zu lindern. «Wir haben rund 400.000 Geflüchtete mit einer guten Bleibeperspektive in Deutschland, die derzeit im Bürgergeld sind und bereits erste Sprachkenntnisse erworben haben», sagte Gebers. «Um diese Menschen zügig in den Arbeitsmarkt zu integrieren, haben wir den Jobturbo gestartet.»

Verstärkt durch Fachkräftemangel

Die Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib, sieht die Lage ähnlich: «Die Fachkräfteknappheit verhindert einen stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit.» Der Fachkräftemangel werde sich 2024 sogar noch verstärken und die Wachstumsperspektiven weiter begrenzen. «Es sei denn, es gelingt, die Möglichkeiten zur Fachkräftesicherung und Produktivitätssteigerung deutlich stärker auszuschöpfen», wie Köhler-Geib einordnete.

Doch auch ein wesentlicher Pfeiler der Fachkräftesicherung scheint zu wanken: Bei der Berufsausbildung werde es zunehmend schwieriger, Ausbildungsbetriebe und Bewerber zueinander zu bringen. Obwohl viele Jugendliche auswichen und beispielsweise weiterhin zur Schule gingen, in einen Job ohne Ausbildung wechselten oder sich arbeitslos meldeten, seien aktuell 26.000 junge Frauen und Männer in Deutschland noch überhaupt nicht versorgt.

Nahles appellierte an die Kompromissbereitschaft beider Seiten. Es müsse nicht immer der Traumberuf sein. Anderseits müssten Betriebe auch bereit sein, Bewerber einzustellen, die vielleicht nicht auf den ersten Blick dem erwünschten Profil entsprächen. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger forderte junge Leute auf: «Wer noch auf Ausbildungssuche ist, sollte jetzt genau hinschauen und zugreifen! Dies gilt auch für Jugendliche ohne schulische Bestnoten: Motivation und praktische Talente sind in den Betrieben gefragt!»

Mehr Stellen als Bewerber und Bewerberinnen

Bundesweit stehen deutlich mehr Lehrstellen zur Verfügung als Bewerberinnen und Bewerber nach einem Platz suchen. Von Oktober 2022 bis September 2023 wurden den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern insgesamt 545.000 Berufsausbildungsstellen gemeldet - in etwa genauso viele wie ein Jahr zuvor. Auch die Zahl der Bewerber blieb mit 422.000 weitgehend stabil. Dennoch kommen auch in diesem Jahr auf 100 gemeldete betriebliche Ausbildungsstellen rechnerisch nur 80 Bewerberinnen und Bewerber, eine ähnliche Quote wie im Vorjahr.

Allerdings zeigt ein Blick auf die Landkarte das eigentliche Problem: Während in wenigen Regionen, etwa in großen Teilen Bayerns, ein deutliches Überangebot an Lehrstellen herrscht, fehlen sie an anderen Stellen - darunter etwa in einigen Gegenden Ostdeutschlands, in Berlin und im Ruhrgebiet. Die Bundesagentur könne unter anderem mit Mobilitätshilfen für junge Leute einspringen, sagte Nahles.

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