Wort zum Sonntag

„Das Wort zum Sonntag, zum 1. November 2020“

Das Wort zum Sonntag, zum 1. November 2020

Das Wort zum Sonntag, zum 1. November 2020

Friedrich Hauschildt
Friedrich Hauschildt
Nordschleswig
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Das Wort zum Sonntag, zum 1. November 2020 von Dr. Friedrich Hauschildt, Präsident i.R

Wort zum Reformationsfest – Freiheit oder Egoismus?

Die demonstrierenden Frauen in Minsk, junge Flüchtlinge aus Afrika in Schlauchbooten im Mittelmeer, bewaffnete Bürgerwehren in den USA und Corona-Leugner in Mitteleuropa: alle berufen sich auf die Freiheit. Aber sie verbinden sehr Unterschiedliches mit dieser Idee. Die Freiheit, in einem demokratischen Land leben zu dürfen, ist etwas anderes als die Freiheit, eine Waffe tragen zu können. Wo Freiheit draufsteht, ist nicht selten Rücksichtslosigkeit und Egoismus drin. Wenn Menschen sich auf Freiheit berufen, gilt es, sehr genau hinzuschauen, ob es sich wirklich um jene Freiheit handelt, die es verdient, als ein hoher Wert betrachtet zu werden. 

Freiheit war das Schlüsselwort der Reformation Martin Luthers und seiner Mitstreiter. Diese Freiheit musste erkämpft werden. Sich aus Gewissensgründen gegen kirchliche Autoritäten zu stellen, ja sogar gegen den Kaiser, erforderte damals großen Mut. Das konnte Leib und Leben kosten. Jens Jessen aus Tingleff hat das 1944 auf seine Weise erfahren. Oppositionelle in Russland und Demonstranten in Weißrussland müssen es heutzutage erleben. Ohne Freiheit gibt es keine Menschenwürde. Luther betrachtete Freiheit trotz allen Kampfes letztlich als ein kostbares Geschenk, als ein Gottesgeschenk. Als Begeisterte in Wittenberg 1522 meinten, ihre Freiheit dadurch unter Beweis stellen zu sollen, dass sie die Kirchen stürmten und alte Kunstwerke zerstörten, hielt Luther das für ein Missverständnis von Freiheit. Wahre Freiheit achtet die Freiheit der anderen. Sie kann sich selbst zurücknehmen, um die Freiheit anderer oder – zum Beispiel in einer Pandemie – um deren Gesundheit zu schützen. Wahre Freiheit kann die eigenen Bedürfnisse um der Natur und künftiger Generationen willen einschränken. Freiheit, die ihren Namen verdient, bekommt ihre Kraft von einem inneren Halt, der stärker ist als unsere vordergründigen Interessen. Freiheit ist trotz aller Bemühungen um sie ein Geschenk. Ich verstehe sie als ein Gottesgeschenk. Das Reformationsfest erinnert uns daran.

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