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Büchereien der Minderheit anfangs mit den deutschen Schulen verknüpft

Büchereien der Minderheit anfangs mit den deutschen Schulen verknüpft

Büchereien der Minderheit mit Schulen verknüpft

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Nordschleswig
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Schild Deutsche Bücherei - Lesezimmer - Herkunft unbekannt Foto: Deutsche Bücherei Sonderburg

Start mit wenigen Büchern – und wenigen Nutzern / In der Anfangszeit organisierten die Lehrkräfte den Ausleihbetrieb

Für die ersten Jahre nach der Volksabstimmung kann wohl nicht behauptet werden, dass Büchereien im Mittelpunkt der Entwicklung der deutschen Minderheit standen. Zwar gab es in den Städten und auf dem Lande einige Büchereien, aber diese waren eher provisorisch in für andere Zwecke genutzte Gebäude mit untergebracht. Auch der Bestand an Büchern war klein und bescheiden. Oftmals waren es Bücher aus Privatbesitz oder von anderen Vereinen. In Sonderburg war die Bücherei in diesen Anfangszeiten im Gemeindehaus untergebracht, in Tondern in der Alexandrinenschule. Um an mehr Literatur zu kommen, wurde in diesen Jahren eine Einsammlungsaktion für gebrauchte Bücher in Schleswig-Holstein durchgeführt.

Mitte/Ende der 1920er Jahre sollten die Büchereien mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Treibender Motor dahinter war wie so oft in dieser Zeit der nationale Gegensatz und der damit verbundene Wunsch, die „Kunden“ nicht an dänische Büchereien zu verlieren.
Für 1927 wird angegeben, dass es insgesamt 13 deutsche Büchereien in Nordschleswig gab. Diesen stand eine ungefähre Zahl von 2.000 Büchern zur Verfügung, die von ca. 850 Nutzern ausgeliehen werden konnten. Rechnet man einmal den Durchschnitt aus, wie viele Bücher und Nutzer jede Bücherei zu diesem Zeitpunkt gehabt hat, so kommt man auf ca. 150 Bücher und ca. 65 Nutzer pro Bücherei. Zahlen, die sich mit den heutigen natürlich nicht mehr vergleichen lassen.
13 Jahre später, also 1940, sah die Welt schon ganz anders aus. Zu diesem Zeitpunkt gab es 76 Büchereien mit ca. 60.000 Büchern und  etwa 10.000 Nutzern.

Leihkarten aus Sonderburg 1940-1941 Foto: Deutsche Bücherei Sonderburg

Wie aber konnte dies möglich gemacht werden? Woher nahm man die finanziellen Mittel für Personal, Gebäude und für die Anschaffung der Bücher?

Natürlich sind mit der Zeit mehr Gelder in die Büchereien geflossen. Dies größtenteils aus Deutschland. Dies hätte aber nie für eine so umfangreiche Erweiterung gereicht. Um dieses Netz von Büchereien aufzubauen, griff man größtenteils auf bestehende oder zu der Zeit im Aufbau befindliche Strukturen zurück. Dies waren hauptsächlich die lokalen privaten deutschen Schulen.

Direkt nach der Volksabstimmung gab es 1920 nur eine Handvoll deutscher Privatschulen in Nordschleswig. Bei Kriegsende 1945 war diese Zahl auf 59 Schulstandorte angewachsen.

Diese gerade in den 1930er Jahren geschaffene Infrastruktur benutzte man nun auch für den Aufbau der Büchereien. Sobald in dieser Zeit eine Schule geöffnet wurde, folgte fast schon grundsätzlich auch eine Bücherei. So öffnete die deutsche Privatschule in Mögeltondern am 21. April 1933 ihre Türen. Am 10. Januar 1934 folgte dann dort die Einrichtung einer Bücherei. Noch schneller ging es in Hoptrup: Schuleröffnung am 1. Januar 1933, Büchereieröffnung am 20. Mai 1933.

Aber nicht nur die Schulgebäude wurden von den Büchereien genutzt. Auch die Lehrkräfte spielten hier eine Rolle. In den kleineren Orten waren sie es, die den Leihbetrieb organisierten. Dabei darf man sich keinen heutigen Büchereibetrieb mit vielen Stunden Öffnungszeiten und großen Räumen mit vielen Bücherregalen vorstellen. Typischerweise gab es „Umtauschabende“ wo die Lehrkraft gelesene Bücher entgegennahm und neu auslieh.

Welche Bedeutung die Lehrkräfte für das Funktionieren der Büchereien hatten, wird auch daraus deutlich, dass oftmals in den Jahresberichten dieser Jahrzehnte ein Rückgang von Ausleihzahlen mit einem Lehrerwechsel oder der Krankheit einer Lehrkraft begründet wird.
Die „Beherbergung“ der Büchereien in den Schulen macht deutlich, wie zentral und wichtig die Schulen, nicht nur in dieser Zeit, für das kulturelle Leben der Minderheit gewesen sein mussten.

Durch die „Beherbergung“ der Büchereien in den deutschen Privatschulen hatte dies natürlich 1945 direkte Konsequenzen. Als die Schulen geschlossen wurden, betraf dies  auch viele Büchereien.

Das Schild „Deutsche Büchereien – Lesezimmer“ befindet sich schon seit vielen Jahren im Museum. Leider fehlen uns weitere Angaben betreffend Herkunft und wann es benutzt wurde. Wenn jemand Informationen dazu hat, darf er sich gerne ans Museum wenden.

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