100 Jahre Deutsche Minderheit

Teil 12: Eine unscheinbare Zeichnung

Teil 12: Eine unscheinbare Zeichnung

Teil 12: Eine unscheinbare Zeichnung

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Nordschleswig
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Ausschnitt aus der Zeichnung des Gefangenenlagers Aurillac. Foto: Deutsches Museum für Nordchleswig

Die Geschichte nordschleswigscher Kriegsgefangene im 1. Weltkrieg – erzählt anhand einer Zeichnung aus Frankreich.

Während des Ersten Weltkrieges kämpften dänisch und deutsch gesinnte Nordschleswiger gleichermaßen für das Deutsche Kaiserreich. Mit dem Verlauf des Krieges wuchs die Zahl der deutschen Soldaten, die in alliierte Kriegsgefangenschaft gerieten.

Bei Kriegsende befanden sich allein in den Alliierten -Gefangenenlagern mehrere Millionen Kriegsgefangene. Unter ihnen auch einige Tausende deutsche Soldaten aus Nordschleswig. Schnell ging es den Alliierten auf, dass viele dieser Soldaten zwar in einer deutschen Uniform steckten, ihre nationale Gesinnung aber eine dänische war. Dementsprechend wurden diese auch nicht als wirklich feindlich gesinnt eingestuft.

Um ihnen bessere Hauptbedingungen zu gewähren, wurden 1915 und 1916 gesonderte Gefangenenlager für die dänisch gesinnten Nordschleswiger in Großbritannien, Frankreich und Russland eingerichtet. In Frankreich wurde das Lager u. a. auf Betreiben des französischen Professors Paul Verriet eingerichtet. Sein Interesse galt den nordischen Sprachen, und er machte „Bekanntschaft“ mit der Schleswigschen Frage.

1905 wurde er als Dozent für die modernen nordischen Sprachen an der Sorbonne-Universität in Paris berufen. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Verriet darauf aufmerksam, dass sich unter den Gefangenen auch Soldaten aus Nordschleswig befanden.

1915 ging er die Gefangenlisten durch und filterte diejenigen heraus, die einen dänisch klingenden Namen hatten und besuchte sie anschließend. Noch gab es aber kein Lager für die Gefangenen in Frankreich. Dieses wurde erst im April 1915 in Aurilliac, zentral in Frankreich gelegen, eingerichtet. Um den 1. Mai 1915 herum konnten die ersten Nordschleswiger im Lager einziehen.

Die Zeichnung zeigt den Innenhof des Gefangenenlagers Aurillac. Foto: Deutsches Museum für Nordchleswig

Schon in den Gesprächen mit den Gefangenen hatte Verriet versucht, herauszufiltern, ob der Betreffende deutsch oder dänisch gesinnt war. Dies wurde durch verschiedene Stellen fortgesetzt. So wurde u. a. aus dem Lager in Aurilliac berichtet, dass infrage kommende Häftlinge dänische Lieder vortragen mussten, um so ihre Gesinnung zu beweisen.

Dass diese Überprüfung nicht in allen Fällen glückte, bezeugt die vor einigen Jahren im Museum abgegebene Zeichnung. Sie zeigt den Innenhof des Gefangenlagers in Aurilliac. Abgegeben wurde sie von einem Angehörigen der deutschen Minderheit.

Der Vater des Einlieferers geriet im Ersten Weltkrieg, nach einigen Verwundungen, in Gefangenschaft und konnte wohl beim „Vorsingen“ überzeugen. Damit entging er den schlechteren Bedingungen in den „normalen“ Gefangenlagern. Nachweislich ist er kein Einzelfall gewesen.

Auch damals gab es viele Nordschleswiger, die zweisprachig waren. Des Weiteren ist überliefert, dass die deutsch Gesinnten, wenn sie nicht offensiv ihre Gesinnung vertraten, auch von den dänisch Gesinnten in den Lagern akzeptiert wurden.

Die Rückseite der Zeichnung. Foto: Deutsches Museum für Nordchleswig

Man könnte natürlich auch infrage stellen, ob der Vater des Einlieferers wirklich deutscher Gesinnung war. Dies wurde durch den Einlieferer bestätigt. Weitere Indizien für seine Gesinnung sind die Mitgliedschaft im deutschen Handwerkerclub und in der Apenrader Schützengilde. Ein weiterer Beleg ist die Inhaftierung in Faarhus im Mai 1945. Wenn auch der Grund der Internierung nicht im Museum vorliegt, so können wir anhand dessen und der Mitgliedschaften doch auf eine überzeugte deutsche Gesinnung schließen.

Für den deutsch gesinnten Nordschleswiger bedeutete die Unterbringung im Gefangenenlager Aurilliac nicht nur bessere Haftbedingungen. Auch die Freilassung wurde zügiger veranlasst, und der Heimtransport wurde organisiert. So gelangte der mit dem Dampfschiff „St. Thomas“ Anfang April 1919 nach Kopenhagen und konnte von dort aus weiter nach Apenrade reisen.

 
Foto: BDN
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