100 Jahre deutsche Minderheit

Teil 17: Sammlung für die Kriegsversehrten des Ersten Weltkriegs – Nagelschild aus Hoyer

Teil 17: Sammlung für die Kriegsversehrten des Ersten Weltkriegs

Teil 17: Sammlung für die Kriegsversehrten

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Nordschleswig
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Der „Eiserne Landsturmmann“ in Sonderburg Foto: Deutsches Museum für Nordchleswig

In Folge 17 Unserer Reihe „100 Jahre, 100 Gegenstände, 100 Geschichten“ über 100 Jahre deutsche Minderheit in Dänemark berichtet Museumsleiter Hauke Grella heute aus dem Jahr 1919, in dem Kinder Nägel in ein Brett schlugen, um so den Kriegsversehrten zu helfen.

Die ursprüngliche Einschätzung  des Deutschen Kaiserreichs, dass man den Ersten Weltkrieg schnell gewinnen würde, musste nach kurzer Zeit revidiert werden. Damit folgte auch die Notwendigkeit, mehr Geld für die Kriegsführung zu generieren. Dieser Bedarf wurde primär durch neun verschiedene Kriegsanleihen gedeckt.

Mit Fortschreiten des Krieges und schlechter werdender Versorgung  im eigenen Lande musste das Kaiserreich auch der drohenden Kriegsmüdigkeit innerhalb der eigenen Bevölkerung entgegenwirken.  Zur Stärkung der „Heimatfront“ gab es Aktionen, die an die patriotische Einstellung der Bevölkerung appellierten, aber auch einen gesellschaftlichen Druck ausübten.

Foto: Deutsches Museum für Nordchleswig

 

Ehering als Kennzeichen

So z. B. bei der Aktion „Gold gab ich für Eisen“. Trug man in der Öffentlichkeit immer noch seinen goldenen Ehering und nicht die eiserne Kopie, so war es für alle ersichtlich, dass man kein wahrer Patriot und Kriegsunterstützer war. Ähnlich verhielt es sich mit den Kriegsnagelungen. Dazu wurde an öffentlichen Orten Holzfiguren aufgestellt. Je nach Höhe der eigenen Spende konnte man dann einen kleineren oder größeren Nagel in die Figur hämmern.

Dies war auch ein öffentliches Bekenntnis zum Staat und zur Unterstützung des Krieges.  Beispiel für solch eine öffentliche Kriegsnagelung war die Aufstellung der Landsturmmann-Figur 1915 auf dem Sonderburger Rathausplatz.

Während die Vorderseite aus den Konturen des Landsturmmanns bestand, war auf der Rückseite das Stadtwappen der Stadt Sonderburg zu sehen. Dies eingebettet von den Namen der umliegenden Gemeinden. Heute steht der „Eiserne Landsturmmann“ im Sonderburger Schloss.  

Das Nagelschild zeigt eine Möwe, die über einem Hilfskreuzer gleitet. Foto: Deutsches Museum für Nordchleswig

 

Nägel für die Kriegsversehrten


Mit dem Verlauf des Krieges vermehrte sich nicht nur die Anzahl der Gefallen, auch die Anzahl der Verwundeten und der Kriegsversehrten stieg. Um die Kriegsversehrten zu unterstützen wurde 1916 der Verein „Jugenddank für Kriegsbeschädigte e. V. Charlottenburg“ gegründet. Dabei konnten Schulen vorgefertigte Holzschilder, samt der passenden Nägel, bei dem Verein bestellen.

Vorgefertigt waren auch kleine Löcher für die Nägel, damit bei Fertigstellung dann ein bestimmtes Motiv entstand. Typischerweise wurden die Schilder dann an zentraler Stelle in den Schulen aufgehängt. Wie beim Landsturmmann konnte man dann als Schüler oder Elternteil einen Nagel kaufen und einschlagen. Der Erlös ging dann an die Kriegsversehrten.

Wie bei der öffentlichen Kriegsnagelung und der Aktion „Gold gab ich für Eisen“ sind uns auch Beispiele von Schulnagelungen und Nagelschildern aus Nordschleswig bekannt. So hatten wir als Deutsches Museum Nordschleswig 2014, für eine Sonderausstellung über den Ersten Weltkrieg, andere Nagelschilder von umliegenden Museen ausgeliehen. So u. a. von Schildern, die in Schelde,  Wiesby und Sonderburg gehangen hatten.

Ein Nagelschild für die Ausstellung stammte aus unserem eigenen Bestand. Und zwar das Nagelschild aus der Schule in Hoyer. Wo es nach dem Krieg aufbewahrt wurde, ist ungewiss. Nach 1956 wurde es aber viele Jahre in der Deutschen Schule Hoyer aufbewahrt und dann später vom ehemaligen Schulleiter der Schule, Karl-Jürgen Höft, ans Museum gegeben.

Die Preisliste auf der Rückseite Foto: Deutsches Museum für Nordchleswig

 

Propaganda für die Jugend

Das Nagelschild zeigt eine Möwe, die über einen Hilfskreuzer gleitet. Der Name des Hilfskreuzers ist „Möve“. Und nein, hier liegt kein Rechtschreibfehler vor. Es handelt sich um eine alte Schreibweise, und Dokumente belegen, dass der Kreuzer als „Möve“ registriert wurde. Da die „Möve“ bei ihren Feindfahrten wohl sehr erfolgreich war, wurde sie auch zu Propagandazwecken herangezogen.

So gab es einen Film und zwei Bücher über die „Möve“. Letztere geschrieben vom Kommandanten des Schiffes,   Korvettenkapitän Nikolaus Graf zu Dohna-Schlodien. Dies wird dazu beigetragen haben, dass der Verein „Jugenddank für Kriegsbeschädigte e. V. Charlottenburg“ auch das Motiv der „Möve“ in seinem Angebot hatte. 

Warum nun die Schule in Hoyer gerade das Motiv gewählt hat, ist unklar. Eine Erklärung könnte natürlich darin liegen, dass der Küstenort Hoyer ein maritimes Motiv wählen wollte. Nach längerer Suche konnten wir auch eine direkte Verbindung zwischen der „Möve“ und Nordschleswig herstellen. So war Hans Hansen Berg, am 23. September 1876 auf der Halbinsel Loit geboren, Leutnant auf der „Möve“. Ob dies in Hoyer bekannt gewesen ist, ist fraglich.

Neben dem Motiv ist auch die Rückseite des Schildes eine Betrachtung wert. Dort ist glücklicherweise die Preisliste erhalten geblieben. Damit ist uns die Aufgabe erspart geblieben, die Nägel zu zählen (6.470) und wir bekamen eine Angabe, wie viel Geld mit dem Schild vermutlich gesammelt wurde. Das gesamte Schild hätte einen Erlös von 181,15 Mark ergeben. Heutzutage hätte dies ungefähr einen Wert von 544 Euro oder 4.050 Kronen ergeben. Den billigsten Nagel hätte man für 6 Cent/45 Öre und den teuersten für 60 Cent/ 4,50 Kronen gekauft und eingeschlagen.     

 

100 Jahre deutsche Minderheit

2020 wird die deutsche Minderheit in  Nordschleswig 100 Jahre. In dem Zusammenhang präsentiert der Bund Deutscher Nordschleswiger  in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Museum in Sonderburg die Serie
„100 Jahre – 100 Gegenstände  – 100 Geschichten“.

 „Der Nordschleswiger“ veröffentlicht 2019 bis 2020  jede Woche  eine der 100 Geschichten  von Museumsleiter Hauke Grella.

 

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