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Von Faarhus zurück in die Freiheit

Von Faarhus zurück in die Freiheit

Von Faarhus zurück in die Freiheit

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Nordschleswig
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Foto: Deutsches Museum Sonderburg

Die gesetzliche Entwicklung der Rechtsabrechnung / Auch der Künstler A. G. Nissen musste zeitweise auf seine Bürgerrechte verzichten

Um eine Idee davon zu bekommen, wie die Stimmung direkt nach der Befreiung Dänemarks in Nordschleswig gewesen ist, kann man sich die Forderungen des Modstandsbevægelsen sønderjysk råd durchlesen, die direkt nach Kriegsende aufgestellt wurden. Darin u. a. enthalten die Forderungen, alle deutschen Staatsbürger  und Angehörigen der deutschen Minderheit sofort auszuweisen, wenn diese in irgendeiner Form eine deutsche Uniform getragen hatten.

Selbst wenn dies extreme Maximalforderungen gewesen sind, so spiegeln sie doch die anfänglich herrschende Stimmung wieder. Davon zeugt  auch der gesetzte Rahmen der Rechtsabrechnung.

Dass die Stimmung sich zumindest politisch beruhigte, zeigt die Überarbeitung des Gesetzes Nr. 259 vom 1. Juni 1945 schon ein Jahr später. Durch die Anpassung des Gesetzes wurde der Strafrahmen von Kriegsfreiwilligen auf deutscher Seite von vier auf zwei Jahre gesenkt.
Des Weiteren war es nun möglich, auch auf Probe freigelassen zu werden. Dies setzte aber voraus, dass man schon zwei Drittel und mindestens ein Jahr seiner Strafe abgesessen hatte. Gut einem Drittel der Inhaftierten der Rechtsprechung kam dies zugute.

Die Freilassung auf Probe geschah unter der Bedingung, dass der Freigelassene zwei Jahre nach der Freilassung ein straffreies und ordentliches Leben führte. Darüber hinaus wurde der Freigelassene unter Aufsicht gestellt. Entweder durch die betreffende Anstalt (z. B. Faarhus) oder vom Fængselsvæsenets Forsorgskontor. Dieses Kontor des Gefängniswesens sollte sich nur um die verurteilten Landesverräter kümmern, die auf Probe freigelassen wurden.

Vorderseite des Wahlflyers der Schleswigschen Partei vom April 1951 – gezeichnet von A. G. Nissen Foto: Deutsches Museum Sonderburg

Aber selbst wenn man durch die Möglichkeit der Freilassung auf Probe früher aus der Haft herauskommen konnte, so gab es doch noch einige Einschränkungen. Paragraf 6 des Gesetzes vom 1. Juni 1945 sah vor, dass Verurteilte mindestens fünf Jahre ihre Bürgerrechte verlieren sollten (Tab af almen Tillid). Dies ab Datum der Verurteilung.

Der Verlust der Bürgerrechte beinhaltete u. a. das Recht auf passive und aktive Wahlteilnahme, die Möglichkeit als Anwalt, Lehrer, Arzt, Hebamme oder Apotheker zu arbeiten, seinen eigenen Betrieb zu leiten und das Recht auf staatliche Unterstützung bei Arbeitslosigkeit oder Invalidität.
Aber auch in diesem Bereich mussten einige Verurteilte nicht die fünf Jahre abwarten. Mit dem Gesetz Nr. 239 vom 1. Juni 1947 bekamen diejenigen ihre Bürgerrechte zurück, die zu weniger als  zweieinhalb Jahren und nach den Paragrafen Nr. 10 und 16 verurteilt wurden. Dies bezog sich primär auf die Kriegsteilnehmer und Unterstützer der Besatzungsmacht. Ab 1950 sollten noch weitere Gesetze folgen, die zum einen die Bürgerrechte wieder herstellten, aber auch eine Amnestie für die noch Inhaftierten beinhalteten.

Der Künstler Arndt Georg Nissen wurde am 5. Mai 1945 gefangen genommen und wurde ins Faarhus-Lager überführt. Wie schon in einem anderen Artikel beschrieben, segelte er während des Zweiten Weltkriegs für die deutsche Abwehr, also den militärischen Nachrichtendienst der Nationalsozialisten. Dementsprechend wurde er auch als Kriegsteilnehmer verurteilt. Damit hätte er ursprünglich vier Jahre im Gefängnis verbringen und fünf Jahre auf seine Bürgerrechte verzichten müssen. Aber die genannten Gesetzesänderungen hatten auch für ihn Auswirkungen. So wurde er am 1. September 1946 auf Probe freigelassen, und im Juni 1947 bekam er seine Bürgerrechte zurück.

Der Verlust der Bürgerrechte hat ihn als Künstler sicher nicht so hart wie andere getroffen. Trotzdem musste auch er schauen, wie er sich finanziell über Wasser halten konnte. Aufträge aus der Minderheit, wie er sie zuvor hatte, waren in diesen Zeiten nicht zu erwarten. Dementsprechend versuchte er, seine künstlerische Schaffenskraft mit Alltagsgegenständen zu verbinden und diese dann zu verkaufen. Er produzierte Lampenschirme wie die auf den Abbildungen gezeigten. 

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