Coronavirus

Warum es im nördlichen SH die wenigsten Infektionen gibt

Warum es im nördlichen SH die wenigsten Infektionen gibt

Warum es im nördlichen SH die wenigsten Infektionen gibt

Carlo Jolly/shz.de
Husum/Flensburg
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Modellregion mit niedrigen Infektionszahlen – hier in der Husumer Innenstadt. Foto: Volkert Bandixen

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Dünne Besiedelung, viel Küste und kaum Querdenker-Demos – aber genügt das, um die günstige Infektionslage zu erklären?

Haben die längsten Küstenabschnitte und die geringste Bevölkerungsdichte das nördliche Schleswig-Holstein zur deutschen Vorzeigeregion bei den Corona-7-Tage-Inzidenzen gemacht? Ganz so einfach beantwortet sich die Frage dann doch nicht, warum Nordfriesland (heute 31,9/Platz 3, Montag Platz 1), Schleswig-Flensburg (30,8/Platz 2 hinter Plön) und der Erstplatzierte vom Dienstag, Flensburg (jetzt Platz 5 mit 38,8), zuletzt abwechselnd mit den wenigsten Corona-Infektionen glänzten. 

Die Folge: Schleswig-Holstein plant aufgrund der niedrigen Inzidenzen im Land die nächsten Öffnungsschritte in der Corona-Pandemie. So dürfen Geimpfte, Genesene und Getestete vom 17. Mai an unter strengen Vorgaben landesweit Gaststätten auch in Innenräumen besuchen und in Beherbergungsbetrieben übernachten. Erleichterungen gibt es auch in den Bereichen Kita, Schule, Sport und Kultur.

Bevölkerungsdichte und Küsten der Nord- und Ostsee 

Tatsache ist, dass Nordfriesland (79,6 Einwohner pro Quadratkilometer) und Schleswig-Flensburg (97) zu den weniger dicht besiedelten Kreisen der Republik gehören. Das allein schützt aber nicht vor Corona-Infektionen: Die Prignitz in Brandenburg, der siedlungsärmste Kreis bundesweit (35,6 Einwohner pro Quadratkilometer) zählt heute mit 115,5 eine mehr als dreimal so hohe Inzidenz wie die Nordkreise. Und Hildburghausen (67,3 Einwohner) hat mit der RKI-Inzidenz 305 sogar eine Hochrisikolage. 

 

Tatsache ist allerdings auch, dass es bestimmt kein Nachteil ist, dass über die Küsten von Nord- und Ostsee wohl eher keine Infektionen eingetragen werden. Und die deutsch-dänische Grenze – zum Beispiel im Vergleich zur tschechischen Grenze oder der französischen im Saarland? „Wir haben hier Glück gehabt“, sagt Peter Hansen. 

 

Die Grenze war nie ganz geschlossen, und sie wird nie ganz geschlossen sein.

Peter Hansen, Leiter Regionskontor

 

Dänemark begann früh mit Testungen 

Der Glücksburger leitet das für Berufspendler zuständige Regionskontor im dänischen Pattburg. Er muss es also wissen. „Die Grenze war nie ganz geschlossen, und sie wird nie ganz geschlossen sein“, sagt Hansen bestimmt. Im Gegensatz zu Tschechien zum Beispiel. Allerdings habe Dänemark schon ab 9. Januar negative Tests von deutschen Grenzpendlern verlangt. 

Als sicher gilt aber auch, dass die britische Mutation Anfang Januar über Dänemark den Weg auf die deutsche Seite der Grenze fand. Und: „Mit dem Testen wurde von dänischer Seite sehr früh begonnen, schon im vergangenen Sommer“, erinnert sich Peter Hansen. Aktuell habe die Inzidenz in Tondern unter 10 und in Apenrade um 60 gelegen.

Eine von 20 in Flensburg: Schnell- und PCR-Teststation des DRK auf dem Campus Flensburg Foto: Carlo Jolly

Teststationen haben der Region geholfen 

Dass schon früh in diesem Jahr zahlreiche Teststationen geschaffen wurden, half der Region ebenfalls. Noch mehr als für Nordfriesland und den Kreis Schleswig-Flensburg trifft das für die Stadt Flensburg zu, die Ende Februar mit einem 7-Tage-Wert um 200 plötzlich Corona-Hotspot war. In dieser Hoch-Inzidenz-Phase entschied die Stadt Flensburg rasch die Einrichtung von Teststationen. An den rund 20 Stationen in Flensburg werden nun pro Woche mehr als 20.000 Abstriche genommen. Immerhin 30 und 21 Positivfälle ohne Symptome wurden dabei in den vergangenen beiden Wochen aufgedeckt. 

Hätte jeder dieser Symptomlosen nur fünf Personen angesteckt, zählte Flensburg aktuell 250 Infektionen mehr. Im Vorgriff auf die Modellregionen haben auch die beiden Kreise mittlerweile stark in Testangebote investiert. Allein Nordfriesland zählt heute schon 120 Teststationen. 

 

Und noch eine Statistik belegt, wie vergleichsweise gut das nördliche Schleswig-Holstein in der Pandemie dasteht: Von den aktuell 162 Covid-Patienten in Schleswig-Holsteins Kliniken liegen nur je sechs im St. Franziskus in Flensburg und im Klinikum Nordfriesland. Vor zwei Monaten zählte das Flensburger Malteser-Krankenhaus noch gut 30 Corona-Patienten. 

Der Friseurbesuch ist nicht entscheidend, sondern das, was man auf dem Weg dorthin macht.

Dr. Martin Oldenburg, Mediziner

 

Erfolg durch konsequente Kontaktbeschränkungen 

Dr. Martin Oldenburg von der Kieler Landesvereinigung für Gesundheitsförderung war zuvor im Flensburger Gesundheitsamt und im Klinikverbund tätig. „Die konsequenten Kontaktbeschränkungen in Flensburg haben ihre Wirkung gezeigt“, sagt der Mediziner. Click & Meet, geschlossene Schulen, die Ansprache ausländischer Einwohner in mehreren Sprachen, keine überfüllten Busse: „Der Friseurbesuch ist nicht entscheidend, sondern das, was man auf dem Weg dorthin macht“, sagt Oldenburg. So bekam die einzige Beinahe-Großstadt der Region die Lage binnen zwei Monaten rasch gut in den Griff.

In der Flensburger Fußgängerzone: "Der Friseurbesuch ist nicht das entscheidende, sondern das, was man auf dem Weg dorthin macht." Foto: Mchael Staudt

In Nordfriesland habe man neben günstigen geografischen Gegebenheit und Wohnsituationen früh Hygienekonzepte gehabt – und ein konsequent handelndes Gesundheitsamt, sagt Michael Lohmann von der Industrie- und Handelskammer in Husum. Und: Gerade an der Westküste, wo die Unternehmen meist aus Tourismus und Dienstleistung kämen, sei die Homeoffice-Quote überdurchschnittlich hoch. In der Tat bekam das Husumer Kreisgesundheitsamt große Ausbrüche wie im Klinikum und besonders auch im Schlachthof im Februar mit harten Maßnahmen rasch unter Kontrolle. 

Da wundert es nicht, dass auch Ex-Landrat Dieter Harrsen seine Nachfolger für die mutige Arbeit in der Pandemie lobt. Mit Blick auf die Bundesnotbremse auf Helgoland nach hohen Fallzahlen im Kreis Pinneberg sagt Harrsen: „Es ist nicht überzeugend, auf Sylt die Gaststätten zu schließen, wenn der Husumer Schlachthof einen Ausbruch hat.“

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