Neuer Minister

Claus Ruhe Madsen will Landespolitik mit dänischem Stil aufmischen

Claus Ruhe Madsen will Landespolitik mit dänischem Stil aufmischen

Madsen will Landespolitik mit dänischem Stil aufmischen

Martin Schulte und Christina Norden, shz.de
Kiel
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Claus Ruhe Madsen (parteilos) ist der neue Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein. Wie es dazu kam, erklärt er im Gespräch mit dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag. Foto: Marcus Brandt

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Das gab es so noch nie: Claus Ruhe Madsen ist der erste Minister ohne deutschen Pass. Wir haben den Shootingstar in Daniel Günthers Kabinett gefragt: Macht die Nationalität einen Unterschied? Madsen hat dazu einen dänischen Spruch parat.

Bundesweit bekannt wurde Claus Ruhe Madsen als Rostocks dänischer Bürgermeister mit Rauschebart - seit ein paar Tagen ist er Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein. Die ersten Arbeitstage in Kiel seien sehr intensiv gewesen, erklärt Madsen im Gespräch mit unserer Redaktion. Es gebe viele drängende Themen, die er schnell angehen will – vom Fachkräftemangel im Tourismus bis zum LNG-Terminal. „Die Chancen stehen sehr gut für Schleswig-Holstein, vielleicht so gut wie nie, aber sie müssen jetzt auch ergriffen werden.“

Sätze wie diesen sagt wahrscheinlich jeder neue Minister bei seinem Amtsantritt. Aber Claus Ruhe Madsen steht unter besonderer Beobachtung. Er ist der erste Minister in Deutschland ohne deutschen Pass. Bringt er deshalb möglicherweise einen neuen Politik-Stil mit nach Schleswig-Holstein?

Claus Ruhe Madsen hasst ein deutsches Wort ganz besonders

Zumindest in einem Punkt sieht Madsen einen großen Unterschied zwischen Dänen und Deutschen. Die Fehlerkultur in Deutschland sei schon sehr speziell. Dabei handele es sich um einen Mentalitätsunterschied.

Ein bestimmtes Wort kann der neue Wirtschaftsminister in diesem Zusammenhang überhaupt nicht leiden. Welches? Das verrät er im Interview mit Chefreporter Martin Schulte. Außerdem spricht er über sein Verhältnis zu Daniel Günther, Schleswig-Holsteins Zukunftschancen und den Ärger bei seinem Abschied aus Rostock.

Müssen die Schleswig-Holsteiner also dänischer werden?

„Nein, aber vielleicht etwas optimistischer“, entgegnet Madsen und hat sofort einen Sporuch parat:

„Wenn eine Weltwirtschaftskrise ansteht, laufen die Dänen und die Deutschen los und kaufen guten Wein. Während die Dänen ihn am ersten Abend genießen, bewahren ihn die Deutschen endlos lange auf, weil sie nicht wissen, wann sie sich wieder so guten Wein werden leisten können. Schleswig-Holstein sollte diesen Wein aber trinken, denn es hat große Chancen aus der gegenwärtigen Krise als großer Gewinner hervorzugehen.“

Herr Madsen, wie waren die ersten Tage als Wirtschaftsminister?

Sehr intensiv, das Ministerium ist ein großes Haus mit vielen unterschiedlichen Bereichen und Themen. Ich habe am Mittwoch die Mitarbeiter hier im Innenhof erstmals getroffen und kennengelernt, dabei jedem die Hand geschüttelt. Es war ein sehr herzlicher Empfang, mit offenen Armen - ich war überrascht, wie viele Menschen hier Dänisch sprechen. Und ich habe mir die ersten Themen angeschaut.

Welche Themen waren das?

Na, da gibt es einige, die gerade drängend sind. Der Fachkräftemangel natürlich, gerade auch im Tourismus. Da müssen wir schnell ran. Dann die Energiethemen, auch wenn diese nicht in mehr in meinem Ministerium angesiedelt ist. Aber wir sind zusammen mit der Bundesregierung dafür verantwortlich, dass wir hier schnell ein LNG-Terminal bauen, da bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Und dann der Infrastrukturausbau, auch die A20 und Straßenausbau, damit wir hier wirtschaftliche Großansiedlungen machen. Die Chancen stehen sehr gut für Schleswig-Holstein, vielleicht so gut wie nie, aber sie müssen jetzt auch ergriffen werden. Ich habe jetzt schon gemerkt, wie viele Unternehmen aus Skandinavien ihre Fühler nach Schleswig-Holstein ausstrecken – und die sind überwiegend viel weiter bei den grünen Technologien und in der Digitalisierung.

Ärgert es Sie, dass die Energiethemen jetzt beim grünen Koalitionspartner sind und die Reibungsverluste größer werden?

Nein, weil wir uns keine Reibung erlauben dürfen, sonst läuft uns die Zeit weg.

Ihr Name geisterte schon vor der Wahl durchs Land. Wann haben Sie erstmals mit dem Ministerpräsidenten über Ihre neue Aufgabe gesprochen?

Ich kenne ihn schon länger und wir waren immer mal wieder im Kontakt, so wie ich es auch mit anderen Ministerpräsidenten und Politikern bin. Ich schätze Daniel Günthers Politik und ich habe große Sympathien für ihn als Mensch. Deshalb habe ich sein Angebot auch in Betracht gezogen, als er mich vor anderthalb Wochen angerufen hat.

Vor anderthalb Wochen? Da existieren aber auch andere zeitliche Versionen.

Ja, ich habe davon gehört, auch schon vor Wochen in Rostock übrigens. Da hieß es dann, in Schleswig-Holstein erzählt man sich so etwas. In Schleswig-Holstein war es genau umgekehrt.

Aber am Ende stimmten die Gerüchte, dass Sie hier Wirtschaftsminister werden.

So einfach war es aber nicht. Ich habe mir einige Tage Auszeit genommen, bevor ich zugesagt habe. Ich habe immerhin ein Vierteljahrhundert in Rostock gelebt, dort mehrere Unternehmen aufgebaut, eine Handballmannschaft trainiert, ein wohltätiges Radrennen etabliert. Ich war dort sechs Jahre Präsident der Industrie- und Handelskammer, ehrenamtlich übrigens und bin dann sehr überraschend als Parteiloser zum Bürgermeister gewählt worden. Rostock ist meine Stadt und mein Leben. Das lässt man nicht einfach hinter sich.

Und doch haben Sie genau das getan.

Ja, aber es war extrem schmerzhaft, zu gehen. Nicht politisch, aber menschlich. Ich bin als Bürgermeister gewählt worden und gehe jetzt nach der Hälfte der Zeit, das fällt mir nicht leicht. Ich werde auch eine Wohnung in Rostock behalten. Dass mir jetzt einige Menschen Dinge hinterherrufen, die nicht freundlich sind, ist wohl normal. Die einen freuen sich, dass ich gehe, andere sind traurig. Aber man muss auch nicht alles schlecht machen, was gut war. Ich habe Rostock bundesweit sehr bekannt gemacht und einige Dinge angeschoben, die in Zukunft erst ihre positive Wirkung zeigen werden.

Das ist einer der Punkte, die man immer wieder über Sie liest: Dass Sie viele Ideen haben, aber zu wenige davon umsetzen.

Was vermutlich daran liegt, dass es Zeit braucht, bis sich Dinge entwickeln. Ich habe an vielen Stellen neue Denkweisen in die Stadt gebracht, folglich ist noch Vieles in der Umsetzung. Und vergessen Sie nicht, dass ich parteiloser Bürgermeister war und in Land und Stadt und Verwaltung auf starke politische Kräfte getroffen bin, die alle ihre eigenen Interessen und ihre Agenda durchsetzen wollten. Ich war frei, die anderen oft nicht.

Das Problem haben andere Bürgermeister auch.

Das stimmt. Aber nochmal: Rostock ist auf einem guten Weg, wir haben zum Beispiel einen bundesweiten Wettbewerb gewonnen, der sich Smart City nennt und Millionen für die Digitalisierung bringt. Und dass alles während der Corona-Pandemie, bei der wir 2500 Mitarbeiter ins Home-Office geschickt haben, von denen lediglich 50 externe Zugänge in die Verwaltung hatten. Da haben wir teilweise die Laptops aus den Schulen geholt, damit wir arbeiten konnten.

Und die Bundesgartenschau, die Sie unter großem Protest abgesagt haben?

Die konnten wir uns nicht mehr leisten. Alles ist teurer geworden, die Materialien, die Energie, die Handwerkerstunden, die Gutachten, die wir brauchten. Irgendwann kam der Punkt, an dem klar war, das können wir nicht mehr machen, das würde alles auf Kosten der Stadtentwicklung gehen. Zumal niemand weiß, wie lange die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg noch dauern. Ich bin nur zu früh mit der Entscheidung rausgegangen, hätte ich gewartet, wäre die Zustimmung viel größer gewesen, denn mittlerweile waren die Gaskosten in vier Wochen um 70 Prozent gestiegen. Aber so sind wir Dänen, wir taktieren da nicht.

Was können wir Deutschen denn noch von den Dänen lernen?

Ich glaube, es ist wichtig gegenseitig voneinander zu lernen und die Mentalität des anderen zu verstehen. Aber die Fehlerkultur in Deutschland ist schon sehr speziell, da sind die Dänen anders. In Deutschland meldet immer jemand Bedenken an. Wenn ich das schon höre, das ist mein Lieblings-Hasswort in Deutschland geworden, damit ziehen sich immer wieder Menschen aus der Verantwortung. Wir fordern alle eine agile Verwaltung, die darf dann aber möglichst keine Fehler machen. Das geht aber nicht: Wer Fehler macht, der setzt wenigstens was um. Die Dänen denken mehr in Lösungen als in Problemen, das ist wirklich ein Mentalitätsunterschied.

Haben Sie ein Beispiel?

Ja, den Fehmarnbelt-Tunnel. In Dänemark wurden schon Berufsschulen in der Region aufgebaut, damit die Berufe, die dort in der Region gebraucht werden, auch vorhanden sind. Und hier diskutieren wir immer noch über das Projekt als solches.

Also müssen die Schleswig-Holsteiner dänischer werden?

Nein, aber vielleicht etwas optimistischer. Es gibt einen Spruch in Dänemark: Wenn eine Weltwirtschaftskrise ansteht, laufen die Dänen und die Deutschen los und kaufen guten Wein. Während die Dänen ihn am ersten Abend genießen, bewahren ihn die Deutschen endlos lange auf, weil sie nicht wissen, wann sie sich wieder so guten Wein werden leisten können. Schleswig-Holstein sollte diesen Wein aber trinken, denn es hat große Chancen aus der gegenwärtigen Krise als großer Gewinner hervorzugehen.

Sie sind wieder dichter an Ihre Heimat gezogen. Wo sind Sie in drei Jahren?

Ich würde mich sehr freuen, wenn ich dann immer noch in meinem Kieler Ministerbüro sitze und wir alle in einem deutlich grüneren Industrieland Schleswig-Holstein leben. Aber wir Dänen klammern uns an nichts für die Ewigkeit, wir sind sehr neugierig und packen Herausforderungen an.

Wäre eine solche Herausforderung auch ein politisches Amt in Ihrem Heimatland?

Nein, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Aber als ich vor 30 Jahren im Zug von Dänemark nach Rostock saß, mit nichts dabei außer einer Tasche, ein paar Basketballstiefeln und 400 Euro, hätte ich auch nie gedacht, dass ich eines Tages in Deutschland Bürgermeister oder Minister werden würde.

 

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