Coronavirus

Infektion bereitet sich in Europa aus

Infektion bereitet sich in Europa aus

Infektion bereitet sich in Europa aus

dpa/Ritzau/hm
Berlin/Kopenhagen
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Die dänische Gesellschaft der Hausärzte (Dansk Selskab for Almen Medicin) hat ein Plakat an Krankenhäuser verschickt, das Patienten auffordert, bei Infektionsverdacht mit dem Coronavirus zuerst einen Arzt telefonisch zu kontaktieren. Foto: Ida Marie Odgaard/Ritzau Scanpix

Die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus wird in Europa realer. Der Ton ändert sich, und ein Arzt aus Nordschleswig rechnet mit mehr Anrufen in Sachen Coronavirus.

Fakten und Schutzmaßnahmen

Der Virus Sars-CoV-2 kann die Lungenkrankheit Covid-19 verursachen. 15 von 100 Infizierten erkrankten schwer, sagte der Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI) am Donnerstag. Nach bisherigen Zahlen sterben ein bis zwei Prozent der Infizierten, was mehr als bei der Grippe sind. Das Virus verbreitet sich durch Tröpfcheninfektion etwa beim Husten und Sprechen. Eine Ansteckung über Oberflächen gilt weiter als unwahrscheinlich. Das gilt für Lebensmittel ebenso wie für andere Waren. Regelmäßig gründliches Händewaschen gilt als der beste Schutz. Anders als bei der Grippe gibt es weder einen Impfstoff noch speziell zugeschnittene Medikamente.

Nach neuen Krankheitsfällen, hervorgerufen durch den Coronavirus, steht Deutschland dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zufolge am Beginn einer Epidemie. Zusammen mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) richtete er einen Corona-Krisenstab ein.

Mittlerweile hat auch Dänemark seinen ersten Infizierten. Dies teilte das dänische Gesundheitsministerium am Donnerstagmorgen mit. Der Patient, ein Mitarbeiter des Senders TV2, war mit seiner Familie in Italien. Die Familie befindet sich nun zu Hause in Quarantäne. Der Mann ist infiziert, seine Frau und seine beiden Kinder nicht – Stand Donnerstag.

Nordschleswig: Arzt rechnet mit mehr Nachfragen

Hans Iver Kley, Arzt in Hadersleben, berichtet von einem Anruf eines Patienten, der unsicher war, ob er sich im Urlaub angesteckt haben könnte – was sich, so Kley, bei näherer Betrachtung  als unbegründet erwies. Er geht aber davon aus, dass Nachfragen besorgter Patienten zunehmen werden. „Das wird mehr füllen", so Kley und erläutert:  „Der Virus ist neu, die Menschen kennen die Krankheit noch nicht und müssen lernen, mit ihr umzugehen". Kley verweist auf die 1.000 Todesopfer jährlich, die an der Grippe sterben, er sieht aber auch, dass der neue Virus vor allem für geschwächte Menschen gefährlich werden kann.

Regierungschefin beruft Sicherheitsausschuss ein

Laut Ministerium muss die Familie nicht im Krankenhaus behandelt werden. Die Behörde für Patientensicherheit will täglich eine Kontrolle durchführen und sucht nach Personen, die in engem Kontakt zur Familie waren. Das Universitätskrankenhaus Aarhus und andere Institutionen weisen darauf hin, dass Personen, die selbst den Verdacht haben, infiziert zu sein, nicht Krankenhäuser aufsuchen, sondern ihren Hausarzt oder die ärztliche Hotline (lægevagten) anrufen sollten. Staatschefin Mette Frederiksen (Sozialdemokraten)  kündigte während eines Besuches in Sonderburg an, den Sicherheitsausschuss einzuberufen, um Maßnahmen gegen eine Ausbreitung des Virus zu koordinieren.

Wirtschaftliche Folgen

Dänische Unternehmen kündigten an, ihre Niederlassungen weltweit  für Gäste zu schließen. Danfoss schickt Mitarbeiter, die sich in Gegenden aufgehalten haben, in denen der Virus grassiert, für 14 Tage nach Hause. Und für die Mitarbeiter von Abena – einem internationalen Unternehmen, das Medizin- und Gesundheitsprodukte herstellt mit Stammsitz in Apenrade/Aabenraa – sind es zurzeit anstrengende Arbeitstage, wie der geschäftsführende Direktor Erik Barsøe Bohsen erklärt. Mundschutzmasken, die in China produziert werden, können nicht geliefert werden. Um die Kunden zu bedienen, müssen Lieferanten in anderen Ländern gefunden werden. Die Nachrichtenagentur Ritzau meldet, dass sich der Marktwert der norwegischen Fluggesellschaft Norwegian seit Freitag halbiert hat – obwohl die Fluggesellschaft selbst  von den Folgen der Virusverbreitung nicht betroffen ist.

Europa: 500 Infizierte, 14 Tote

Der Coronavirus ist nach den bisher bekannten Zahlen dem deutschen Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge tödlicher als die Grippe. Um wieviel höher die Sterberate sei, sehe man erst nach dem Ende der Epidemie, sagte Institutschef Lothar Wieler am Donnerstag in Berlin. Das RKI ist die leitende Bundesbehörde für Infektionskrankheiten. In mindestens 15 europäischen Ländern gibt es inzwischen Fälle, 14 Tote wurden gezählt bei etwa 500 Infizierten, wie es vom europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hieß.

Bundesgesundheitsminister spricht von „zweiter Phase"

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn spricht laut Deutscher Presseagentur von einer möglichen „nächsten Phase“, in der aufgrund der Vielzahl an Personen nicht mehr möglichst alle Kontaktpersonen ermittelt werden können.

RKI-Präsident: Kontrollverlust denkbar

Laut RKI-Präsident Lothar Wieler würden die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus so stringent geführt, wie es möglich sei. Die Lage sei noch nicht außer Kontrolle. Der Verlust der Kontrolle sei aber denkbar. Laut tagesschau.de mahnte er im Rahmen einer Pressekonferenz zur Besonnenheit. Wichtig sei es, dass sich jeder an die Schutzmaßnahmen halte.

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