Leitartikel

„Alleingang ins Abseits“

Alleingang ins Abseits

Alleingang ins Abseits

Nordschleswig/Apenrade
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Zwölf europäische Spitzenklubs wollen ihre eigene Super League gründen. Doch auch im kommerziellen Fußballgeschäft gibt es noch einen Begriff wie Solidarität, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Selten hat eine Fußball-Nachricht so hohe Wellen geschlagen wie die Mitteilung zwölf europäischer Spitzenklubs, dass sie ihre eigene Liga gebildet haben. Ein Klub der Reichen, sozusagen, zu dem nicht alle Zugang haben.

Aus Fußball-Europa hagelte es Kritik, nicht nur aus den Klubs, die nicht eingeladen worden waren, sondern auch aus der Politik, vor allem aber aus der Fanszene. Der Tenor ist eindeutig: Der Alleingang ist ein Zeichen von Gier. Die reichsten Klubs der Welt wollen noch mehr Geld, doch damit haben sie den Bogen deutlich überspannt.

United, Real, Juventus und Co. – es sind übrigens nur Klubs aus Italien, England und Spanien – kehren damit auch der Solidarität den Rücken. Obschon es ein Paradox ist, im durch und durch kommerzialisierten Fußball-Geschäft von Solidarität zu reden. Der europäische Fußball ist allerdings ein zusammenhängendes Öko-System, in dem kleine und große Klubs aus kleinen und großen Fußballnationen Platz finden.

Trotz des Geldes herrscht hier zumindest noch ein wenig Fußball-Romantik. Das ist der Reiz der heutigen Konstruktion, dass nicht nur die Reichen oben an der Spitzen spielen, sondern dass manchmal eben auch eine Sensation lauert, wenn die großen Klubs über die Kleinen stolpern. In der neuen Konstruktion ist dies ausgeschlossen – auch für eine Fußballnation wie Dänemark wäre die Super League ein unerreichbares Paradies, wo neben Milch und Honig die Milliarden fließen.

Seit 1954 ist der europäische Fußball in der UEFA vereint, doch nun droht die Fußball-Familie auseinanderzubrechen. Auf die Nachricht folgten Drohungen, der Alleingang könne Konsequenzen haben: Bis hin zum Rausschmiss aus der Champions League der UEFA oder der Nationalelf-Quarantäne für Spieler der zwölf Klubs.

Was genau passieren wird, bleibt abzuwarten, aber es geht um Macht und Geld. Die UEFA hatte bisher beide Zügel fest in der Hand, doch nun versuchen die Ausreißer, die Macht an sich zu reißen. Dass sie sich dabei Kritik von der UEFA und anderen Klubs einhandeln würden, hatten die zwölf Klubs sicherlich auf der Rechnung.

Dass aber auch die eigenen Fans – und zum Teil auch einige Spieler – mit ihren Klubs abrechnen, ist zumindest ein Zeichen für andere Spitzenvereine – zum Beispiel Dortmund und Bayern –, es sich zweimal zu überlegen, bevor sie sich der nicht so Super League anschließen. Schuld an dieser Misere hat jedoch auch die UEFA, die die Signale dieser Klubs zu lange überhört und unterschätzt hat und keine Lösung gefunden hat.

Die Lösung? Vielleicht liegt sie wirklich bei den Fans, wenn sie einen gemeinsamen Aufstand zustande bringen. Das könnte die Rettung für den europäischen Fußball sein – und auch ein Neuanfang bei der Frage, für wen der Fußball eigentlich da ist.

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