Soziales

Von wegen wegsehen: Die Menschen greifen bei Gewalttaten ein

Von wegen wegsehen: Die Menschen greifen bei Gewalttaten ein

Von wegen wegsehen: Die Menschen greifen bei Gewalttaten ein

Kopenhagen
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Menschenmenge
In neun von zehn Fällen helfen die Menschen einander, wenn es im öffentlichen Raum zu Konflikten kommt, zeigt eine internationale Studie. (Symbolbild) Foto: Anna Dziubinska/Unsplash

Eine neue aufmunternde Studie widerspricht dem Mythos, der moderne Mensch sehe lieber weg, anstatt zu helfen, wenn andere im öffentlichen Raum Gewalt ausgesetzt werden. Das Gegenteil ist demnach der Fall.

Wir leben in einer ichbezogenen Gesellschaft voller ängstlicher Narzissten, die beim kleinsten Anzeichen von Gefahr für das eigene Wohl und Wehe den Blick abwenden – und am liebsten verduften würden.

Dass dieses so oder ähnlich weit verbreitete Negativbild unserer modernen Gesellschaft ein Vorurteil ist, dass nicht unbedingt auf der Wahrheit fußt, zeigt eine neue internationale Untersuchung mit dänischer Beteiligung, berichtet „Videnskab.dk“.

In neun von zehn Fällen helfen Fremde einander

Die Forscher haben Überwachungs-Aufnahmen von Auseinandersetzungen auf in den Straßen dreier verschiedener Ländern untersucht. In neun von zehn Fällen haben Fremde eingegriffen, sind zur Hilfe gekommen.

„Das ist ein guter Impfstoff gegen die übertrieben pessimistische Vorstellung, dass die Zuschauer passiv sind. In 90 Prozent der Fälle mischen die Leute sich ein und das ist eine wichtige Schlussfolgerung, die breite Aufmerksamkeit verdient“, sagt Don Weenink vom Institut für Soziologie an der Universität Amsterdam zu „Videnskab.dk“.

Er hat an der Studie nicht mitgewirkt, sie aber für das Online-Newsportal ausgewertet.

Fremde wichtiger Teil der Gewaltprävention

Die Leute würden nicht nur auf ihr Smartphone glotzen, sagt Marie Rosenkrantz Lindegaard, Leiterin der Forschungsgruppe hinter der Studie. Gerade Fremde spielten eine wichtige Rolle bei der Konfliktprävention im öffentlichen Raum, so die Forscherin vom Soziologischen Institut an der Uni Kopenhagen.

Die dänische Gruppe hat mit Forschern der Universität Lancaster und dem niederländischen Institut für Kriminologie zusammengearbeitet und das Ergebnis in „American Psychologist“ publiziert.

219 Konflikte in Amsterdam, Lancaster und Kapstadt wurden untersucht. Überall liegt die Quote der Eingriffe Fremder bei neun von zehn – insgesamt 90.9 Prozent. In den meisten Fällen wird versucht, die Konfliktparteien voneinander zu trennen.

Auf dem Land möglicherweise noch höhere Hilfsbereitschaft

Lindegaard unterstreicht, dass es sogar in der südafrikanischen Metropole Kapstadt, in der es im Täglichen häufig zu Gewalt komme, eine große Hilfsbereitschaft Fremder gibt, die auf demselben Level wie das in England oder den Niederlanden liegt.

Wahrscheinlich liege es an allgemeingültigen Arten, wie Menschen Konflikte lösen, sagt sie. In Ausnahmesituationen „fallen wir Menschen vielleicht in basale Reaktionsmuster zurück“, vermutet sie. Es sei aber noch nicht erforscht, ob Menschen auf dem Lande ähnlich reagieren, wie Menschen in Großstädten.

Weil soziale Bindungen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Menschen sich in Konflikte einmischen, könnte die Hilfsbereitschaft auf dem Lande noch höher sein als in den Städten, sagt sie.

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Leitartikel

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
„Europäischer Erdrutsch“