Leitartikel
„Vorfahrt für Grün?“
Vorfahrt für Grün?
Vorfahrt für Grün?
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Staatsministerin Mette Frederiksen bezeichnet sich jetzt als ebenso „grün“ wie „rot“. Ob das mehr als nur Vorgeplänkel des Wahlkampfes ist, wird sich schon bald bei der Umsetzung der längst überfälligen CO₂-Steuer zeigen, meint Walter Turnowsky.
Wenn am Waldboden das erste Grün hervorsprießt, ist es ein Zeichen, dass der Frühling naht. Ergrünen Politiker, so dürfen Bürgerinnen und Bürger das getrost als Wetterzeichen für eine kommende Wahl deuten.
Das Phänomen kann man bereits seit Jahrzehnten beobachten, und ebenfalls zu beobachten ist, dass die zarten grünen Blätter in der prallen Sonne des politischen Alltagsgeschäfts häufig schnell verdorren.
Den Standpunkt, den Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) am Sonntag in „Politiken“ veröffentlicht hat, können wir getrost der Kategorie „Wahlvorbereitung“ zuordnen. Ganz gleich, ob sie eine Wahl noch in diesem Frühling durchzieht, oder langfristig eine Wahl zum spätest möglichen Termin im kommenden Jahr plant, ist das Ziel klar: Die jüngeren Wählerinnen und Wähler, die den Sozialdemokraten bei den Kommunalwahlen vor allem in den großen Städten in Scharen davongelaufen sind, sollen zurückgewonnen werden.
Vor einigen Jahren erklärte Frederiksen, sie sei rot, bevor sie grün sei. Doch nun habe sie ihre Meinung geändert, das Grüne sei für sie nicht mehr sekundär, versichert sie uns.
Wobei bereits die Formulierung „nicht mehr sekundär“ Zweifel aufkommen lassen, ob die Regierungschefin tatsächlich den Ernst der Klimakrise begriffen hat.
Sie zählt in ihrem Standpunkt die Umwelt- und Klimainitiativen auf, die während ihrer Amtszeit bislang durchgeführt worden sind. Dabei unterschlägt sie geflissentlich, dass vieles bislang nur Absprachen sind, nicht bereits erreichte Reduktionen beim Ausstoß von Klimagasen.
Der Klimarat, der die Regierung als unabhängiges Organ berät, formulierte in seinem jüngsten Bericht vom Februar 2021 eine unmissverständliche Kritik der geführten Politik: Trotz Klima-Vereinbarungen habe die Regierung nicht veranschaulichen können, dass das Ziel einer 70-Prozent-Reduktion 2030 erreicht werden wird.
Das Reduktionsziel war übrigens, das muss selbst Frederiksen in ihrem Standpunkt eingestehen, keine Erfindung der Sozialdemokraten, sondern sie wurden während der Regierungsverhandlungen von den Unterstützerparteien dazu gedrängt.
Auch seither musste die sozialdemokratische Regierung in der Klimafrage von den Unterstützerparteien zum Jagen getragen werden.
Die bisher geführte Regierungspolitik war deutlich rot, bevor sie grün war. Die Arne-Rente wurde bereits vor eineinhalb Jahren beschlossen, die CO₂-Steuer für die Industrie soll erst jetzt verhandelt werden. Gegen dieses, von so gut wie allen Experten als effektivstes eingestufte Instrument, hatten sich die Sozialdemokraten zunächst gewehrt.
Will Frederiksen beweisen, dass sie sich tatsächlich zur grünen Paula gewandelt hat, muss sie eine breite Vereinbarung über die Klimasteuer zügig und vor einer möglichen Wahl landen. Dabei ist alles andere als egal, welches Modell, von den dreien, die eine Expertengruppe vorgeschlagen hat, gewählt wird.
Gibt es allzu viele reduzierte Steuersätze für große Emittenten, wird das Instrument stumpfer. Dabei sollte man vor allem beobachten, wie die Steuer für die größte CO₂-Schleuder des Landes, der Zementfabrik Aalborg Portland, aussehen wird.
Gestattet Frederiksen dem Werk in ihrer Heimatstadt allzu große Rabatte, werden ihr die klimabewussten Wählerinnen und Wähler die späte grüne Einsicht kaum abnehmen.
Der ehemalige Vorsitzende der britischen Labour-Partei sagte vergangen Sommer, die größte Problem seien nun nicht mehr die Klimaleugner, sondern die Klimazögerer.
Es liegt nun an der dänischen Staatsministerin zu beweisen, ob sie Teil des Problems oder Teil der Lösung sein möchte.