Corona-Krise

Analyse: Der Anfang vom Ende?

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Kopenhagen
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Søren Brostrøm möchte künftig eine weniger prominente Rolle in unserem Alltag spielen. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

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Auf einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche kündigte Søren Brostrøm an, dass die Gesundheitsbehörde sich aus unserem Privatleben zurückziehen wird. Er betonte zwar, dass die Epidemie noch nicht überwunden sei. Doch kündigte er eine Rückkehr in einen Alltag, der auch mehr Konflikte bringen wird, an, so die Einschätzung von Walter Turnowsky.

Seit fast zwei Jahren ist der Direktor der Gesundheitsbehörde, Søren Brostrøm, regelmäßiger Gast in unseren Wohnzimmern. Doch seine Besuche werden zukünftig seltener werden, kündigte er am vergangenen Dienstag bei einer Pressekonferenz an. Vor allem aber werde er in geringerem Maße sagen, was wir tun und lassen sollten.

Eigentlich ging es bei der Konferenz um die Lockerung der Maßnahmen, aber der „Corona-General“ ging nur zum Teil auf die konkrete Situation hier und jetzt ein. Er zog Bilanz und gab seine Einschätzung ab, wie die Zukunft aussehen wird.

Jetzt ziehen wir uns zurück.

Søren Brostrøm, Direktor der Gesundheitsbehörde

Bereits seine ersten Worte klangen ein wenig wie eine Art Abschiedsrede, zumindest von seiner Rolle als General: „In diesen Tagen habe ich selbst mein zweijähriges Jubiläum mit Covid-19. Um diese Zeit, im Januar 2020, bekamen wir die ersten Benachrichtigungen über das neue Virus von der WHO (…). In diesen zwei Jahren erlebte ich keine wache Stunde, in der ich mich nicht mit diesem Virus befasst habe.“

Keine detaillierten Vorschriften mehr

Er sprach über den Dialog mit Presse und Bevölkerung, über zwei wilde Jahre mit Achterbahnfahrten, wie zuletzt beim Auftauchen der Omikron-Variante. Er erwähnte die Verunsicherungen und emotionalen Belastungen, die viele Menschen erlebt haben; doch auch, dass mit Omikron die Infektionszahlen nicht mehr so eng an Krankheit und Tod und damit die Angst davor gekoppelt seien.

 

Und dann kam er auf das zu sprechen, auf das es ihm vor allem ankam: „Wir müssen uns als Gesundheitsbehörde zurückziehen und weniger normativ (mit Regeln, Red.) in die Gesellschaft eingreifen, als wir es zwei Jahre lang getan haben,  gezwungen waren, es zu tun. Jetzt ziehen wir uns zurück.“

Erste Schritte in diese Richtung sei die Gesundheitsbehörde bereits vor Weihnachten gegangen: Im Gegensatz zum Vorjahr hat sie keine detaillierten Empfehlungen ausgesprochen, wie wir das Fest begehen sollten.

Diskussionen in der Gesellschaft

Und auch wenn Brostrøm sehr deutlich machte, dass wir die Epidemie in keiner Weise abblasen können, so ist klar: Nun liegt es an uns. Als mündige Bürgerinnen und Bürger müssen wir entscheiden und auch darüber diskutieren, wie ein verantwortungsbewusster Umgang mit der Situation aussehen soll. Was nicht unbedingt einfach wird.

„Wenn wir als Gesundheitsbehörde nicht mehr so präsent sind und uns etwas aus eurem Privatleben und eurem Heim zurückziehen, bedeutet das dann auch, dass man selbst die Diskussionen in der Gesellschaft führen muss“, so der Gesundheitsdirektor.

Das Maßband wird abgeschafft

Diese werde vermutlich zu einer größeren Auseinandersetzung und Polarisierung zwischen jenen, die weiterhin viel Angst in sich tragen und jene, die eine schnelle Rückkehr in den Alltag ersehnen, mit sich führen. Brostrøm rief zu einer sachlichen Diskussion auf.

„Im Grunde bedeutet das, dass, wenn wir als Gesundheitsbehörde bezüglich des sehr konkreten Verhaltens aus eurem Privatleben verschwinden, wir zu einer normalen dänischen Gesellschaft zurückkehren, in der es unterschiedliche Meinungen und unterschiedliche Grade der Besorgnis gibt. Es wird nicht so sein, dass man zu einem Treffen im Café ein Maßband mitnimmt, um zu überprüfen, ob man zwei Meter Abstand einhält.“

Die Zukunft, die uns erwartet, wird also wohl normaler, aber eben auch konfliktreicher als bisher werden. Das wird von uns allen verlangen, und das ist meine, nicht Brostrøms, Einschätzung, dass wir auch in unseren Köpfen in einen Normalzustand zurückkehren müssen.

Ein schwieriger Weg

Das bedeutet in meinem Verständnis, dass wir anderen Meinungen und Gesichtspunkten mit größerer Gelassenheit begegnen müssen, als es zum Teil während der vergangenen zwei Jahre der Fall war. Und das gilt auf allen Seiten der Debatte. 

Es wird nicht ganz einfach werden, denn das Coronavirus ist ja noch immer unter uns. Und wie die Entwicklung gezeigt hat, ist es für so manch eine unangenehme Überraschung gut.

Denn auch das verdeutlichte Brostrøm, im Gegensatz zu Krankheiten wie Pocken und Polio, werden wir Covid-19 nicht mithilfe von Impfstoffen ausrotten können.

Das bedeute auch, dass wir weiterhin Erkrankungen und Todesfälle aufgrund des Virus erleben werden. So wie Menschen, insbesondere ältere Menschen, auch an einer Grippeerkrankung sterben. In beiden Fällen können Impfungen vorbeugen, aber eben nicht alles verhindern.

In dieser neuen Wirklichkeit, so eigentlich die Kernaussage bei der Pressekonferenz, werden wir lernen müssen zu navigieren. Nicht auf einen Schlag von heute auf morgen, aber, behält Søren Brostrøm recht, im Laufe der kommenden Wochen und Monate.

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