Diese Woche in Kopenhagen

„Kein Lächeln in der Kriegszone“

Kein Lächeln in der Kriegszone

Kein Lächeln in der Kriegszone

Kopenhagen
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Ist vor 20 Jahren nach der Niederlage der Taliban eine goldene Chance verpasst worden? Mit dieser Frage befasst sich Walter Turnowsky, der meint, wir sollten aus der afghanischen Tragödie lernen.

Die bildende Künstlerin Simone Aaberg Kærn las, nachdem das Taliban-Regime in Afghanistan gefallen war, einen Artikel über die Hoffnungen von jungen Menschen im Lande.

Ein 16-jähriges Mädchen, Farial Habib, erzählte, sie möchte Flugzeuge lenken. Kærn, selbst begeisterte Amateur-Pilotin, sah nach dem Ende des grausamen Regimes ein Fenster der Möglichkeiten.

Um dies rechtzeitig zu nutzen, machte sie sich schnell mit einer einmotorigen Propellermaschine von Roskilde nach Kabul auf und fand dort Farial. Der Gesichtsausdruck der jungen Frau, als sie das Steuer des kleinen Flugzeugs übernimmt, hat der Dokumentation über die Aktion ihren Namen verliehen: Smiling in a Warzone.

In diesen Wochen werden junge Frauen in Afghanistan nur selten Grund zum Lächeln haben. Die Taliban sind auf rasantem Vormarsch.

Bereits im Juli schrieben Vertreterinnen des Dänisch-Afghanischen Frauen- und Diasporaforums in „Politiken“, sie würden erneute Unterdrückung von Frauen befürchten. Androhung von Strafen wie Auspeitschungen und Steinigungen gehörten für diese damals jungen Frauen zur Tagesordnung, als die Taliban an der Macht waren.

Insgesamt müssen alle, die offen für einen anderen Weg als den der religiösen Extremisten eintreten, um ihr Leben fürchten. Dies gilt vor allem auch für jene, die für die alliierten Streitkräfte gearbeitet haben.

Nun hat die dänische Regierung, nach Druck durch andere Parteien und Militärchefs, sich dazu durchgerungen, ungefähr 45 afghanische Bedienstete des dänischen Staates und ihre Familien nach Dänemark zu evakuieren. Lächelnd haben Außenminister Jeppe Kofod (Soz.) und Verteidigungsministerin Trine Bramsen (Soz.) die politische Absprache am Mittwochabend vorgestellt.

Es ist wohl das Mindeste, was man tun sollte. Dolmetscher, die von amerikanischen oder britischen Agenturen angeheuert wurden, aber für das dänische Militär gearbeitet haben, sind von der Absprache nicht umfasst.  

Auch Menschen wie die Frauenrechtlerin Gulalei Sherzad werden nicht evakuiert. Sie hat in der Handelsstadt Gereshk von dänischer Seite unterstützte Projekte für Frauen und Mädchen geleitet, jedoch dafür nie Lohn verlangt. Bei öffentlichen Versammlungen hat sie, wie „Politiken“ berichtet, die Anwesenheit der dänischen Truppen verteidigt. Nun muss sie sich an einem geheimen Ort aufhalten.

Doch ganz gleich wie viele wir aus Afghanistan in den Westen lassen, so wird die Mehrheit der Bevölkerung der Unterdrückung und der Gewalt der Taliban ausgesetzt werden. Denn ihr Vormarsch scheint nicht zu stoppen zu sein.

Bevor ein weiteres Mal Fighterjets in die Luft geschickt werden, sollte die Frage beantwortet werden, was nach den Bomben kommt.

Walter Turnowsky

Dies führt mich zu Simone Aaberg Kærns „Fenster der Möglichkeiten“ zurück. Denn seit Jahren geht mir die Frage nicht aus dem Kopf, ob wir dieses Fenster fahrlässig sich schließen ließen. Haben wir nach dem vermeintlichen militärischen Sieg, uns schnell und energisch genug dem Aufbau einer zivilen Gesellschaft gewidmet?

Was wäre gewesen, wenn wir die ganzen Ressourcen, die in den Irak-Krieg gesteckt wurden, in Afghanistan verwendet hätten?

Es mag müßig erscheinen, diese Fragen nach so vielen Jahren noch zu diskutieren. Denn nun scheint das Fenster in Afghanistan nachdrücklich zugeschlagen zu sein. Auch kann die Frage nicht beantwortet werden, ob ein energischerer Einsatz in dem von Kriegen geplagten Land tatsächlich langfristig etwas geändert hätte.

Wenn es mir dennoch wichtig erscheint, dies zu thematisieren, dann deshalb, weil wir aus der afghanischen Tragödie lernen sollten. Bevor ein weiteres Mal Fighterjets in die Luft geschickt werden, sollte die Frage beantwortet werden, was nach den Bomben kommt. Welcher Einsatz ist notwendig, um die erwünschten Ziele zu erreichen?

Demokratie und Menschenrechte, das zeigt die jüngere Geschichte, lassen sich nicht herbeibomben. Die Bomben können jedoch im glücklichsten Fall eine Möglichkeit öffnen, indem sie ein despotisches Regime entfernen.

Doch danach braucht es sehr schnell einen Marschallplan für einen Neuanfang. Wir müssen uns, im übertragenen Sinn, in viele kleine Flugzeuge setzen, um jungen (und auch, nicht ganz so jungen) Menschen den Traum vom Fliegen zu erfüllen.

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