Diese Woche in Kopenhagen

„Was ein kleines Teufelchen über die bösen Bildschirme zu sagen hat“

Was ein kleines Teufelchen über die bösen Bildschirme zu sagen hat

Was ein Teufelchen über die bösen Bildschirme zu sagen hat

Kopenhagen
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Zu viel Bildschirm ist für Kinder und Jugendliche nicht gut, ist derzeit allerorts in den dänischen Medien zu lesen. Walter Turnowsky möchte dem gerne zustimmen, aber eine lästige Stimme quasselt ihm dauernd dazwischen.

Zu viel Handy, zu viel Tablet, zu viel Smartboard: Das ist ganz, ganz schlecht für Kinder und Jugendliche. Es sind weniger die Spatzen, die das von den Dächern pfeifen als vielmehr einige selbst ernannte und tatsächliche Expertinnen und Experten.

Allerdings sitzen sie nicht auf dem Dach, sondern pfeifen in diversen Nachrichtenmedien die Melodie von ihren Sorgenfalten. Wobei von Pfeifen kaum noch die Rede sein kann; die Lautstärke ist wesentlich höher.

Und damit wären wir auch schon bei meinem ersten Geständnis angekommen: Wenn allzu deutlich und einstimmig gepfiffen wird – ob nun von Fachleuten oder anderen Menschen – dann taucht bei mir ein kleines Teufelchen auf der einen Schulter auf, das lästige Fragen stellt. So nach dem Tenor: Ist das nun wirklich so?

Das Teufelchen stellt sich vor

Und wenn es bei diesen selbstsicheren Ansichten um Jugendliche geht, können es auch schon mal zwei Teufelchen sein. Das ist bereits seit meiner Jugend so.

Womit wir bei meinem zweiten Geständnis angelangt sind: Ich bin weder Pädagoge noch Psychologe und Gehirnforscher schon gar nicht. Auch habe ich keine Kinder. Wenn du also jetzt denkst: „Der hat ohnehin keine Ahnung“, dann schiebe getrost diese Kolumne beiseite und wende dich anderen Artikeln im „Nordschleswiger“ zu.

Ich dagegen werde das Teufelchen bitten, einen Moment die Klappe zu halten, damit ich zurückverfolgen kann, wie und wann die Diskussion in Dänemark über die für Kinder schädlichen Bildschirme Fahrt aufgenommen hat. Dabei stolpere ich über einen Artikel vom 22. Januar in „Politiken“, in dem Unterrichtsminister Mattias Tesfaye (Soz.) die Schulen dazu auffordert, weniger am Bildschirm und mehr analog zu unterrichten. Er berichtet, dass er die Smartphones seiner eigenen Kinder versteckt, damit sie nicht am Schirm kleben.

„Wie können die Erziehungsprobleme eines Politikers eine vernünftige Grundlage für eine Politik sein“, funkt mir das Teufelchen dazwischen.

Erinnerungen an den analogen Unterricht

Ich versuche, es zu beruhigen, und erkläre, dass ich noch weitere Recherchen zur Schädlichkeit der Bildschirme anstellen werde. Aber ganz so leicht ist das mit dem Beruhigen nicht.

„Du hast doch selbst ausschließlich analogen Unterricht erlebt. Das waren zum Teil bereits zerrissene Landkarten, die man runterrollen konnte, die die Grenzen vor 1945 zeigten, Schulbücher mit überholten Informationen und vergilbte Overheads (sollten sich Leserinnen und Leser, die nach 1980 geboren sind, so weit in diese Kolumne hineinverirrt haben, dann googelt bitte, was ein Overhead ist“, brabbelt das Teufelchen.

Ich dagegen stöbere, unbeirrt von den wiederholten Zwischenrufen, weiter und entdecke in „Berlingske“ einen Artikel, in dem ein Lehrer, der seit 40 Jahren unterrichtet, erzählt, er habe eine zunehmende Konzentrationsschwäche bei den Kindern festgestellt, seit iPads und Laptops den Einzug in den Unterricht hielten. Das gemeinsame Lernen und die Vertiefung würden untergraben; Oberflächlichkeit und individuelles Scrollen würden es verdrängen.  

„Aber das sind doch alles anekdotische Informationen. Außerdem kann ja sein, dass er nicht mit der Zeit gegangen ist und langweiligen Unterricht macht.“

Du bist zwar nicht gerade der Schlaueste geworden, aber immerhin kommst du zurecht, und am Fernsehen wird es schon nicht gelegen haben.

Teufelchen

Hier muss ich nun wirklich mit dem Teufelchen ins Gericht gehen. Weder es noch ich kennen den Lehrer, für eine solch bösartige Unterstellung gibt es gegenüber der konkreten Person nicht den geringsten Funken einer Grundlage. Wobei ich dann gleichzeitig eingestehen muss, dass es in meiner analogen Schulzeit Lehrerinnen und Lehrer gab, in dessen Unterricht ein iPhone eine nette Ablenkung gewesen wäre.

Das böse Fernsehen

Ich belehre jedoch das Teufelchen, dass in dem „Berlingske“-Artikel auch eine Forscherin und ein Forscher vor einem zu großen Einsatz von digitalen Lehrmitteln warnen. Der Laptop und das Smartphone würden die Aufmerksamkeit der Kinder stehlen, so die Forscherin. Das Design der sozialen Medien und von Unterhaltungsseiten sei darauf eingerichtet, neugierig zu machen.

„Und in deiner Kindheit war es das Fernsehen, das angeblich den Kindern schaden würde. Du bist zwar nicht gerade der Schlaueste geworden, aber immerhin kommst du zurecht, und am Fernsehen wird es schon nicht gelegen haben“, muss das Teufelchen schon wieder seinen Senf dazugeben.

Studie über Schädlichkeit

Ich halte dagegen, dass der Forscher in dem Artikel anführt, dass es für Kinder leichter sei, sich in einen Text auf Papier zu engagieren als am Schirm. Ich schiebe die Information nach, dass eine Studie der Yale School of Medicin zeige, dass Kinder, die viel am Bildschirm hängen, ein deutlich erhöhtes Risiko haben, Leiden wie Depressionen und soziale Angst zu entwickeln.

Sozusagen als Trumpf bringe ich noch ein, dass eine Expertengruppe einen Bürgervorschlag für das Folketing eingebracht hat, der die kommerzielle Ausnutzung von Kindern und Jugendlichen durch die Tech-Giganten bremsen soll. Unter anderem wollen die Expertinnen und Experten durch Algorithmen gesteuerte Werbung, die an Kinder unter 16 Jahren gerichtet es, verbieten.

„Und was war mit den Mainzelmännchen?“, kräht es schon wieder von der Schulter.

Der Kompromiss

Ich entgegne, dass das nun wirklich kein seriöser Einwurf sei, schließlich gehe es um das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen.

„Schön und gut, aber wenn die Bildschirme für Kinder so schädlich sind, warum sind sie dann für Erwachsene angebliche harmlos. Schau sie dir doch im Bus, in der Metro oder beim Kinderwagenschieben an. Wie Drogenabhängige klebt ihr doch am Schirm“, so das Teufelchen, das sich sein kindliches Gemüt bewahrt hat.

Nach einigem weiteren Hin und Her einigen das Teufelchen und ich uns letztlich darauf, dass zu viel Handyglotzen für Kinder vielleicht tatsächlich nicht sonderlich gesund ist. Dass aber in Wahrheit die Erwachsenen, also du und ich, ohne Führerschein als Geisterfahrer durch die sozialen Medien irren. 

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