Folkemøde

Großes Politfestival im Miniformat

Großes Politfestival im Miniformat

Großes Politfestival im Miniformat

Allinge
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Ab Donnerstag finden hier Polittalks statt. Selbst an empfindliche Hinterteile ist gedacht. Foto: Walter Turnowsky

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Das Folkemøde auf Bornholm zieht normalerweise ungefähr 65.000 Menschen an. Wenn es am Donnerstag los geht, haben deutlich weniger Menschen Platz. Dafür kann man die Debatten online verfolgen.

Diese Zeilen schreibe ich mit Blick auf eine fast spiegelglatte Ostsee. Neben und hinter mir stehen bereits die Zelte und Bühnen, wo in ungefähr 18 Stunden das Folkemøde in Allinge auf Bornholm beginnen wird.

Schlendert man durch das Festivalgelände, ist die Stimmung gelassen. Letzte Details werden noch organisiert, Abläufe besprochen. Die Organisatoren scheinen die Sache im Griff zu haben.

Nach einem Jahr mit Corona-Blasen, Echokammern und einem zugespitzten und polarisierten Dialog, ist dieses Folkemøde vielleicht das wichtigste jemals.

Camilla Laudrup / Direktorin des Folkemøde

Am Hafen im Zentrum der Stadt ist die Stimmung ebenfalls gelassen, es hat fast ein wenig von der entspannten Stimmung eines entlegenen Örtchens am Mittelmeer. Die Politprominenz ist eindeutig noch nicht in großen Mengen hier eingefallen; wohl auch weil in diesem Jahr deutlich weniger von ihnen auf den zwölf Bühnen während der drei Tage des Folkemødes auftreten werden.

Letzte Abstimmungen auf der großen Bühne Foto: Walter Turnowsky

Corona-Ausgabe

Etliche Veranstaltungen sind gänzlich in den virtuellen Raum umgezogen, jene, die hier in Allinge stattfinden, werden übertragen. Dennoch sind die Veranstalter froh, dass das Politfestival nach dem Ausfall im vergangenen Jahr wieder stattfinden kann.

„Für uns war es ganz entscheidend, dass gerade in diesem Jahr ein Folkemøde stattfindet. Nach einem Jahr mit Corona-Blasen, Echokammern und einem zugespitzten und polarisierten Dialog, ist dieses Folkemøde vielleicht das wichtigste jemals“, sagt Camilla Laudrup, Direktorin des Folkemøde zu „Ritzau“.

Das Festival ist dieses Jahr in vier Abschnitte eingeteilt. Foto: Walter Turnowsky

Der Preis ist, dass die Besucherinnen und Besucher nicht wie sonst frei durch das Festivalgelände schlendern können. Um den Corona-Bestimmungen gerecht zu werden, ist es in vier Abschnitte eingeteilt. In jedem sind maximal 500 Besucher zugelassen. Man braucht eine Karte, um in den jeweiligen Abschnitt hineinzugelangen.

Die sonst üblichen vielen zufälligen Begegnungen zwischen Bürgern werden somit in wesentlich geringerem Maß als sonst stattfinden.

Die Veranstaltungen können online verfolgt werden. Foto: Walter Turnowsky

Direktorin Laudrup setzt dennoch auf ein erfolgreiches Politfestival.

„Wir meinen, dass es wichtig ist, dass das Folkemøde den Rahmen für einen echten Dialog zwischen Entscheidungsträgern und Bürgerinnen wie Bürgern schafft“, meint sie.

Auf zwölf Bühnen finden 250 Veranstaltungen statt. Foto: Walter Turnowsky

Inspiration aus Schweden

Um eben diesen Dialog ging es dem Venstre-Politiker Bertel Haarder, als er das erste Folkemøde 2011 initierte. Er hatte das Jahr zuvor die Almedalswoche auf Gotland in Schweden besucht. Diese politische Veranstaltung in lockerem Rahmen hat dem von Volkshochschulbewegung gerundeten Haarder so gut gefallen, dass er die Idee mit nach Dänemark nahm.

Die Stadt bereitet sich auf die Besucher vor, wie hier bei einer der beiden Räuchereien. Foto: Walter Turnowsky

Zunächst ist die Veranstaltung nicht bei allen gut angekommen. Zu viele Promis und zu wenig Folk, lautete die Kritik. So bezeichnete der damalige Chefredakteur von „Ekstra Bladet“, Poul Madsen, sie als „Schulausflug für Politiker, Spindoktoren und Journalisten“. Kollegin Karen Thisted bezeichnete das Folkemøde an gleicher Stelle als „lächerlich, töricht und überflüssig“.

Im ersten Jahr haben ungefähr 10.000 Menschen über die drei Tage verteilt, das Folkemøde besucht.

Ruhe vor dem (etwas kleineren) Sturm Foto: Walter Turnowsky

In den folgenden Jahren verstummte die Kritik allmählich. Immer mehr Menschen fanden Gefallen an dem „Roskildefestival der Politik“, wie Haarder es nennt. Bereits im zweiten Jahr kamen 27.000 Menschen, 2013 waren es 60.000 und 2016 kamen 40.000 Menschen allein am Sonnabend. Eine Studie zeigt, dass bis zu 70 Prozent der Besucher auf Bornholm wohnen.

Gewinne für Bornholm

Auch der Entwicklung der Felsinsel hat es gutgetan. Fünf Prozent der Einnahmen durch Touristen entstehen in den Tagen des Folkemødes. Auch in den übrigen Monaten des Jahres hat das Festival dem Markenzeichen Bornholm genutzt. Menschen, und gerade Menschen mit Einfluss, haben die Insel kennen und schätzen gelernt. Ein Aufschwung in der Gastronomie und bei Geschäftsreisen sind unter anderem durch das Folkemøde gefördert worden.

Hier gibt es Taks zu Existenzgründungen. Foto: Walter Turnowsky

Mit lediglich 2.000 Besuchern statt 65.000 im Jahr 2019 werden die Einnahmen durch das Folkemøde dieses Jahr deutlich geringer ausfallen. Auf weitere Gewinne beim Image dürfen die Bornholmer dennoch hoffen.

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Leitartikel

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
„Europäischer Erdrutsch“