Analyse

Immobiliensteuer: Ein politisches Minenfeld

Immobiliensteuer: Ein politisches Minenfeld

Immobiliensteuer: Ein politisches Minenfeld

Ruben Karschnick
Ruben Karschnick Online-Redaktion
Kopenhagen
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Die Immobiliensteuer ist für Lykke ein gefährliches Thema. Foto: Scanpix

Sie hat Wahlen entschieden, für wilde TV-Momente gesorgt und Staatsminister zu ungewöhnlichen Mitteln greifen lassen. Nun steht die dänische Immobiliensteuer wieder auf der Tagesordnung.

Mehr als eine Million Dänen wohnen im eigenen Heim und damit rund ein Viertel der Wahlberechtigten. Sie eint ein Dilemma: Anders als Unternehmen, die aus Unzufriedenheit ins Ausland abwandern können, kann ein Hauseigentümer sein Haus nicht einfach woanders hinstellen. Er hat keine andere Wahl, als die Steuerentscheidungen der Politiker zu schlucken. Also muss er möglichst viel Einfluss bei der Wahl nehmen.

Dieser Tatsache war sich auch der ehemalige Staatsminister Anders Fogh Rasmussen (Venstre) bewusst, als er in der heißen Phase des Wahlkampfes 2007 einen Brief an Tausende Hausbesitzer schickte, in dem er die Steuerpläne der Sozialdemokraten angriff. Der Brief landete in der Presse – und verfehlte seine Wirkung nicht: Fogh konnte nach der Wahl ein drittes Mal regieren.

Neben der Lobby der Hausbesitzer ist auch die Macht der Mieter nicht zu unterschätzen. Das musste unter anderem der ehemalige Venstre-Vorsitzende Uffe Ellemann-Jensen im Wahlkampf 1998 feststellen. Eigentlich war für ihn alles nach Plan gelaufen, und die Meinungsforscher hatten seinen Wahlsieg prognostiziert – bis das Thema Immobiliensteuer auf die Agenda kam.

Ellemann-Jensen wollte die sogenannte „Eigentumswertsteuer“ (ejendomsværdiskat) abschaffen, und das wurde ihm zum Verhängnis: Wenige Tage vor der Wahl druckten Mieterverbände, die die konkurrierenden Sozialdemokraten unterstützten, eine Anzeige in der Zeitung Politiken. In großen Buchstaben stand dort: „Sind es die Mieter, die Jensens Steuersenkungen bezahlen sollen? Wir finden nicht!“ Außerdem war in der Anzeige ein Foto von Ellemann-Jensens Privathaus – und der Hinweis, dass dieser mit einer Steuerersparnis von 50.000 Kronen rechnen könne, sollten seine Pläne umgesetzt werden. Viele sind der Meinung, dass die Anzeige den Venstre-Politiker den Wahlsieg gekostet hat.

Zählt an der Wahlurne nur der eigene Geldbeutel?

Befragt man die Dänen, welche Politikfelder sie für am wichtigsten halten, sind das eigentlich Gesundheit und Integration. Doch wenn an der Immobiliensteuer gerüttelt werden soll, ändert sich das offenbar. Zählt an der Wahlurne dann doch vor allem der eigene Geldbeutel? Der Wahlforscher Kasper Møller Hansen von der Universität Kopenhagen sagt im Interview mit Danmarks Radio: „Ein Haus ist die größte private Investition vieler Familien. Wenn man hier am Status quo rüttelt, wirkt sich das auf ihren Alltag und ihre Möglichkeiten aus.“ Deshalb seien viele bei dem Thema extrem konservativ.

Auf diesen Konservatismus hatte auch die ehemalige dänische Staatsministerin Helle Thorning-Schmidt gesetzt, als sie im Wahlkampf 2015 für einen überraschenden TV-Moment sorgte. Während einer Debatte der Parteivorsitzenden auf TV2 sprang sie von ihrem Sitz auf, um von Lars Løkke Rasmussen einen Handschlag einzuholen. Er sollte einwilligen, die Immobiliensteuern bis zum Jahr 2025 in Ruhe zu lassen. Doch Løkke fragte bloß etwas irritiert: „Wem gebe ich darauf die Hand? Der Vorsitzenden der Sozialdemokraten? Der Staatsministerin?“ Ja, sie sei die Staatsministerin, antwortete Thorning-Schmidt, bekam den Handschlag aber nicht.

Trotz dieser Aktion, die Thorning-Schmidt viele Sympathien unter den Hauseigentümern eingebracht haben dürfte, verlor sie die Wahl. Neuer Staatsminster wurde Løkke. Dieser machte bald deutlich, warum er während der TV-Debatte nicht eingeschlagen hatte: Im November vereinbarte er mit den Regierungsparteien, dass ab 2019 ein neues System zur Ermittlung des Eigentumswertes eingeführt werden soll. Und beim Treffen am Mittwoch und in den kommenden  Monaten soll eine Immobiliensteuerreform erarbeitet werden, die im Jahr 2021 in Kraft treten soll.

Bis dahin will Løkke die zuletzt stark gestiegene Grundstückssteuer einfrieren, was manchen Bürgern in den nächsten Jahren Ersparnisse in Höhe von 10.000 Kronen und mehr bringen könnte. Gut möglich, dass der Staatsminister auf diese Weise die Gemüter beruhigen will. Zumindest bis zur nächsten Wahl.

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