Folkemøde

Polittalks bei Urlaubsstimmung

Polittalks bei Urlaubsstimmung

Polittalks bei Urlaubsstimmung

Allinge
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Publikum und Journalisten lauschen während Radikalen-Chefin Sofie Carsten Nielsen interviewt wird. Foto: Walter Turnowsky

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Das Folkemøde auf Bornholm will das demokratische Gespräch fördern. Diesem Anspruch wird es zumindest zum Teil gerecht.

Die Vorsitzende des Verbandes fürs Folkemøde, Vibe Klarup, sprach das zentrale Anliegen des Polit-Festivals gleich in ihrer Eröffnungsrede an: Es soll das demokratische Gespräch anspornen, den direkten Dialog zwischen Politik und Bevölkerung fördern.

Dies sei nach mehr als einem Jahr wichtiger denn je. Untersuchungen hätten gezeigt, dass der größte Teil der Dänen sich nur ungern mit Menschen mit grundsätzlich anderen Ansichten auseinandersetzen. Während der Corona-Krise habe diese Polarisierung zugenommen.

Veranstalterin Vibe Klarup beim Interview Foto: Walter Turnowsky

Lockerer und offener soll es hier zugehen als im politischen Alltagsgeschäft.

Eingezäunt

Die Eröffnungsrede von Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) ließ davon jedoch wenig erkennen. Es war eine Rede, wie sie unzählige Male gehalten hat. Der Umgang mit der Corona-Krise war wenig überraschend ihr zentrales Thema. Bereits am Anfang betonte sie die Bedeutung von Kunst und Kultur während der Krise, bedankte sich bei den Kulturschaffenden. Sie und ihr Beraterteam hatten sich wohl die Kritik aus gerade diesen Kreisen notiert.

Staatsministerin Mette Frederiksen auf der großen Bühne Foto: Walter Turnowsky

Die 500 Plätze, die in diesem Abschnitt zugelassen sind, waren bereits eine halbe Stunde vor Beginn gut gefüllt. Im Publikum war die Stimmung locker, das strahlende Wetter hat dazu beigetragen. Ein wenig Festival-Stimmung kam durchaus auf – auch wenn es ein sehr kleines Festival ist.

Entspannte Stimmung beim Publikum Foto: Walter Turnowsky

Allerdings fehlt die Möglichkeit der Spontanität. Als Besucherin oder Besucher muss man für jeweils drei Stunden ein Ticket für einen der vier Abschnitte buchen. Man kann also nicht einfach über den Festival-Platz schlendern und sehen, wo ein interessantes Gespräch stattfindet.

Rede der Parteichefs

Dies mag vielleicht auch dazu beigetragen haben, dass, wie Moderator Anders Breinholt es ausdrückte, ein relativ großer Anteil des Publikums wohl schon die zweite Corona-Impfung erhalten hat.

Annika Aakjær hatte außer zwei Songs auch ihren Hund mitgebracht. Foto: Walter Turnowsky

Zu den festen Traditionen beim Folkemøde gehört, dass die Parteichefs auf der großen Bühne eine Rede halten und im Anschluss interviewt werden. Als erster war Sikandar Siddique von den Freien Grünen dran. Ich dachte, ich kann mir ja mal anhören, wie man sich als Vertreter einer Partei schlägt, der die politischen Beobachter kaum Chancen einräumen.

Sikandar Siddique bei seiner ersten Rede beim Folkemøde Foto: Walter Turnowsky

Ganz gut, muss ich gestehen. Sein Mix aus Privatem und politischen Statements schien gut hierher zu passen. Auch im anschließenden Interview schlug er sich recht gut, und so war der Applaus dann auch mehr als nur höflich.

Doch ein richtiger Dialog war das noch nicht.

Konstruktiver Dialog über Integration

Ich tat das, was dem Publikum nicht möglich ist, und streifte durch die vier Abschnitte, um nach dem Dialog Ausschau zu halten. Im Abschnitt D blieb ich bei einem Talk zu Herausforderungen der Integration, moderiert von Clemens Kjersgaard, hängen. Diskutiert haben Brian Mikkelsen von Dansk Erhverv, die Feministin Geeti Amiri, Solveig Tingey, Ökonomin beim gemeinnützigen Wohnungsbau und Jonas Herby von dem bürgerlich-liberalen Think-Tank Cepos.

Clemens Kjersgaard spricht mit Solveig Tingey, Brian Mikkelsen und Gerti Amiri. Jonas Herby gesellte sich kurz darauf dazu. Foto: Walter Turnowsky

Hier entspann sich tatsächlich ein Dialog, bei dem die vier einander zuhörten und auf die Argumente der anderen eingingen. Und auch wenn der Ton hier und da schärfer wurde, so blieben sie bei der Sache, schlugen Lösungen vor, anstatt sich einstudierte Argumente an den Kopf zu werfen.

Ein richtiger Dialog mit dem Publikum fand jedoch nicht statt.

Emojis live

Davon gab es gleich mehr bei der darauffolgenden Debatte auf der gleichen Bühne, die von Facebook veranstaltet wurde. Ganz im Stil dieses Mediums, wurden dem Publikum Kellen ausgehändigt, wo auf der einen Seite ein Herz auf der anderen ein wütendes Emoji abgebildet war. Nun sollten die Besucherinnen und Besucher mit den Kellen anzeigen, inwiefern sie meinten, ob konkrete Beispiele von Einträgen von Facebook gelöscht werden sollten oder nicht.

Hier meinte die Mehrheit: Der Facebook-Eintrag darf bleiben. Foto: Walter Turnowsky

Bei einigen Einträgen waren die Auffassungen davon sehr geteilt. Genau diese Pointe, und das Dilemma, war dann auch das Thema der anschließenden Debatte, bei der die Kellen weiter eifrig eingesetzt wurden.

Ehrenpreis für Haarder

Währenddessen hielt Sofie Carsten Nielsen von den Radikalen bereits ihre Rede auf der großen Bühne.

Im Anschluss wurde Bertel Haarder als Initiator des Folkemødes interviewt, - oder das dachte er zumindest. In Wahrheit wurde ihm jedoch ein neu gestifteter Ehrenpreis des Folkemødes verliehen. Es ist dieses Jahr das zehnte Mal, das dieses Polit-Festivals in Allinge stattfindet.

Bertel Haarder freute sich sichtlich über den Ehrenpreis. Foto: Walter Turnowsky

Mein Eindruck nach dem ersten Tag ist, dass sein Anliegen, den Dialog zu fördern, durchaus in weiten Teilen gelungen ist. Doch auch wenn es sicher nicht gerecht ist, das Festival auf der Grundlage der diesjährigen Miniausgabe zu beurteilen, so bleibt der Eindruck, dass der Dialog mit der Bevölkerung noch größeren Raum einnehmen könnte.

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