Leichter als Kitesurfen

Wingsurfen im Selbstversuch: „Das ist wie fliegen“

Wingsurfen im Selbstversuch: „Das ist wie fliegen“

Wingsurfen im Selbstversuch: „Das ist wie fliegen“

Kay Müller/shz.de
Holnis
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Kay Müller beim Wingsurfen
Hart am Wind: Unser Reporter Kay Müller übt das Wingsurfen das erste Mail in seinem Leben. Foto: Marcus Dewanger

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Unser Reporter macht Dinge, die andere sich nicht trauen – etwa Wingsurfen. Sein Motto: Müller macht’s.

Es ist ein kleiner Schritt für mich, aber ein großer Schritt für meine Surfkarriere. Denn als ich mich traue und aus dem Kniestand auf beide Füße stelle, merke ich, wie ich Tempo aufnehme. Das Wasser der Ostsee rauscht unter meinem Brett, und obwohl ich nur ganz langsam gleite, habe ich das Gefühl, dass ich schwebe. Jetzt weiß ich, was mein Lehrer Anton Munz eine Stunde zuvor zu mir gesagt hat: „Im Idealfall fühlt man sich wie ein Vogel.“

Den Flügel halte ich dabei selbst in der Hand, denn ich bin beim Wingsurfen. Eigentlich wollte ich sogar Wing Foiling versuchen, bei dem der Fahrer zwar auf einem Surfbrett steht, das aber durch den Wind im Wing aus dem Wasser gehoben wird und nur mit einer Art Schwert mit einem kleineren Brett unter Wasser verbunden ist – dem foil. „Dadurch hast Du noch weniger Reibung und hast das Gefühl zu fliegen“, sagt Anton.

 

Wind verleiht Flügel

Doch ich fange erstmal mit Trockenschwimmen an. Der Flügel ist schnell aufgepustet. Anton erzählt mir, dass er den auch als Antrieb beim Skateboard- und Schlittschuhfahren verwendet. Mir reicht schon das Wasser, denn meine Eislauf- und Board-Künste halten sich in sehr engen Grenzen. Auf einem Surfbrett habe ich aber auch noch nie gestanden – nicht mal zum Stand-up-paddling. Nun also gleich mit Flügel. Als ich den anhebe, merke ich, wie der Wind daran zerrt. Im Wasser zeigt mir Anton, dass ich dem Wind nachgeben muss, wenn ich ihn optimal nutzen will. Und als ich dann aufs Surfbrett darf, verstehe ich auch schnell, wie er das meint.

Zuerst soll ich nur knien, aber der Wind gibt mir Vortrieb, obwohl er nur schwach weht. Die Bedingungen in Holnis bei Flensburg sind ideal für einen Anfänger wie mich: Das Wasser ist warm und flach, die Sonne blendet nicht zu sehr – so kann ich die ersten Meter meines Lebens auf einem Brett genießen.

Den Flügel zu führen, fällt mir ein bisschen schwer – das bemerken auch die Teilnehmer eines Windsurfkurses, die neben mir in der Bucht üben. Fast fahre ich einen von ihnen über den Haufen – und da ich nicht bremsen kann, bleibt mir nur der Sprung ins Wasser. Ansonsten fällt es mir leichter als gedacht, mich einigermaßen zu halten.

Ausrüstung passt auf ein Fahrrad

„Die meisten Leute wollen immer noch normal Windsurfen lernen“, erzählt mir der Leiter der Surfschule „Wassersport Holnis“, Tobias Kremer. „Doch immer mehr Leute fragen nach den Wings.“ Und auch die Teilnehmer des Windsurf-Kurses schauen immer wieder interessiert zu uns rüber – vielleicht liegt es aber auch an meinen merkwürdigen Bewegungen auf dem Brett, das nicht immer in die gleiche Richtung will wie ich.

Während ich versuche, das Gleichgewicht zu halten, sieht das bei Anton irgendwie eleganter aus: Mein Lehrer dreht jedenfalls schnelle Runden, ich kann nicht mal die Richtung beeinflussen. Surfen ist für ihn wie für den 34-Jährigen Tobias, der die Schule seit zwei Jahren mit seinem fünf Jahre jüngeren Bruder Jonny betreibt, Leidenschaft – und das sieht man allen an. Als eine der ersten Schulen in Deutschland hätten sie im vergangenen Jahr die Wings angeboten – jetzt setze sich das immer mehr durch, sagt Anton. Der Vorteil an den Wings sei, dass man sie leichter als ein Kite segeln und besser verpacken kann. Mein Lehrer transportiert seine Ausrüstung jedenfalls auch mal mit dem Fahrrad zum Strand.

 

Kay Müller mit Surflehrer Anton Munz von Wassersport Holnis
Erst mal ohne Brett geprobt: Kay Müller (l.) mit Surflehrer Anton Munz von Wassersport Holnis. Foto: Marcus Dewanger

Im Wasser erzählt er mir viel über Windrichtungen, Luv und Lee und wie ich mich drehen soll – aber ich verstehe nicht mal die Hälfte, weil ich null Ahnung vom Wassersport habe. „Aber mit dem Wing lernst Du es schnell“, sagt Anton – und er hat Recht. Ich muss nur das bisschen Kontrollverlust zu- und mich auf die Naturgewalten einlassen – auch wenn mir der Wing immer wieder umklappt. Der Flügel will in die eine, das Brett in die andere Richtung – die Koordination muss ich noch lernen. Das Steuern sei aber erst im zweiten Grundkursus dran, sagt Anton. „Erstmal läuft das doch gut, dass Du schon geradeaus fahren kannst.“ Stimmt. Und körperlich ist das nicht besonders anstrengend – das kann jeder, der einigermaßen auf das Brett steigen kann, denke ich.

Grundkursus kostet 135 Euro

135 Euro kostet ein zweistündiger Grundkursus. Wenn man einen zweiten absolviert hat, könne man sich das Material auch in der Schule ausleihen und selbst weiter üben. Denn wenn man einen Flügel kauft, ist man schnell 500 Euro los, ein Brett kann nochmal das Doppelte kosten. „Aber bevor du foilst, ist es besser, dass Du noch einen weiteren Kursus dafür machst“, sagt Tobias, als ich mit dem Brett und dem Flügel wieder aus dem Wasser komme. Wie lange das dauert, will ich wissen und Tobias sagt: „Wir hatten mal einen guten Surfer und Skateboarder, der hat das in zwei Tagen geschafft. Bei anderen dauert das eher so eine Woche.“

 

Surflehrer Anton Munz und Reporter Kay Müller
Vor dem Surfen kommt das Pumpen: Surflehrer Anton Munz (l.) sagt unserem Reporter Kay Müller wie es geht. Foto: Marcus Dewanger

Ich finde das nicht viel, denn Lernfortschritte sind schnell da. Wie ich mich angestellt habe, will ich von Anton wissen. „Dafür, dass Du das noch nie gemacht hast, ging es gut.“ Zum Glück habe ich nicht ganz versagt. Und einen Vorteil hat der Sport auch noch, wie Tobias mir verrät: „Weil es den noch nicht so lange in Deutschland gibt, gibt es quasi nur Anfänger.“ Grund genug für mich, demnächst vielleicht einen weiteren Schritt in meiner mit 48 Jahren begonnenen Surfkarriere zu wagen. 

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