Deutsch-dänisches Paar

Corona-Blockade: Mittagessen am geschlossenen Grenzübergang

Corona-Blockade: Mittagessen am geschlossenen Grenzübergang

Corona-Blockade: Mittagessen am geschlossenen Grenzübergang

Dorthe Arendt/SHZ.de
Aventoft
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Ihr Grenzübergang in Aventoft, der sie im März 2020 berühmt machte, ist seit dem 20. Februar wieder geschlossen: Inga Rasmussen und Karsten Tüchsen Hansen machen gute Miene zu widrigen Corona-Restriktionen. Foto: Dorthe Arendt

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Ihre Treffen im ersten Lockdown in Aventoft machten sie berühmt. Nun wurden ihnen erneut Betonklötze in den Weg gelegt.

Seit dem 1. Februar war es ein tägliches Ritual. Von Montag bis Freitag stieg Karsten Tüchsen Hansen auf seinen Drahtesel und radelte über Grenzübergang Aventoft/Møllehus nach Süddänemark, auf dem Gepäckträger: heiße Ware im wahrsten Sinne des Wortes.

„Ich habe meiner Inga jeden Tag Essen auf Rädern nach Gallehus gebracht“, berichtet der 89-Jährige, der in Süderlügum wohnt. „Aber am Sonnabend war der Grenzübergang in Aventoft wieder dicht, und in Süderlügum durfte ich plötzlich nicht mehr über die Grenze“, sagt Karsten Tüchsen Hansen betrübt. Der Grund: Dänemark hat bekanntlich die meisten der kleinen Grenzübergänge am vergangenen Wochenende wieder geschlossen.

Ihre Treffen am Schlagbaum machten sie berühmt

Auch den Übergang, der das deutsch-dänische Paar vor fast genau einem Jahr berühmt machte, oder viel mehr die grenzenlose Liebe von Karsten Tüchsen Hansen und Inga Rasmussen.

Denn: Als Deutschland und Dänemark Mitte März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie die Grenzen schlossen, trafen sich die 85-jährige Dänin und der 89-jährige Südtonderaner wochenlang jeden Tag am Schlagbaum, um trotzdem Zeit miteinander verbringen zu können.

Unbändig die Freude, als sie sich nach den ersten Lockerungen der Corona-Restriktionen wieder besuchen durften. Und jetzt? Unbändiges Unverständnis über die erneute Grenzschließung. „Die Dänen sind nicht ganz klug“, sagt Inga Rasmussen.

Der Grenzübergang Aventoft/Möllehus ist seit dem 20. Februar wieder geschlossen. Foto: Dorthe Arendt

Doch das Grenzland-Liebespaar ist nicht verlegen, in ungewöhnlichen Situationen ungewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen. „Dann müssen wir eben gemeinsam an der geschlossenen Grenze Mittag essen“, erklärt Karsten Tüchsen Hansen kurzerhand. Und so bringt er seiner Inga eben Hähnchen-Cordon-Bleu mit Reis und Gemüse an den Schlagbaum.

Bedingungen sind ungemütlicher geworden

Zum Glück ist es nicht mehr klirrend kalt wie noch noch vor gut einer Woche, frühlingshafte Temperaturen begleiten Freiluft-Rendezvous im Februar, auch wenn ein kalter Wind weht. Auch sind die Bedingungen an der geschlossenen Grenze wesentlich ungemütlicher als vor knapp einem Jahr.

Übergabe der heißen Ware – des Mittagessens, das Karsten Tüchsen Hansen seiner Inga mitgebracht hat. Foto: Dorthe Arendt

Die Absperrung sei viel höher, ist das Urteil der beiden. „Da kommt nicht mal mehr ein Hund durch“, sagt Karsten Tüchsen Hansen. Tatsächlich ist die Blockade noch einmal auf Betonklötze aufgebockt, selbst an den Seiten passt kein Blatt Papier mehr zwischen Absperrung und Unterholz.

„Als ob wir Verbrecher wären“, sagt Inga Rasmussen kopfschüttelnd. Das Essen, das Karsten Tüchsen Hansen mitgebracht hat, verzehrt jeder allein auf seiner Seite. Ein trauriges Bild, das sich so bald wohl nicht wiederholen wird.

Jeder für sich: Inga Rasmussen isst auf der dänischen Seite ihr Mittagsmahl. Foto: Dorthe Arendt
Allein, allein: Karsten Tüchsen Hansen ist über das getrennte Mittagessen alles andere als glücklich. Foto: Dorthe Arendt

Inga könne ja zu ihm kommen, berichtet der 89-Jährige. Aber der Weg über Süderlügum sei für seine 85-Jährige Freundin komplizierter. „Da muss sie an drei Kreisverkehre und fünf Ampeln vorbei.“ Und er selbst könne wohl vorerst gar nicht mehr zu ihr kommen.„Die dänische Polizei hat am Sonnabend plötzlich zu mir gesagt, dass meine Bescheinigungen nicht mehr reichen“, so Karsten Tüchsen Hansen. Er brauche einen aktuellen Corona-Test, hätten die Beamten verdeutlicht.

Nach Flensburg zum Corona-Test?

„Und zwar alle drei Tage einen neuen, dafür soll ich nach Flensburg fahren, haben mir die dänischen Polizisten geraten“, berichtet der 89-Jährige und fragt: „Wer soll mich dahin fahren? Und überhaupt, Flensburg: Die Dänen haben doch gerade wegen der Corona-Lage in Flensburg die Grenzübergänge geschlossen, da möchte ich dann ehrlich gesagt auch gar nicht hin“, sagt Karsten Tüchsen Hansen.

Inga Rasmussen wurde bisher nie angehalten, wenn sie über die Grenze zu ihrem Freund nach Süderlügum gefahren ist. „Aber wenn ich zurück nach Hause wollte, dann musste ich jedes Mal der dänischen Polizei meinen Pass vorzeigen.“

Promi-Bonus verwirkt?

Karsten Tüchsen Hansen konnte seit der Öffnung der Grenze immer ungehindert über Aventoft nach Dänemark radeln. „Entweder stand da keiner, oder die Polizisten kannten mich“, sagt der 89-Jährige.

Es schadet wohl nicht, wenn lokale, nationale und internationale Medien über das Grenzland-Liebespaar berichtet haben und auch noch immer wieder berichten. Doch aktuell scheint der Promi-Bonus den immer strengeren Corona-Regeln zu unterliegen.

Immerhin ein Impftermin steht fest

„Dabei treffen wir kaum andere Menschen, ich habe wirklich Angst, mich zu Infizieren“, berichtet der 89-jährige Nordfriese, der in Aventoft geboren wurde und sich mit der Grenzregion tief verwurzelt fühlt. Einen Impftermin hat er allerdings – wie viele andere Senioren in Schleswig-Holstein – noch nicht ergattert. Bei Inga Rasmussen ist hingegen ist der erste Impftermin am 28. Februar in Tondern schon ganz nah.

Dennoch: Zu den Widrigkeiten, die sich die beiden betagten Lebenspartner derzeit konfrontiert sehen, sagt Karsten Tüchsen Hansen: „Wir sind alt, ich werde am 4. März 90 Jahre, Inga zwei Tage vorher 86, und wir sind nicht mehr so mobil.“ Es müsse im Grenzland so sein, dass Deutsche und Dänen einander problemlos besuchen können, findet er.

„Wir leben in der EU und haben jetzt wieder geschlossene Grenzen. Das ist unmenschlich“, findet Karsten Tüchsen Hansen. Er hofft, dass er bald wieder mittags nach Dänemark zu seiner Inga radeln kann – über seinen angestammten Grenzübergang in Aventoft.

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