Russische Invasion

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

dpa
Kiew
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Rettungskräfte arbeiten an einem zerstörten Gebäude in Charkiw. Foto: Andrii Marienko/AP/dpa

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Mit ihrer Gegenoffensive haben die ukrainischen Streitkräfte die russischen Besatzer im Gebiet Charkiw unter Druck gesetzt. Nun ziehen die Russen dort aus strategisch wichtigen Orten ab. Die aktuellen Entwicklungen in der Übersicht.

Die ukrainischen Truppen haben offensichtlich mit ihrer Gegenoffensive die russischen Truppen zum Rückzug aus der ukrainischen Region Charkiw gedrängt. Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, sagte am Samstag in Moskau, Soldaten sollten etwa aus der strategisch wichtigen Stadt Isjum abgezogen werden. Auch aus der Stadt Balaklija, die die Ukrainer in der vergangenen Woche als befreit gemeldet hatten, sollen die russischen Truppen abrücken. Die von Russland in Charkiw eingesetzte Militärverwaltung rief die Menschen auf, die Region zu verlassen.

Offiziell begründet wurde der Abzug damit, dass durch die Umgruppierung die Einheiten im angrenzenden Gebiet Donezk verstärkt werden sollen. Viele Militärexperten gehen jedoch davon aus, dass die Russen mehr als ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn angesichts des massiven ukrainischen Vorstoßes im Charkiwer Gebiet so stark unter Druck geraten sind, dass sie sich zur Flucht entschieden haben. Der ukrainische Generalstab wollte zum Schutz der eigenen Soldaten zunächst noch keine Informationen rausgeben.

Unterdessen reiste Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zum zweiten Mal nach Kiew. Bei ihrem Besuch in der Hauptstadt versprach sie der Ukraine Beistand «so lange es nötig ist - mit der Lieferung von Waffen, mit humanitärer und finanzieller Unterstützung». Auch bei der Beseitigung von Minen will Deutschland den Ukrainern helfen. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba pochte derweil auf die Lieferung von Kampfpanzern aus Deutschland.

Ukraine: Strategisch wichtige Stadt im Osten zurückerobert

Mehr als ein halbes Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs eroberte die Ukraine nach eigenen Angaben die strategisch wichtige Stadt Kupjansk im östlichen Gebiet Charkiw zurück. Der Inlandsgeheimdienst SBU veröffentlichte Fotos, die Einheiten in der bislang von Russland besetzten Kleinstadt zeigen sollen. Kupjansk ist wegen des direkten Bahnanschlusses an Russland als Verkehrsknotenpunkt wichtig für die Versorgung des russischen Truppenverbands um das südwestlich gelegene Isjum. Durch den Vorstoß der Ukrainer hätte dort mehr als 10.000 russischen Soldaten die Einkesselung gedroht.

Später berichtete der Militärgouverneur des ebenfalls ostukrainischen Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, die eigenen Truppen seien auch dort auf dem Vormarsch und bereits an den Stadtrand von Lyssytschansk vorgestoßen. Lyssytschansk war im Juli als letzte größere Stadt des Gebietes Luhansk von der russischen Armee erobert worden. Der Vertreter der selbst ernannten «Volksrepublik Luhansk», Rodion Miroschnik, wies diese Angaben später zurück. «Die Ukraine versucht, Panik zu säen», schrieb er in sozialen Netzwerken. Unabhängig konnten die Angaben beider Seiten zunächst nicht überprüft werden.

Auch mit Hilfe westlicher Waffen hat die ukrainische Armee im August mit einer groß angelegten Gegenoffensive begonnen. Im Charkiwer Gebiet wurden dadurch zuletzt Dutzende Dörfer und mehrere Städte von den russischen Besatzern befreit.

London: Ukrainische Truppen haben Russen mit Offensive überrumpelt

Mit ihrer Gegenoffensive überrumpelten die ukrainischen Truppen im Nordosten des Landes nach britischen Informationen die russischen Kräfte. Die ukrainischen Speerspitzen seien auf enger Front bis zu 50 Kilometer weit in bisher russisch besetztes Gebiet vorgestoßen, teilte das Verteidigungsministerium am Samstagmorgen in London unter Berufung auf Geheimdienste mit. In dem Gebiet seien nur wenige russische Truppen versammelt gewesen, hieß es. «Die russischen Kräfte wurden offenbar überrascht.»

Ukraine drängt Deutschland zu Lieferung von Kampfpanzern

Der ukrainische Außenminister Kuleba sagte, er sehe keine Hindernisse für eine Lieferung von Kampfpanzern aus Deutschland. Bis sich Berlin dazu entschließe, solle Deutschland weiter Artilleriemunition liefern. «Das erhöht spürbar unsere Offensivmöglichkeiten und das hilft uns bei der Befreiung neuer Gebiete», sagte der Chefdiplomat bei einem gemeinsamen Auftritt mit Baerbock.

Die deutsche Außenministerin reagierte zurückhaltend auf die ukrainische Forderung. «Wir liefern ja seit längerem bereits schwere Waffen. Und wir sehen, dass diese schweren Waffen auch einen Unterschied mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine machen», betonte sie. Konkret nannte Baerbock Mehrfachraketenwerfer, Panzerhaubitzen und Flakpanzer vom Typ Gepard. Von letzteren werde Deutschland schnellstmöglich zehn weitere liefern.

Baerbock wollte mit ihrem Besuch nach eigenen Worten ein Zeichen gegen drohende Kriegsmüdigkeit in Deutschland setzen. «Für mich ist klar, (Wladimir) Putin setzt darauf, dass wir der Anteilnahme am Leid der Ukraine müde werden», sagte sie. Der Kremlchef wolle den Westen mit Lügen spalten und mit Energielieferungen erpressen. Die Rechnung dürfe aber nicht aufgehen. «Denn ganz Europa weiß, dass die Ukraine unsere Friedensordnung verteidigt.» Baerbock warf der russischen Armee vor, die Vororte Kiews «mit Minen verseucht» und gezielt Anti-Personen-Minen eingesetzt zu haben, um Zivilisten zu töten.

Macron: Russen sollen aus Saporischschja abziehen

Der französische Präsident Emmanuel Macron sprach sich in einem Telefonat mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj erneut für einen Abzug der russischen Truppen aus dem ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja aus. Beide Präsidenten hätten ihre Unterstützung für die Arbeit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) vor Ort bekundet, teilte der Élyséepalast am Samstag mit.

Russische Streitkräfte halten das ukrainische AKW im Süden des Landes besetzt. Die Lage in dem umkämpften Atomkraftwerk wird laut den internationalen Beobachtern der IAEA vor Ort immer instabiler. Die Anlage hat demnach keine externe Stromversorgung mehr für die Kühlung von Reaktorkernen und Atommüll. Kiew und Moskau machen sich gegenseitig für den Beschuss der Anlage verantwortlich.

Scholz macht Mut in Energiekrise: «Wir kommen da durch»

Bundeskanzler Scholz sprach den Bürgerinnen und Bürgern in der aktuellen Energiekrise Mut zu. «Wir werden uns als Land unterhaken, weil wir ein solidarisches Land sind. Wir kommen da durch», sagte er in seiner am Samstag veröffentlichten wöchentlichen Videobotschaft. Die Menschen in Deutschland spürten, dass sie in einer ernsten Zeit lebten. «Wir haben uns aber vorbereitet», versicherte der Kanzler.

Kommunen warnen vor Stromausfällen durch Heizlüfter

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnte angesichts der Energiekrise vor flächendeckenden Stromausfällen in Deutschland. «Die Gefahr eines Blackouts ist gegeben», sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der «Welt am Sonntag». Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, warnte vor massenhaftem Gebrauch von Heizlüftern. Sie zu nutzen, sei selbst bei den hohen Gaspreisen teurer als Heizen mit Gas, sagte er dem «Tagesspiegel». Außerdem könne es Stromnetze lokal an ihre Grenzen bringen, wenn viele Menschen gleichzeitig mit Heizlüftern heizten.

Experten halten das deutsche Stromnetz allerdings für gut gewappnet. «Die Angst ist zu einem großen Teil Panikmache», sagte Energieexperte Christoph Maurer vom Beratungsunternehmen Consentec dem Fernsehsender n-tv. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht grundsätzliche eine hohe Versorgungssicherheit.

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