Katholische Kirche

Macht und Missbrauchsverdacht: Kardinal Pell ist tot

Macht und Missbrauchsverdacht: Kardinal Pell ist tot

Macht und Missbrauchsverdacht: Kardinal Pell ist tot

dpa
Rom
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Der australische Kardinal George Pell während einer Messe zu Erntedank in Sydney. Foto: picture alliance / dpa

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Jahrelang macht der australische Kardinal Schlagzeilen - als geschickter Finanzchef im Vatikan, später aber vor allem wegen Missbrauchsvorwürfen. Zeitweise sitzt er im Gefängnis. Wer war George Pell?

Kardinal George Pell war eine imposante Gestalt. Mit fast zwei Metern Körpergröße überragte der Australier die meisten seiner Kollegen im Vatikan, auch wenn er wegen künstlicher Kniegelenke in den letzten Jahren am Stock ging.

Die Statur passte zu seinem Status: Als Finanzminister von Papst Franziskus galt der Geistliche einst als dritthöchster Vertreter des Vatikans und versuchte, die undurchsichtigen Finanzen des Heiligen Stuhls in Ordnung zu bringen. Aber aus der Höhe stürzte er tief - zumindest zeitweise. Jetzt ist der mächtige Kirchenmann im Alter von 81 Jahren in Rom gestorben.

Ein Rückblick: Ende Juni 2017 wird bekannt, dass im australischen Bundesstaat Victoria ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs gegen Pell eingeleitet worden ist. Ihm werden sexuelle Vergehen an zwei Chorknaben in den 1990er Jahren zur Last gelegt, als er Erzbischof war. Anfang 2018 beginnt die Beweisaufnahme in Melbourne, bei der Dutzende Zeugen vernommen werden. Der Kardinal bestreitet die Vorwürfe und plädiert auf «nicht schuldig».

Fall mit Symbolkraft

Dennoch spricht ihn die Jury der Geschworenen Ende 2018 einstimmig schuldig. Wenige Monate später wird das Strafmaß verkündet: Sechs Jahre Haft. Pell ist damit der ranghöchste Geistliche in der Geschichte der katholischen Kirche, der wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurde. Maßgeblich war die Aussage eines früheren Chorknaben.

Richter Peter Kidd findet bei der Urteilsverlesung deutliche Worte, nennt den Kardinal «atemberaubend arrogant», «gefühllos» und «brutal». Vor dem Gericht warten gleichermaßen Anhänger und Gegner des Kurienkardinals. Demonstranten halten Schilder hoch, auf denen Pell mit Teufelshörnern zu sehen ist. Der Fall hat weit über die Grenzen Australiens hinaus Symbolkraft.

Dann aber die Überraschung: Nach 404 Tagen in Einzelhaft wird Pell im April 2020 im Berufungsverfahren freigesprochen und kommt aus dem Gefängnis. Die Richter halten es für eine «bedeutende Möglichkeit», dass eine unschuldige Person verurteilt wurde. Die Beweislast sei nicht ausreichend, Pells Schuld zu untermauern. Damit endet ein spektakulärer Prozess, der weltweit jahrelang für Schlagzeilen sorgte. Missbrauchsopfer sind bestürzt, die Kollegen im Vatikan erleichtert. Nach seiner Freilassung kehrt Pell nach Rom zurück.

In seiner Zelle schreibt er ein «Gefängnistagebuch», das später in drei Bänden als Buch veröffentlicht wird. Pell gewährt darin Einblicke sowohl in sein Leben in Haft als auch in sein Inneres. Es geht um Gott, die Kirche und den Papst, aber auch um sein Gerichtsverfahren. «Wie bei jedem Leiden, auch bei unwillkommenen und unerwarteten, kann alles dem Herrn zum Wohl der Kirche aufgeopfert werden. Das ist ein großer Trost», schreibt er.

Überraschend gestorben

Sein plötzlicher Tod in Folge einer Routine-Operation sorgt nun erneut für gemischte Reaktionen. Der frühere australische Premierminister Tony Abbott bezeichnet die Vorwürfe gegen Pell und seine Inhaftierung am Mittwoch als «eine moderne Form der Kreuzigung». Steve Dimopoulos, Minister in der Regionalregierung von Victoria betont hingegen: «Heute ist ein sehr schwieriger Tag für die Familie und Angehörigen des Kardinals. Aber es ist auch ein sehr schwieriger Tag für Überlebende und Opfer des sexuellen Missbrauchs von Kindern und ihre Familien, und meine Gedanken sind bei ihnen.»

Pells Operation sei schon länger geplant gewesen, berichtet das vatikaneigene Medienportal «Vatican News». Berichten zufolge handelte es sich um eine Operation an der Hüfte. Pell hatte seit 2010 auch bereits einen Herzschrittmacher.

Noch im Dezember lobte Papst Franziskus Pell für seine Arbeit in der Kurie, deren Finanzapparat er mit sanierte und bezeichnete ihn als «Genie»: «Es war Pell, der den Entwurf machte, mit dem man weitermachen konnte», sagte der 86 Jahre alte Argentinier dem italienischen Privatsender Canale 5. «Er ist ein großartiger Mensch und wir schulden ihm viel.»

Im Konklave bei zwei Papstwahlen

Um den hoch gewachsenen Kurienkardinal war es zuletzt aber ruhiger geworden. Das Requiem für den unlängst verstorbenen Papst Benedikt XVI. feierte er am 5. Januar in Rom noch mit. Seit seinem 80. Geburtstag im Juni 2021 war der Australier bereits aus dem Kreis der Wahlberechtigten in einem Konklave heraus gefallen.

Diese Altersgrenze gilt für alle Papstwähler. Papst Johannes Paul II. nahm Pell im Oktober 2003 in das Gremium mit auf. Dementsprechend wählte der studierte Philosoph und Theologe im Konklave 2005 mit, aus dem der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI. hervorging und im Konklave 2013, das Jorge Mario Bergoglio - den heutigen Papst Franziskus - wählte.

Auch wenn er bei einer künftigen Papstwahl nicht mehr hätte abstimmen dürfen - Pell machte sich seit Jahren Gedanken über die Zukunft der Kirche auch nach Franziskus. «Ich habe den Ehrgeiz, lange genug zu leben, um beim nächsten Vorkonklave über das Leben der Kirche zu sprechen und darüber, wie der nächste Papst sein sollte», schreibt er in seinem Gefängnistagebuch. Aber dazu sollte es nicht mehr kommen.

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