Dänische Minderheit

Nach 25 Jahren Landespolitik: SSW-Politiker Lars Harms legt Mandat nieder und erntet viel Lob

Nach 25 Jahren Landespolitik: SSW-Politiker Lars Harms legt Mandat nieder

SSW-Politiker Lars Harms legt nach 25 Jahren Mandat nieder

André Klohn, dpa
Kiel
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Am 8. November wird Harms 60, am 6. Januar will der Friese sein Mandat niederlegen und die Landespolitik verlassen. Foto: Frank Molter/dpa

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Zum Jahreswechsel legt SSW-Fraktionschef Lars Harms sein Mandat nieder. Er hat dazu beigetragen, dass die Partei der dänischen und der friesischen Minderheit als ganz normale Partei wahrgenommen wird. Zu Beginn seiner Amtszeit sah das noch anders aus.

Fußball-Tribüne statt Plenum, Kochen statt Kantine: Nach einem Vierteljahrhundert zieht sich Lars Harms Anfang Januar aus der Landespolitik zurück. „Politiker sollten dann gehen, wenn sie es noch selbst entscheiden können und nicht erst aus dem Hause getragen werden oder die Leute sagen: ,Mein Gott, geht der mir auf den Keks’“, sagte der Fraktionschef des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW). Er hoffe, die Menschen sagten stattdessen: „So ganz verkehrt war er nicht.“

Am 8. November wird Harms 60, am 6. Januar will der Friese sein Mandat niederlegen. „Ich habe meinen Dienst am Land erbracht“, sagt Harms. Nun seien andere dran. Am 7. Januar könnte die Fraktion seinen Nachfolger wählen. Mit Christian Dirschauer und Sybilla Nitsch stünden dort jüngere Leute bereit, für die Zukunft der Partei der dänischen und friesischen Minderheit zu arbeiten, sagte Harms. Für ihn rückt Michael Schunck nach.

Lars Harms in Regierung und Opposition

Harms wurde 2000 erstmals in den Landtag gewählt. Er erlebte den gescheiterten Versuch der damaligen Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD), sich nach der Landtagswahl 2005 von einer rot-grünen Minderheitsregierung unter Tolerierung des SSW wiederwählen zu lassen. Damals habe es Morddrohungen nicht nur gegen ihn, sondern auch gegen seine Kinder gegeben, sagte Harms. „Das war schon gaga, also das war schon schräg.“

Sieben Jahre später formierte SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig die sogenannte Küstenkoalition der drei Parteien mit der langjährigen SSW-Fraktionschefin Anke Spoorendonk als Justizministerin. Harms rückte auf den Fraktionsvorsitz und blieb dort.

„Das Schöne beim SSW ist: Wir haben keine Ideologie im Hintergrund, sondern nur das Bekenntnis zu einer der beiden Minderheiten der Friesen und der Dänen“, sagte Harms. „Für so einen Schnackertyp wie mich, der gerne mit den Leuten sabbelt, ist das natürlich ideal.“

Historisches Ergebnis

Es gab auch Spekulationen, Harms könnte SSW-Minister werden. „Es hat diese Anfragen gegeben, und ich habe die Menschen dann immer wieder schockiert mit meiner Aussage, überhaupt kein Interesse zu haben, in irgendeiner Art und Weise irgendein Ministeramt zu übernehmen“, sagte Harms. Die Vorstellung, sich nur mit einem Themenbereich zu befassen, sei ihm zuwider. „Fraktionsvorsitzender im Landtag, was Genialeres kann es gar nicht geben.“

Bei der Landtagswahl 2022 erreichte der SSW mit 5,7 Prozent sein historisch bestes Ergebnis. Vier Abgeordnete repräsentieren seitdem im Landtag die Interessen der Minderheiten, aber nicht nur diese. Danach habe er den Entschluss gefasst, zur Mitte der Legislatur zu gehen, sagte Harms. Seine Nachfolger könnten die Zeit bis zur Landtagswahl 2027 zur Profilierung nutzen. 

Parteiübergreifend ist der SSW im Norden anerkannt. „Heute sind wir in der Lage, mit allen vier demokratischen Parteien im Landtag zusammenzusitzen, zu sprechen, gemeinsame politische Ziele zu formulieren und irgendwann sicherlich – je nachdem, wie die Wahlergebnisse sind – auch mal wieder zu regieren“, sagte Harms.

Enttäuscht von gebrochenen Vereinbarungen

Der SSW sei mittlerweile trotz Befreiung von der Fünf-Prozent-Hürde „vollgültige Partei“. Sie habe den Beweis erbracht, auch regieren zu können, sagte Harms. Nach jahrelangem Streit bestätigte das Landesverfassungsgericht 2013 den besonderen Rechtsstatus. Geklagt hatten Mitglieder der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union.

Als enttäuschend empfand Harms in der Politik gebrochene Vereinbarungen nach dem Motto: „Lars, du hast recht, aber wir haben noch einmal in Berlin angerufen: Das geht nicht. Solche Dinge fand ich immer mies.“ Er würde Menschen zwar nie als Freunde bezeichnen, ohne diese sehr, sehr lange zu kennen. „Aber ich habe hier viele Menschen kennengelernt, zu denen ich ein freundschaftliches Verhältnis habe.“ Er verstehe sich mit Menschen quer durch die im Landtag vertretenen Parteien.

Plattensammlung und Tribünenplatz

Harms hat bereits viele Ideen für die Zeit nach der Politik. „Erst mal will ich meine Plattensammlung komplett durchhören.“ Die sei zwar nicht riesig, das werde aber trotzdem ein paar Wochen dauern. „Und ich will endlich öfter kochen. Das kann natürlich das Grauen für manch einen sein, aber ich habe richtig Bock dazu.“

Darüber hinaus will Harms wieder mehr Fußballspiele im Stadion erleben. „Beim HSV bin ich öfter mal.“ Er wolle nun aber auch zu Traditionsvereinen quer durchs Land. „Also 1860 München, Kickers Offenbach, Rot-Weiß Essen, all die guten alten Clubs. Ich möchte dort hinfahren und ein schönes Spiel sehen. Egal gegen wen.“ Davon träume er bereits lange.

Erste Reaktionen zum Abschied von Lars Harms aus der Politik

„Lars wird dem Parlamentarismus in Schleswig-Holstein fehlen“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Lasse Petersdotter. Harms sei immer ein wichtiger Kämpfer gewesen für die Minderheiten im Land, Menschen mit geringem Einkommen und für die Demokratie. Petersdotter habe großen Respekt vor Harms‘ Lebenswerk.

Die Präsidentin des Landtags von Schleswig-Holstein, Kristina Herbst (CDU), sagte: „Ich habe Lars Harms als hoch engagierten Streiter insbesondere für die Interessen der Minderheiten in Schleswig-Holstein kennengelernt.“

Ähnlich äußerte sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Koch. Er sagte, Harms habe als Streiter für die dänische und friesische Minderheit im Land die Arbeit des Parlaments in den vergangenen 25 Jahren entscheidend geprägt. 

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